Montag, 21. Dezember 2015

Die Konstanten der Dummheit

Der erste Text ist eine Pressemitteilung vom 21.12.2015, der zweite ein Auszug aus dem Stück "Die Letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus. 

Um es mit Wolfgang Deichsel zu sagen: Es hott sich nix verännert!

In Wiesbaden ist am Montag nach einer verdächtigen Beobachtung der Hauptbahnhof vorübergehend gesperrt worden. Eine Frau hatte in der S-Bahn-Linie 8 die Unterhaltung zweier Männer mitgehört und die Polizei alarmiert. Aufgrund des Gespräches, das auf arabisch geführt wurde, sei eine geplante Straftat nicht auszuschließen gewesen, teilt die Polizei mit.
„Der Hauptbahnhof wurde vorübergehend gesperrt“, sagte ein Sprecher der Polizei. Mittlerweile ist er wieder freigegeben. Die Fahndung nach den beiden Verdächtigen dauert jedoch an. „Wir nehmen die Gefahrenlage sehr ernst“, so der Sprecher.
Laut Polizei konnten aus der Unterhaltung keine konkreten Hinweise auf einen genauen Ort oder ein genaues Datum für eine Straftat entnommen werden.
Die Polizei teilt mit, dass sich die beiden Männer nahe Wiesbaden aufhalten könnten. „Wir hoffen nun auf Hinweise aus der Bevölkerung“, sagt der Polizei-Sprecher. Die Zeugin beschrieb den Ermittlern die beiden Männer wie folgt:
Einer der Männer ist 25 bis 35 Jahre alt, mit kurzen schwarzen Haaren und einem kurz rasierten Vollbart. Er war mit einer weißen, sportlichen Jacke, einer grauen Jogginghose und verdreckten Sportschuhen bekleidet. Der Mann trug eine blaue Armbanduhr und hatte einen weißen Rucksack mit schwarzer Aufschrift dabei.
Sein Begleiter ist der Zeugin zufolge ebenfalls 25 bis 35 Jahre alt und war mit einem dunkelblauen Mantel, braunen, spitzen Herrenschuhen und einer braunen Kappe bekleidet. Dieser Mann hatte eine schwarze Umhängetasche mit blauen Rändern dabei.
Der Weihnachtsmarkt in Wiesbaden und der Bahnhof werden derzeit von der Polizei besonders genau unter die Lupe genommen. Medienberichten zufolge nach denen der Weihnachtsmarkt aufgrund einer verdächtigen Tasche vorübergehend gesperrt war, bestätigte die Polizei nicht.

Der Fahrgast: Was bekommen Sie?
Der Fiaker: Euer Gnaden wissen eh.
Der Fahrgast: Ich weiß es nicht. Was bekommen Sie?
Der Fiaker: No was halt die Tax is.
Der Fahrgast – Was ist die Tax?
Der Fiaker: No was S' halt den andern gebn.
Der Fahrgast: Können Sie wechseln? (Reicht ihm ein Zehnkronenstück in Gold.)
Der Fiaker: Wechseln, wos? Dös nimm i net als a ganzer, dös könnt franzeisches Göld sein!
Ein Hausmeister (nähert sich): Wos? A Franzos? Ahdaschaurija. Am End gar ein Spion, dem wer mrs zagn! Von woher kummt er denn?
Der Fiaker: Von der Ostbahn!
Der Hausmeister: Aha, aus Petersburg!
Die Menge (die sich um den Wagen gesammelt bat): A Spion! A Spion! (Der Fahrgast ist im Durchhaus verschwunden.)
Der Fiaker (nachrufend): A so a notiger Beitel vardächtiga!
Die Menge: Loßts'n gehn! Mochts kane Reprassalien, dös ghört si nett! Mir san net aso!
Ein Amerikaner vom Roten Kreuz (zu einem andern): Look at the people how enthusiastic they are!
Die Menge: zwa Engländer! Reden S' deutsch! Gott strafe England! Hauts es! Mir san in Wean! (Die Amerikaner flüchten in ein Durchhaus.) Loßts es gehn! Mir san net aso!
Ein Türke (zu einem andern): Regardez l'enthousiasme de tout le monde!
Die Menge: Zwa Franzosen! Reden S' deutsch! Hauts es! Mir san in Wean! (Die Türken flüchten in   das Durchhaus.) Loßts es gehn! Mir san net aso! Dös war ja türkisch! Sechts denn net, die ham ja an Fez! Dös san Bundesgenossen! Holts es ein und singts den Prinz Eugen!

