Mittwoch, 16. Februar 2011

Guttenbergs Ghostwriter oder Charly und Sebastian

Also der Guttenberg plante eine politische Karriere, oder seine Familie legte es ihm nahe. So windschlüpfrig, wie er sich meist gibt, so schlau wird er auch sein. Also muss er bei der Arbeit an seiner Dissertation doch daran gedacht haben, dass später, wenn seine Karriereplanung umgesetzt wird, alle seine Schritte kontrolliert würden, also auch die Promotionsschrift. Da hat ER schon aufgepasst.

Nach meiner Einschätzung seines Doktorvaters werden intensive Gespräche mit dem Promovenden auch stattgefunden haben; auch neige ich dazu anzunehmen, dass Karl-Theodor dabei vernünftig argumentierte und den Eindruck hinterließ, die Materie zu beherrschen. Dies trotz der stetigen Belastung durch die anschwellende politische Arbeit, schließlich öffnet zwar der Name die Türen, aber man muss auch mit der eigenen Person den Raum füllen. Die Struktur der Arbeit war festgelegt, nur die lästigen kleinen Einzelarbeiten, hie eine Einführung, dort die Durchformulierung, dann dieses blöde Zwischenstück, sie alle wollten sich nicht so rasch und leicht einstellen. Da bot sich Sebastian an, der Kumpel aus alter Studienzeit, der höchst intelligent war, aber auch gleichzeitig ein bisschen verkommen. Sebastian sollte nun die Bruchstücke einer großen Konfusion schön zusammennähen und zu einem einheitlichen (windschlüpfrigen) Werk kompilieren. Das tat er auch, wobei zu bedenken ist, dass er sich gerne in Kneipen rumdrückt und mit der Zeit wurde die Zeit knapp. Ach, was gibt es doch für schöne Einleitungen, dachte Sebastian sich immer wieder und übernahm sie, der Charly wird es schon nicht merken. Alle merkten es nicht, bis jetzt. Ich möchte auf keinen Fall Sebastian sein.

Dass es sowas gibt, weiß Dottore als "Hilfssebastian" aus eigener Erfahrung.

Na, klar, sagt Pantalone, die Wissenschaften sind so korrupt wie die Banken. Nur Deppen haben noch Achtung vor beiden. Aber das mit dem Hilfssebastian passt zu Dottore.

Zur Versachlichung der Diskussion trüge doch die Klärung des Begriffes Zitat bei. Die Schlussfolgerungen mag dann der Leser ziehen.

Unbestritten ist, dass wir alle mit all unseren Gedanken, und kommen sie uns noch so eigen vor, „auf den Schultern“ unserer Vorfahren stehen. Dottore erlebte dies schon vor fast 5 Jahrzehnten: Bei einer arbeitsrechtlichen Hausarbeit ging es letztlich um den Sachverhalt der „schadensgeneigten Arbeit“. Im „Seminar“ , also der Gemeinschaft der die Hausarbeit lösenden Studenten, hatte sich eine feste Meinung zum Lösungsschema gebildet, als Dottore plötzlich eine Idee kam, die so ernsthaft dieses Schema angriff, dass alle erneut darüber nachdachten. Als Dottore weiter nachlas, stieß er auf eine Entscheidung des Reichsarbeitsgerichtes von 1932, die diese Meinung hochkant verwarf. So ist das mit den „neuen“ Gedanken.

