Montag, 21. Februar 2011

Pascal Sebah III, aber auch Bau von Gotteshäusern

Bei der Betrachtung der Antike kommt man auch bei Berücksichtigung des den Deutschen anhaftenden Graecozentrismus doch zum Ergebnis, dass viele der damaligen Errungenschaften auf griechischen Wurzel sprossten. Davon gibt es mindestens zwei Ausnahmen, den Raum und das Recht.

Die kargere Denkungsart der Römer verbunden mit der Lakonie ihrer mit Partzipialkonstruktionen und sonstigen Satzverkürzungen ausgestatteten Sprache erlaubte es ihnen, das erste ausgefeilte Rechtssystem aufzubauen (Einschub von Dottore: dabei unterschlägt Pantalone das, was Karl Marx die „sozialökonomische Scheiße“ genannt hat).

Die Entstehung des Innenraumes hatte eine geographische und eine bautechnische Vorrausetzung. Rom liegt etwas nördlicher, es regnete im Römerreich öfters. Sah sich der Grieche von Säulen umgeben, dann stand er im Peristyl, war damit aber immer noch im Freien. Die Gerichtsverhandlungen der Römer fanden gern in Basiliken statt, also in einem Raum, kein αγοράζο mehr. Die technische Vorrausetzung war die massenhafte Herstellung von Zement, die Verwendung des OPUS CAEMENTITIUM. So wie der Tempel der Athene auf der Akropolis die Summe aller Gestaltungskraft der Griechen darstellt, so ist das Pantheon in Rom bis heute der Inbegriff des Bereiches, in dem man nicht von Natur umgeben ist, dies mit ein kleinwenig Ausnahme, die den Blick in den Himmel ebenso erlaubt, wie dem Himmel das Hineinregnen.

Als nun der Zweckchrist Konstantin die Zentrale des Reiches nach Osten verlegt hatte, da sollte in diesem Zweiten Rom auch ein solcher Raum entstehen, nun verbunden mit dem Versuch, ihn auch etwas christlich zu prägen. Das war zugestandenermaßen schwierig, weil das Christentum Bauformen vorfand, sie aber nicht schuf. Deshalb ist die Hagia Sophia auch kein reiner Kuppelbau, sondern hat basilikale Anteile. Gleichwohl ist die Kuppelraum einzigartig. Also wollten auch die Touristen um 1875 diesen Eindruck gegenständlich mit nach Hause nehmen. Wie konnten Sebah und Kollegen dem gerecht werden?

Es gab damals noch keine Fisheyeobjektive, die auch heute nur in der Lage sind, den Gesamtraum abzubilden um den Preis der Verzerrungen zum Rande hin. Da diese aber sich langsam aus der Mitte heraus entwickeln, ist jedoch ein einheitliches Bild vorhanden. – Einen Raum, also ein dreidimensionales Gebilde, auf einer Fläche wiederzugeben, kann sowieso immer mit Augentäuschungen verbunden sein. - Verzerrungen bildeten auch die Objektive ab, mit denen versucht wurde, möglichst viel des Raumes auf die Platte zu bannen.
Auf dem ersten Bild schaut die Hagia Sophia gut getroffen aus, aber an den Streifen aus hellem Marmor (von Pantalone grün verschandelt) erkennt man das Mosaik, das einem vorgesetzt wird. Von den Knickstellen laufen nach oben Zonen unterschiedlicher Helligkeit, zwei der vier Seraphim werden etwas tangiert, links verliert ein Fenster der Kuppel seine Breite. Tatsächlich verlaufen die Streifen aber gerade unter dem Kuppelraum:
Aus Frankreich werden die Ausgangsbilder ins Netz gestellt, die Sebah und/oder sein unermüdlicher Helfer Laroche zu einem Großbild zusammengesetzt hatten, hier von Pantalone zur Demonstration einander angenähert.
Es bedurfte danach noch vieler Projektionsarbeit beim Vergrößern, bis die unteren Enden der drei Aufnahmen aufeinander Bezug nahmen, denn endlich schafften sie es, ein fast perfektes Bild zu komponieren. Im übrigen neigt Pantalone dazu anzunehmen, die drei Einzelbilder sind ihrerseits wieder aus einzelnen zusammengefügt.
Die Gestaltung des Kirchenraumes war nicht von der Liturgie abhängig, sondern die Christen verwendeten die Form der Basilika weiter. Im Osten der Christenheit war der Bau der Grabeskirche mit einer Kuppel das Vorbild für den sich dort von der Basilika langsam entfernenden Kirchenbau. Im Gegensatz zu den ungestümen Germanen warteten die Araber einige Jahrhunderte an ihrer Grenze zum Römerreich, dem LIMES ARABICUS, bis sie - geleitet von einer Begeisterung, nicht vom Streben nach Teilhabe - diese überwanden. Zuvor aber hatten sie einiges von der anderen Seite gelernt. Einige der Wüstenschlösser in Jordanien sind unter Kunsthistorikern „streitig“, noch Byzanz oder schon Muslim? Einer der frühesten Bauten des Islam, der sog. Felsendom, ist ein Kuppelbau.
Von Felix Bonfils stammt das Bild, dessen unterer Teil abgeschnitten wurde, das Acker zeigte, Bonfils´ Signaturen jedoch wurden wieder eingefügt. Übrigens, lange vor der Kuppel Karls des Großen im heutigen Dom zu Aachen wurde der Felsendom gebaut!

Die meisten Gotteshäuser des neuen, moslemischen Glaubens waren allerdings durch die „Liturgie“ bestimmt, die keine ist, denn der muslimische Gottesdienst ist ein reiner Gebetsgottesdienst. Die arabischen Moscheen sind daher Bauten mit vielen gleichen Schiffen, allenfalls vor dem Gebetsplatz des Vorbeters ist eine kleine Kuppel. Anders die türkischen. Denn die Türken traten 1453 in ihrem Bewusstsein das Erbe des oströmischen Reiches an, nach dem sie es überwunden hatten. Die Faszination des Kuppelbaus der flugs in eine Moschee verwandelten Hagia Sophia beflügelte sie zu Kuppelmoscheen. (Hier muss Dottore etwas anmerken: Geschichte wiederholt sich viel öfters, als Hegel annimmt. Wieder einmal hat der Besiegte etwas beim Sieger verändert. Horatius bemerkte schon: GRAECIA CAPTA FERUM VICTOREM CEPIT ET ARTES INTULIT AGRESTI LATIO, für Pantalone: „Das eroberte Griechenland packte den wilden Eroberer und führte die Künste im bäuerischen Latium ein.“) Trotz der Frechheit hat er recht, meint Pantalone, auch die türkische Küche hat in vielen Teilen die von Byzanz übernommen und weiterentwickelt.

Dottore ärgert sich: Ich habe mich von diesem weitschweifigen Schwätzer wieder verführen lassen. Wenn der seine weiten Bogen spannt, dann muss ab und zu das Nötigste begrifflich geklärt werden, obwohl ich mir immer vornehme, ihn vor sich hin wursteln zu lassen.

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