Freitag, 18. Dezember 2015

Metamorphosen vor 1945

Die Entchristlichung des Lebens verbunden mit der Kommerzialisierung des Daseins bedingen Veränderungen im Ablauf des Jahres, die zu immer stärkerer Leere führen. Zwischen Advent und Vorweihnachtszeit besteht ein riesiger Unterschied, selbst Katholiken wissen kaum noch, dass der Advent liturgisch gesehen eine Fastenzeit ist. Dicke Weihnachtsmänner belästigen seit Anfang November das Stadtbild, unselige Gesöffe werden auf rezent installierten Handelsplätzen vertrieben, wo es nur Überflüssigkeiten zu erstehen gilt. Eine Besinnung auf nicht wohlfeil vertreibbare Haltungen darf nicht stattfinden. Als Agnostiker ist man angeekelt von den Tänzen um immer neue, immer andere „Goldene Kälber“, aber selbst dieses Bild wird langsam unverständlich. Also erzählt Dottore zu Erbauung und zum Nachdenken im Advent 2015 etwas aus seinem Leben:
  
Dottore wuchs auf, als die zweite Hälfte des auf 1000 Jahre projektierten Reiches ablief. Nördlich von Stettin lag Pölitz, ein Hydrierwerk, dort wurde Kohle in Benzin verwandelt. Benzin wurde gebraucht, um Panzer zu fahren, Panzer waren für Dottore der Inbegriff von toll. Die Wohnung wurde mit einer Zentralheizung aus dem Keller beheizt, der dazu benutzte Brennstoff war Koks. Wie man aus dieser harten, brökeligen Materie das flüssige, eigenartig riechende Benzin herstellen konnte, war nur rätselhaft, musste aber tatsächlich funktionieren, ab und zu sah man doch Panzer.

Auf Häuserwänden stand: Kanonen statt Butter, auch wieder solch eine seltsame Umwandlung. Butter gab es auf Marken, war rationiert, Dottore durfte nach dem Befüllen der Butterdose das Papier ablecken. Daher wusste er, warme Butter ist ganz weich, wie man stattdessen Kanonen machen konnte, die doch hart und groß waren, ein weiteres Rätsel.

Irgendwann fand eine Straßenaufklärung statt, nicht in sexualibus, sondern über den Sachverhalt, dass man aus Juden Seife machte. Juden sah man nicht mehr, früher waren das solch traurig blickende Menschen gewesen. Möglich hielt das Dottore schon, aber er mochte nunmehr keine Seife. Also benutzte er beim Händewaschen vor dem Essen keine. Die Hände waren nicht sauber, die Seife nicht nass, also wurde das Händewaschen wiederholt, aber nicht mehr „leine, leine!“. Fortan schlich sich Dottore in die Küche und schüttete in einem unbemerkten Augenblick etwas ATA in die linke Hand, ging dann ins Bad, wusch sich damit die Hände, träufelte die auf einem widerlichen Gegenstand mit Gumminoppen nach oben und unten liegende Seife nass, und hatte nun schön gewaschene Hände. Nur Baden war ein Problem, es fand einmal pro Woche statt und war eigentlich herrlich. Die Schwierigkeiten wurden dadurch behoben, dass es plötzlich Schwimmseife gab, also eine Seife, die im Wasser nicht unterging, die konnte nicht so unangenehm hergestellt worden sein. Mit Badetablette und Schwimmseife war wieder unbeschwertes Baden möglich.

Nun wuchs Dottore nicht in einem antifaschistischen Haushalt auf, der Vater war in der Partei, zudem in der HJ Bannführer (Rechtswart für den Gau Pommern), jedoch hatte die Mutter ein rheinisch-folkloristisches Verhältnis zur Religion und mochte Kollwitz und Barlach, also entartete Kunst, was wohl bewirkte, dass es ein Korrektiv zur außen herrschenden Ideologie gab. Sie weigerte sich strikt, ein vermeintliches „Führerbild“ aufzuhängen, das dem Parteigenossen zur Geburt des „Stammhalters“ geschenkt worden war; später stellte sich heraus, es war ein Ölgemälde des Stettiner Hafens, das nun im dortigen Museum hängt, aber das ist eine andere Geschichte.


Die Konfrontation mit der Wirklichkeit dieser Erinnerungen fand stets statt: Der Bombenangriff auf Pölitz führte dazu, dass eines der Flugzeuge überflüssige Bomben beim Wegflug abwarf, das Nachbarhaus brannte aus. Dottore kann sich noch heute an seine widersprüchlichen Emotionen erinnern, zwischen Neugier und Schaudern schwankend musste er wieder hinsehen und weggucken. Der Drang nach Butter ist allem Altersgenossen eigen, als Dottore abnehmen wollte, da wurde er auf Margarine verwiesen, deren Scheußlichkeit es ihm ermöglicht, sie nur ganz dünn aufzustreichen. Als Degenhardt davon sang, man habe sich die Hände gewaschen „mit Sand, jawohl mit Sand“, da war Dottore klar, auch der kleine Franz-Josef hatte ATA benutzt. Wer den Holocaust leugnet, ist nicht in Deutschland aufgewachsen, gewusst haben das sogar wir Kinder. 

Mittwoch, 2. Dezember 2015

Das Land der Griechen mit den Sinnen suchend

Eine heiter-sinnliche Erinnerung:



Hera 1966 am Strand nahe Portocheli; wer möchte da nicht Zeus

gewesen sein!