Sonntag, 12. Mai 2013

Panoramen - einst aufgenommen, jetzt zusammengefügt




Pantalone ist sicherlich ein Ikonodoule, wobei dies nur eine akustische Annäherung an die eine Partei der endlosen Auseinandersetzung in Byzanz ist. Deren Gegner, die Ikonoklasten, hatten im Prinzip recht, denn zu groß ist die Gefahr, aus Abbildungen von heilig erklärten Menschen neue Idole zu machen, das „Goldene Kalb“ lässt grüßen. Die an griechischer Philosophie geschärften Geister verbissen sich wie Straßenköter in diesen theologischen Diskursen, unendlich langweilig. Die Annäherung ist denn auch historisch und verbal unkorrekt, Pantalone ist den Bildern hörig, so schwingt das altgriechische Wort „Sklave“ betont mit. Die lange Vorrede dient dazu, die Genese der folgenden Bilder  zu erläutern. 

Der Hofphotograpf Wilhelm Burger begleitete 1881 den Archäologen Benndorf und den Bauforscher Niemann auf ihrer schon legendären Reise (1. Teil) durch Lykien und Karien. Die (größeren) Aufnahmen sind auf Tafeln hinten abgedruckt, die französische Bibliothek benutzte das Exemplar des Archäologen Salomon Reinach zum Scannen, so gelangte Pantalone u.a. an die Tafeln XXIII und XXIV. Dem Bilderknecht fiel nun auf, dass beide Aufnahmen vom identischen Punkt gemacht worden waren, Herr Burger beließ den Aufnahmekasten offenbar auf dem fest installierten Stativ, kippte ihn lediglich nur um 90°. Der Hofphotograph stand dabei auf dem Hügel, in den sich das mittlerweile vom Sand befreite große Theater in Patara schmiegt. Da Pantalone nun viele alte Photographien rsp. ihre virtuellen Daten sammelt, daraus schon mehrmals Panoramen herstellen konnte, so wuchsen also nach 132 Jahren die Bilder des Herrn Burger zu einem Panorama zusammen. Die Bilder waren leicht verschoben, bei ungefähr 3/7 vom rechten Rand aus sieht man den Übergang.



Ähnlich war es bei zwei Aufnahmen des russisch/türkisch/amerikanischen Fotoamateurs Nicolas V. Artamonoff, dessen Bilder fachlich und technisch so brillant sind, dass man auch secunda vista annehmen muss, sie stammten von einem gut fotografierenden Bauforscher oder einem baugeschichtlich ausgebildeten Fotografen. Wer sich für den Zustand der byzantinischen Überreste in Istanbul in den 30er Jahren interessiert, kommt nicht umhin, sich mit ihnen zu beschäftigen. Hier nun reizte ihn offenbar der Blick von den Sitzen des römischen Theaters in Hierapolis über die Skene hinweg, etwas, was der antike Mensch überhaupt nicht wahrnehmen konnte. Auch hier fügte Pantalone zusammen, was von identischen Punkt aus abgebildet wurde.


Seit geraumer Zeit stellt eine Bibliothek aus Südamerika herrliche Bilder von Sebah über Ägypten ins Netz. Dabei sind auch Aufnahmen von der Citadelle in Cairo aus, die dem Betrachter erlauben, über die Stadt hin bis zu den Pyramiden (links) und den Gräbern der Mameluken (rechts) den Blick schweifen zu lassen. Diese Bilder aber hatte schon der Photograph als Teile eines Panoramas erstellt, dem Wunsch des Autors hat Pantalone stattgegeben. (Nur oberhalb des Pferdes sind einige Menschen zu sehen!)


Wenn Sebah da ist, dann ist auch immer Bonfils in der Nähe. Seine drei Bilder, etwas später auch von der Citadelle aus aufgenommen, können auch mit neuzeitlichen Algorithmen nicht zusammengefügt werden. Aber seine Bilder aus Beyrouth sind da besser geeignet, der Aufnahmestandpunkt war dabei offenbar die Dachterrasse, auf der er seine Abzüge trocknen ließ.


Dritter im Bunde soll diesmal Guillaume Berggren werden, der in Konstantinopel und im Osmanischen Reich photographierte. Sein Panorama ist nicht vom Galataturm aus gemacht, sondern gegenüber auf dem Turm der Universität.


Von den berühmten und bekannten Panoramen stehen das von des Granges von Athen und das von Sebah von Konstantinopel aus. Beide sind noch in der Arbeit des Restaurierens. Díe drei großen, hier nun präsentierten Panoramen sind zum Zwecke des einfacheren Ladens in der Bildgröße geschrumpft worden, wer unbedingt die Originalgröße braucht, der soll sich melden.