Die Sage von den 99 Büchern, die man für eine Dissertation gelesen haben soll, um aus dem Gelesenen dann das 100. Buch zu machen, ist so abwegig nicht. Wer jedoch 99 Bücher intensiv gelesen hat, die in ihnen erhaltenen Gedanken zu einem neuen Ganzen fügen kann, der soll sich doch schon berechtigt mit dem bürgerlichen Adel schmücken. Allerdings ist dabei die Anforderung an den Schreiber, die Gedanken selbständig im neuen Zusammenhang auszudrücken (gegen Wolfgang Neuss: „Es reicht nicht nur, keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken“.) Nun dient ein Zitat dazu, eine treffende Formulierung zu verwenden, wobei die Stelle der Entnahme des Wortlautes anzugeben ist. Ein solches Zitat kann im Extremfall sogar einen ganzen Satz umfassen, weil schon seine Umformulierung die Tiefe des Gedankens verflachte. Aber mehr als einen Satz? Das ist dann schon eine Übernahme, keine Zitierung rechtfertigte dies. Hochgerechnet könnte dann eine Arbeit, die nur aus Übernahmen mit Zitatangabe bestünde, als eigenständige Leistung gewertet werden. Denn Anleihen gibt es in dem Bereich nicht, da der Verwender nie beabsichtigt, die geliehenen Worte zurückzugeben, es ist und bleibt Diebstahl, "Anleihe" ist falsch und euphemistisch.

Zur Wissenschaft und zum Zitat sei zum Abschluss folgende Geschichte erzählt: Dottore lernte einen leider ganz früh verstorbenen Privatdozenten kennen, der zu der Festschrift eines berühmten Politikers und Richters einen Beitrag verfasst hatte. Auf der ersten Seite wurde der Jubilar gleich zwei Mal mit unterschiedlichen Aufsätzen zitiert. Dottore meinte, das sei doch in der Direktheit zu liebedienerisch und daher peinlich. „Nein, nein“, sagte da der Verfasser, „das ist eine Scherz, den nur drei Menschen verstehen, der Jubilar, ich und nun Sie. Die zitierten Arbeiten habe ich unter seinem Namen geschrieben. Ich zitiere mich also selbst.“

Nach wie vor ist Dottore der Ansicht, dass Charly aufgesessen ist, für so schlau und vorsichtig halte ich ihn schon, aber Sebastian war und ist eben das Problem. Er war es, weil er abgekupfert hat, er ist es, weil er nicht zur Verteidigung, auch nicht von einem diesbezüglichen Minister, angeführt werden kann, weil es dann noch schlimmer würde.

Wie sagte doch schon die alte Dame aus der Familie der Gontard: „Mer hat nix wie Unmuß mit dene Leut!“

Für Peter Wittig

Nachtrag 1:
Nach der Erschießung des Herzogs von Enghien wurde über das Verhalten Napoleons bemerkt: „Das war schlimmer als ein Verbrechen, das war ein Fehler!“ Wenn Charly Sebastian beauftragte, dann ist das ein Verstoß gegen die Promotionsordnung und sollte den Entzug des epitheton ornans zur Folge haben. Sollte aber Charly das alles selbst fabriziert haben, dann müsste er zurücktreten, solch einen blöden Minister brauchen wir nicht.

Nachtrag 2:
Carolo resignato, causa finita

Nachtrag 3:
Neun Monate (verfasst Anfang Dezember 2011) reichen zwar aus, um einen neuen Menschen entstehen zu lassen, die Zeit ist aber viel zu kurz, um einen Menschen zu erneuern, der sich nachhaltig selbst fast zerstört hat. Was hat er denn in der Zeit getrieben? Nichts ihn nachdenklich Stimmendes! Ein großer Politiker, Bismarck, war die Ausbildung zum Juristen zu langweilig, er hat sie abgebrochen; aber nicht jeder Abbrecher muss eine derartige Karriere machen, auch wenn unser Gottesgeschenk sich "per membrum virile" dem Altkanzler anzunähern pflegt.

Um die Welt einmal in einem Beruf richtig kennen zu lernen, eine Sozialisation einmal ganz und seiner angemessen zu durchlaufen, täte er gut daran, schlicht Referendar zu werden, um dann anschließend zu verstehen, dass Recht nicht ist, sondern jeweils mühsam wird. Ansonsten wird er immer unglaubwürdig wirken, weil er es bislang ist. Und, wenn es dann mit der Politik nichts werden sollte, dann kann er Rechtsanwalt werden, was zumindest mehr ist als Sohn.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen