Montag, 30. April 2012

Die Falkenburg in Köln-Lindenthal


Die Falkenburg in Köln-Lindenthal wurde im Revolutionsjahr 1848 eingeweiht, sie war ein typischer Bau des Historismus, der sich in seiner Hinwendung zur Gotik auch auf Schinkel stützen kann. Im Jahre 1878 kaufte der Urgroßvater von Dottore das Bauwerk, in dem er ein Handelsunternehmen für Gastwirtsbedarf betrieb. Ein Sohn machte eine Banklehre und wäre auch gerne in diesem Beruf verblieben, aber sein Vater bestimmte ihn zu seinem Nachfolger. So blieb denn die Falkenburg bis Anfang der 1930er Jahre in Familienbesitz, bis 1945 war eine Brauerei Eigentümerin, heute steht auf dem dreieckigen Grundstück ein Wohnblock. Fast nichts mehr erinnert an das Gebäude, nur, wenn in der Uhlandstraße wenig Autos parken, kann man dort einige abgeschrägte Bordsteine sehen, sie markieren vor einer abweisenden Hauswand noch die damalige Einfahrt zur Falkenburg.

Das unvergleichliche Bild von August Sander begeistert schon durch den Schwung der parabelartig von der linken unteren Ecke ins Bild hineinzieht.


Zu recht gibt es ein Foto vom Meister in der Dunkelkammer, denn das Negativ sah ganz anders aus. Gezaubert hat er nicht nur bei der Aufnahme: In der Fotokiste der Familie befindet sich ein Kontaktabzug des Negativs, das eine ganz herkömmliche Sicht wiedergibt, die technische Virtuosität war – wie fast überall –  auch bei Sander eine der Vorrausetzungen für die Großartigkeit seiner Darstellungen.


Das wohl früheste Bild, das Dottore bekannt ist, zeigt noch die Fahnenstange auf dem Mittelturm, das Gebäude ist von der Krieler Straße aus aufgenommen. Die Anbauten zeigen, hier war ein Gewerbebetrieb ansässig.


Irgendjemand muss einmal dieses Bild aus einem Album mit wohl gedruckten Fotos abfotografiert haben, jedenfalls kann man auf dem überkommenen „Original“ noch den Bildrand und den Farbton des Druckes erkennen.


Das nächste ist gleichsam das offiziöse Bild der fünf Kinder des Großvaters von Dottore. Sofern die Gespräche auf die Kinder- und Jugendzeit kamen, wischte der Name Falkenburg immer ein seliges Lächeln auf ihre Gesichter. In den vier kleinen Ecktürmen hausten Käuzchen, deren nachgeahmter Pfiff der Verständigungslaut der Kinder war.


Die Brauerei hat nach der Zerstörung der Falkenburg im letzten Jahr des Krieges dann einen Bierdeckel nostalgisch gestalten lassen, das Bild orientiert sich am Foto von August Sander. Dass sich der Grafiker nicht entblödete, trotz des Schweinchenrosas seinen Namen anzuführen, zeugt von einem gerüttelten Maß an Unbesonnenheit.


Es wurde in der Falkenburg nicht nur Handel getrieben, sondern auch Likör, vielleicht sogar Schnaps hergestellt. Dottores Großvater kommt mit dem Vorarbeiter aus den Kellergewölben. Rohre und Fässer zeugen von ungeahnten biochemischen Vorgängen.


Zum Vertrieb waren Kutschen und Pferdewagen nötig, auf dem Pferd sitzen neben dem kleinen Sohn des Kutschers Heinrich die beiden ältesten Söhne.


Die eingangs erwähnte Fahnenstange wurde nicht entsorgt, sondern lag noch Jahrzehnte auf der Freifläche des Mittelturmes. Annemarie und Friedel posieren dort, auf der Fahnenstange sitzend. Links kann man die Spitzen der Domtürme erahnen, rechts hinter Friedel ragt die damalige Spitze des Turmes von St. Stephan auf.


Auf diesem Kommunionsbild von 1926 ist erkennbar, dass Annemarie es geschafft hat, sie hat ihre Zöpfe gegen einen begehrten Bubikopf tauschen dürfen, ein unerhörtes Ereignis. Et Friedel hätt noch sing Zöpp.


Als Dottore das letzte Bild im Netz entdeckte, nahm er Kontakt mit dem Websiteninhaber auf, der ihm versprach, ein Bild der Postkarte mit besserer Auflösung bei Gelegenheit zu scannen, aber augenblicklich sei sein Scanner außer Betrieb. Als Dottore nach zwei Jahren wieder vorsichtig nachfragte, meldete sich seine Tochter mit der traurigen Nachricht, ihr Vater sei verstorben. Alle seine Unterlagen wären nicht mehr da.