Dottore werden von seinem "Administrator" immer wieder Vorhaltungen gemacht, er gäbe bei seinen Texten keine „Links“ an. Das ist richtig. Erstens gibt es da solch eine eigenartige Gerichtsentscheidung eines LG, die alle rechtsgläubigen Nutzer zu zwingen scheint, Linksdistanz aufzuzeigen, dazu haben Pantalone und Dottore keine Lust. Zum zweiten wird hier nichts häppchenweise, bzw. mausklickweise serviert, derjenige, der wirklich interessiert ist, kann und muss eben selbst nachsuchen. 

Donnerstag, 9. Mai 2013

Entmündigungsgegner Kohler


Der Mitherausgeber der FAZ,  Berthold Kohler, ist immer zur Stelle, wenn er das zu vernehmen meint, was er unter Entmündigung versteht. Grundsätzlich gibt es nach seiner Ansicht den eo ipso „Mündigen Bürger“, der durch böswillige, meist von ihm als links verschriene Überregulation daran gehindert werden soll, den Weg der Freiheit zu beschreiten. Wie eröffnete vor 51 Jahren, also knapp ein halbes Jahr nach der Geburt dieses Journalisten, H. M. Enzensberger den Essay über die Bewußtseins-Industrie: „In seinem eignen Bewußtsein dünkt ein jeder, und noch der unselbständigste Kopf, sich souverän.“ (Das postponierte „sich“ verweist auf die Quelle seines Denkens.) Kohler hat diese Einsicht nicht mit der Muttermilch zu sich genommen.

Später hat Kohler das auch nicht verstanden, sein Studium war zu wirtschaftspolitisch ausgerichtet. Hat Herr Blomberg in New York eine erwägenswerte Idee gegen Falschernährung, nämlich die Riesenbecher, gefüllt mit Zuckerwasser, abzuschaffen, sogleich wird der mündige Bürger als bevormundet angesehen. Dass auf die Allgemeinheit enorme Kosten für die Folgendämpfung solcher Fehlernährung zukommen, negiert er ebenso, wie auch sein Blick über die Fettleibigkeit des Prekariats hinweg gleitet, gehört er doch diesen Kreisen nicht an (und lesen diese auch nicht die mit heraus gegebene Journaille) .

Der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit ist heute extrem schwieriger zu bewältigen, als es ein Königsberger vor 230 Jahren beschrieb. Auch die Kritik Enzensbergers ist mittlerweile längst überholt. Es herrscht nämlich keine Bewußtseins-Industrie, sondern eine Verhaltensteuerungs-Industrie. Kohler täte gut daran, einmal einen Blick in die Laboratorien der Lebensmittelindustrie zu werfen, um endlich zu begreifen, dass beispielsweise eine unendliche Mühe darauf verwendet wird, ein solch überflüssiges Nahrungsmittel wie die Chips mundgeil zu produzieren. Alle Kontrollen über deren Verzehr werden sukzessive überwunden, es geht dem Verbraucher so, wie der Dronte. Dies war ein Vogel, der keine Flucht- und Verteidigungsverhalten zeigte, weil er zuvor keine Feinde hatte. 100 Jahre nach seiner Entdeckung durch den Menschen war er ausgerottet.

Der Wechsel von der Bewußtseins- zur  Verhaltenssteuerungsindustrie bewirkte, dass die verbleibende Unsicherheit über nahegebrachte Gedankensteuerung dadurch überwunden wurde, dass ein Frontalangriff auf die weitgehend unbewussten Sinne gestartet wurde. Welchen Gerüchen, welchen Tönen, welchen Bildern wir unterschwellig ausgesetzt sind, ahnt Kohler nicht einmal, alle diese Eingriffe in unser Dasein zielen auf eines, wir sollen nicht erkennen, überlegen, abwägen, begreifen, entscheiden; also das Gegenteil dessen sein, was einen mündigen Menschen ausmacht.  Letztens machte er die Anschläge auf die Mündigkeit des gasgebenden Bürgers an dem Votum des dicken Gabriel fest; das Fetischobjekt deutschen Autobaus muss gegen diese Gängelung verteidigt werden, für Kohler ist Freiheit nicht mit Einsicht verknüpft. Er bewahrt die Asche auf, hält nicht die Glut am Glimmen.

"Ich sage bloß, wieder kein Bild!"