So widme ich denn diese Seite dem Menschen, der die Falkenburg noch von innen gesehen hat, es ist Friedel, die 98jährig in Düsseldorf lebt. Noch heute lässt die Erwähnung der Falkenburg ein erfreutes Lächeln über ihr Gesicht huschen.

Im übrigen, dies als Nachtrag vom 23.07.2013, et Friedel hätt et geschaff: Alle Mitglieder der Familie zeichnen sich nicht durch übergroße Schönheit aus, dies Manko müssen sie durch Geist und Liebenswürdigkeit ausgleichen. Nun aber hat es Friedel doch noch zum Model geschafft. Mit fast 99 Jahren prangte ihr Abbild für kurze Zeit an den Litfaßsäulen Düsseldorfs. Sie schaut aber auch zu herzerfrischend drein.


Der Begriff des Familienarchivs hört sich gediegen an, es handelt sich bei der weitverzweigten Familie allerdings um mehrere Blechkisten an den jeweiligen Wohnorten, in denen - weil Fotoalben aus der Mode gekommen sind -  haufenweise Bilder liegen, allerdings im abnehmenden Maße. Im Zeitalter der digitalen Fotografie wird mehr aufgenommen, aber ungleich weniger aufs Papier gebannt, allenfalls am PC sieht man noch die festgehaltenen Momente. Da jedoch von der Falkenburg so wenig  Bilder erhalten sind, hier noch eines, das Pantalone beim Wühlen in anderen Kisten entdeckte: Es zeigt das Gebäude von der Falkenburgstraße her. 



Sonntag, 29. April 2012

Sebah (13) und Ansichten von Athen bzw. Altmännernöckerei

„Also, was hast Du für Bilder von Athen?“

„Zwar drängst Du mich immer mit dem Fertigstellen, aber eigentlich brauchst Du mit Deinen Texten viel länger, als ich mit dem Reinigen der Bilder!“

„Das bisschen Himmelkehren ist doch nicht so viel Arbeit.“

„Also, Du würdest jetzt die Antwort mit „Sieh, mal,..“ beginnen, ich sage nur, es ist nicht einfach, den Himmel als doch gleichförmig erscheinende Fläche auch so (wieder) zu gestalten, denn dort sieht man das Altersschrumpeln ganz besonders leicht. Ich muss erst den Farbton erwischen, den mische ich mir aus den Farbfleckchen. Dann darf aber alles nicht einheitlich eingefärbt werden, das sieht scheußlich aus, sondern die Struktur muss noch ganz gedämpft durchschimmern. Dabei vernachlässige ich das Vignettieren, also das Dunklerwerden zum Rand hin, wie das jede Optik macht. Diesmal war aber alles einfacher, weil es in der Attika wenig Bäume gibt, die machen nämlich viel Arbeit mit letztlich unbefriedigendem Ergebnis, weil nicht jedes Blättchen herauspräpariert werden kann, ganz abgesehen davon, dass die Pixelstruktur dem auch Grenzen setzt.“

„Ich dachte, dass Du solch differenzierte Betrachtung gar nicht anstellst, sondern so lieber malst, wie eben Kinder ihre Malbücher ausmalen.“

„Das ist typisch für Dich, alles was Du nicht machst, erscheint Dir als Kinderkram.“

„Also erst einmal wäre das höchstens charakteristisch für mich, weil der allgemeine Sprachgebrauch nicht ungenau, sondern falsch ist. Nach einem Typ werden Gegenstände fabriziert, die sich dadurch auszeichnen, dass sie alle gleich sind. Daher kann nur in Ausnahmefällen ein Mensch ein „Typ“ sein. Handelt er, so ist sein Verhalten ggf. für ihn charakteristisch. Zweitens.. .“

„Was wäre ich bloß ohne den schlauen Dottore, der es immer wieder schafft, das Alltägliche kompliziert darzustellen.“


„Kein Mensch interessiert sich für unser Gezänk, sag´ lieber, was Du aus dem Sebahfundus für den Blog hast!“

„Der Blick vom Musenhügel gefällt mir hauptsächlich deswegen, weil das Bild eine gewundene Halbdiagonale hat, die am Olympieion endet.“

„Eine Stelle erinnert mich an die früheren Reisen durch Italien und Spanien in den 1950er Jahren. Da standen auf den Hügeln nahe den Fernverkehrsstraßen in Italien fünfbeinige Drachen und dreibeinige Katzen, in Spanien schwarze Stiere und so ein schwarzummantelter Weintrinker, so wie der hier auf dem Weg. Ich habe dazu ein Triptychon gemacht, wie Du siehst, ist Griechenland im europäischen Werbekonzert dabei.“


„Langsam verstehe ich Dich nicht mehr. In Bursa bist Du der Verteidiger der Religion, hier nun bist Du ein Gefangener der Werbung. Da spiele ich nun schon seit Jahrhunderten mit Dir in der Commedia dell´Arte, und nun kenne ich Dich immer noch nicht.“

„Selbstverständlich bin ich ein Feind der Werbung, zu der man übrigens immer richtigerweise Reklame oder Propaganda sagt. Über sie sagt Günther Anders „Jede Werbung ist ein Appell zur Zerstörung“.“

„Wer ist denn Günther Anders?“

„Ein Philosoph, der fast immer so recht hat wie Adorno, bloß schreibt er nicht so eingängig. Übrigens, es ehrt den C.H.Beck Verlag, dass er die beiden Bände von der Antiquiertheit des Menschen gedruckt hat, späte Wiedergutmachung für die Arisierung seinerzeit. Aber zu dem Triptychon will ich noch sagen, es dokumentiert, wie ungeheuer man von den Bildern der Verführung geprägt wird, selbst wenn man sich immer dagegen intellektuell wehrt. Ich sehe den Mann auf dem gewundenen Weg und denke Sandeman, dabei trinke ich überhaupt keinen Alkohol. Die Werbung füllt einem den Kopf mit ihren widerlichen Läppigkeiten.“


„Schon gut. Hier nun nicht der Blick auf das Schloss in Athen, sondern von ihm weg auf die Akropolis. Dies Bild ist am linken Rand etwas angefressen, die Bildschicht löst sich von dem Karton. Hier nun besonders klar erkennbar. Ansonsten gibt es immer wieder auf den Bildern unscharfe Bereiche. Die sind aber meist Fehler bei der Produktion der Abzüge, nicht beim Scannen heute, denn die Scanner haben genug Tiefenschärfe. Dafür ist das nächste Bild – ich glaube nun müsste ich sagen „charakteristisch“ – also typisch für die Aufnahmezeit, als man davon begeistert war, dass es die Eisenbahn gab.“


„Stimmt, mehr als die Hälfte des Bildes ist mit den Schienen und dem Schuppen am Rand bedeckt, wobei ich der Ansicht zuneige, der Schuppen steht noch heute, und zwar an der Metrostation Theseion auf der Seite zum Kerameikos hin. Die Griechen scheinen also doch bisweilen sparsam gewesen zu sein, haben nicht nur fremdes Geld ausgegeben. Das wird aber nicht der Grund dafür sein, dass seit nun mehreren Jahrzehnten der Tempel von Bassai verhängt ist, nur um einen Portalkran vor dem Verrosten zu schützen!“

„Sonst schimpfst Du über diese Anastylosis immer, wenn diese Art der Arbeit in Bassai nicht weitergeht, dann verhunzen sie auch nicht die Ruine.“

„Es heißt nach dem „Wiederaufrichten“ Anastilosis, eigentlich wäre es im Deutschen richtig von Anastelosis zu sprechen, da die unaufhaltsame Verwandlung sämtlicher Vokale in I eine Abartigkeit des Neugriechischen ist. Die Eta in dem altgriechischen Wort Stele werden im Deutschen auch nicht in ein I, sondern in ein E verwandelt, diesen Itazismus hasse ich.“

„Du mit Deinem altphilologischen Spleen, sieh lieber auf das Odeion des Herodes Attikus.“


„Also das Bild irritiert, der Weg zerschneidet die Aufnahme.“ 

 „Es ist mir geradezu unheimlich, aber genau das gleiche habe ich auch so empfunden, darum habe ich den Weg verlegt, der damals nur durch die Felder führte, nun ist das Bild besser, man sieht wie sich die Felder in das Tal schmiegen.“


„Das kannst du aber doch nicht machen, den Weg gab es doch, das geht zu weit.“

„Also machen kann ich es, das siehst du ja. Und außerdem kann ich mich daran erinnern, dass du selbst gesagt hast, du gibst nichts auf die „Richtigkeit“ der Bilddaten bei der digitalen Fotografie. Der Sebah hätte das sicherlich auch so geändert, wenn er denn dazu die Mittel gehabt hätte, und ich ändere ja nun nicht die überkommene Bildmaterial sondern nur die digitalen Daten. So gefällt mir die Aufnahme eben besser.“

„So ein Bild hat doch Authentizität, die zerstörst du damit. Denk an das Schiff des Theseus!“

„Ich habe ein Zwischennegativ einer Aufnahme von Sander, und zwar die Falkenburg in Köln Lindenthal. Wenn du das mit dem veröffentlichten Bild vergleichst, dann wirst du feststellen, der Sander hat einen breiten unteren Teil weggelassen, so haben wir das auch mit dem Bild des Felsendoms von Bonfils gemacht. Nur weil es von deinem Favoriten stammt, soll man das nicht machen dürfen. Außerdem bin ich kein Stalinanhänger, der Trotzki wegretuschiert. Ach, ja, heute steht dort eine Gaststätte, wie du sehen kannst.“


„Die nächsten beiden Bilder hat Sebah vom Illissos aus gemacht, an dem Flüsschen stand einst ein lieblicher Tempel, der dem Niketempel ähnelte. Er war in eine Kirche verwandelt worden, es war ein echter Amphiprostylos.“



„Warum willst Du denn das nächste Bild nochmal in den Post stellen, das haben wir doch schon gebracht?“

„Es gefällt mir so gut, der Mensch alleine vor der Burg, die so mächtig erscheint, aber in Wirklichkeit ein filigranes Gesamtkunstwerk ist! Außerdem habe ich den Himmel nochmal überarbeitet.“


„Solo variatio delectat, aber meinetwegen. Das nächste Bild von der Akropolis aus hast Du jedoch gut ausgewählt: Es zeigt nicht nur das Hadrianstor und das Olympieion, sondern auch am rechten Bildrand die Gärten am Illissos und die Hügel des alten Stadions, bevor es für die Olympischen Spiele 1896 protzig verwandelt wurde.“


„Immer wieder Dein Hass auf die „Anastelosis“! Aber was ist in Dich gefahren, dass Du mich lobst?“

„Wenn Du, was selten genug geschieht, etwas richtig machst, dann komme ich nicht umhin, dies objektiv festzustellen. Du bist es, der begierig ein Lob für sich daraus zieht. Aber, was ist das denn für ein Bild von Sebah, das kenne ich garnicht“


„Ich würde, setzte ich mich damit nicht Deiner Kritik aus, es als ein Bild von Pascal Pantalone Sebah benennen. Denn ich stelle es mir so vor: Sebah fuhr kurz vor dem Mittagessen von der Akropolis zum Hadrianstor, baute hungrig die Kamera auf und hat sich darum gedrückt, die stürzenden Linien zu korrigieren. Das habe ich nun nachgeholt, dabei habe ich dann noch etwas Vordergrund eliminiert.“


„Man darf Dich nicht mit Bildern und Photoshop allein lassen! Deine Veränderungssucht ist grenzenlos. Das geht nun wirklich zu weit. Da kannst Du mir nicht mit dem Bild von Sander kommen!“

„Ehe Du Dich wieder so aufregst, betrachte lieber die Details. Da ist zum einen das Bestreben von Sebah, seine Bilder baugeschichtlich verwertbar zu machen. Er hat auf dieser Reise ein Metermaß mit herumgeschleppt und es auf den Objekten mit aufgenommen, hier zu Füßen des Mannes auf der rechten Seite des Tores. Auch auf den anderen Aufnahmen von ihm von der Akropolis ist es abgebildet. Hier habe ich es farbig markiert.“


„Jetzt weiß ich auch, warum Du Sebah kurz vor dem Mittagessen wähnst, auch das Pferd seiner Kutsche ist hungrig, ihm ist der Futtersack umgebunden.“


„Eigentlich ist mir das nächste Bild peinlich, es besteht aus ungleichen Teilen. Es war damals üblich, Panoramen vorzulegen. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in den Metropolen Bauten errichtet, in denen gemalte Panoramen gezeigt wurden, Benjamin hat das in seinem Passagenwerk dargestellt.“

„Das hast Du gelesen?“

„Insoweit ja! Als dann die scheinbare Realität der Photographie um sich griff, mussten die Photographen aber auch die Realität der optischen Gesetze erkennen, eben die Verzerrung der Bilder zum Rand hin. Trotzdem wurden einige Panoramen von ihnen weltberühmt, das von Sebah von Konstantinopel gehört dazu. Aber von dem Rundblick über Athen sind nur wenige Bilder zu greifen. Bild 3 und 4 sind von vorzüglicher Qualität, hinten kann man klar die Salamis sehen. Bild 5 war als kleine Datenmenge greifbar, also habe ich es sepiatisiert, in den Dimensionen angepasst, aber auch die der Bilder 3 und 4 vergröbern müssen.“


„Ausnahmsweise muss ich anerkennen, dass ein anderer Photograph ein ungleich besseres Panorama von Athen gemacht hat, nämlich Paul Baron de Granges. Das haben wir doch auch!“

„Aber es wäre eine Schande, es so zu reduzieren, dass es in die Googlebloglimitierung reinpasst. Dir zum Trost aber habe ich ein Bild vom Illissostempelchen aufgetrieben, er hat den Beginn der Fotografie nicht mehr erlebt.“


„Ich weiß aber, woher Du ihn hast: Er stammt von Heidi, der Bibliothek der Uni Heidelberg, die viele alte Bücher digitalisiert ins Netz stellt und dies, ohne sie mit einem Wasserzeichen zu verunstalten. Das ist eine Ausnahme in Deutschland, wo sie alle anal fixiert sind!“

„Was meinst Du damit?“

„Die Freud´sche Schule meint, dass die erste mögliche Gabe des Menschen an die Welt seine festeren Fäkalien sind bzw. sein können. Das Wunder des austretenden Stuhlganges fasziniert das Kleinkind. Wird dies unterbunden, kann es also nicht sein Häufchen präsentieren oder gar schenken, dann bleibt so ein Mensch sein Leben lang anal fixiert, kann nichts abgeben, wird geizig. Dieser Geiz ist den deutschen Institutionen – eben aber nicht der Heidi – eigen. Wenn Du in Ariadne blätterst, der Bildwebsite des Deutschen Archäologischen Institutes, dann werden alle Bilder mit dessen Sphingen zerstört. Was geschähe denn, wenn irgendjemand die Bilder sich herunterladen würde und sie gewerblich nutzte? Nichts, aber auch garnichts, dem DAI bräche kein Stein aus der Krone, er ist von Anfang an sowieso von der Allgemeinheit finanziert worden. Diese krampfartige Regression auf das Urheberrecht, sofern es denn ihm überhaupt zusteht, legt mir eine andere Auflösung der Abkürzung nahe: Deutsches Anales Institut, man könnte noch e.e. ergänzen, elitär und elfenbeinturmsüchtig.“


„Wie war das mit dem Hass und der Niedertracht?“

Dienstag, 3. April 2012

Preußisches Pre- und Postpaid

1939: der Leiter des Postamtes Stettin will von dem Dienstapparat ein Privatgespräch führen, da er aber ausreichend alimentiert ist und es sich nicht gehört, das Diensttelefon unbezahlt privat zu nutzen, hat er vorgesorgt: Damals war die Post noch eins, also sowohl ein Post- wie Fernmelde -betrieb. Daher hatte er beizeiten einen Block mit 7-Pfennigmarken gekauft, von denen er nach dem Gespräch eine nahm und zerriss. Damit war zum einen die private Nutzung des Diensttelefonats abgegolten, zum anderen aber war dies ohne jeglichen Aufwand geschehen, keine Verbuchung in welchem Haushaltstitel war notwendig. Preußisch sein bedeutete nicht nur Korrektheit, sondern barg in sich auch das Ersparen bürokratischen Aufwandes.

1980: der Präsident des Landgerichtes erhält die Einladung zu einer abendlichen Veranstaltung der örtlichen Sparkasse, die an ihn in seiner Funktion als Leiter des Gerichtes gerichtet ist. Er nimmt teil, wobei er von zu Hause zur Sparkasse fährt, 4 Kilometer hin und 4 Kilometer zurück (nein, diese drei Pfennig durfte der Bub sich nicht behalten, Franz-Josef!). Die Fahrt war zweifellos dienstlich begründet, daher soll sie erstattet werden. Also füllt der Präsident handschriftlich eine Reisekosten-abrechnung aus, es errechnet sich ein Betrag von 2 Fahrten Mal 4 Kilometer Mal 0,36 DM, so schuldet die Staatskasse diesem Mitglied des Hessischen Verfassungsgerichtes 2,88 DM. Nun legt er die Reisekostenabrechnung der zuständigen Rechtspflegerin vor (die sie unter Verletzung des Dienstgeheimnisses Dottore zeigte). Diese genehmigt sie, woraufhin sich der Präsident – wiederum in seiner Dienstzeit – zur damals noch Barzahlung vornehmenden Gerichtskasse begibt, sich dort 2,88 DM auszahlen lässt, um sich anschließend dem zu widmen, was das Land Hessen wohl von ihm erwartet. Die Barauszahlung soll, so der Präsident wörtlich gegenüber der Rechtspflegerin, ihm ersparen, bei der örtlichen Sparkasse, wo er sein Konto unterhält, die Postengebühr in Höhe von 0,50 DM berappen zu müssen, die im Falle einer Überweisung anfiele.

O TEMPORA O MORES!