Samstag, 28. Oktober 2017

Hitlers Wunderwaffen

Hans gehörte nach 1945 zu den angenehmen Zeitgenossen, die trotz der sich zwangsläufig ergebenen Identifikation mit der Vergangenheit die Zeit vor dem 8. Mai 1945 nicht verherrlichten oder gar beschönigten. Unsere Lehrer waren nicht imstande, Zorn über die ihnen gestohlenen Jahre zu entwickeln, geschweige denn weiterzugeben, nein, sie verharrten in der antrainierten HAB-ACHT!-Stellung, in unreflektierter Weise schwärmten sie vom Kriegserlebnis. Hans erzählte dagegen das: Er hatte als Leistungssportler natürlich zu den Kampfschwimmern gewollt, endete aber 1944 auf einer Flottille aufgemotzter Heringsfischer, die im Ärmelkanal stationiert war. Diese waren mit allerlei Geschützen, unter ihnen die berühmte 88, bestückt, die alle hoch oben an Deck montiert waren. Die Boote, ursprünglich dazu vorgesehen, tief in ihrem Bauch gefangene Heringe heimzubringen, waren nun nicht mehr sehr seetüchtig, schon bei normaler Fahrt in ruhigem Wasser rollten, gierten und stampften sie. Eines Tages nun zeigte sich in weitem Küstenabstand eine alliierte Zerstörerflotte, offenbar wollte man die Wachsam- und Wehrhaftigkeit der Deutschen prüfen. Die sechs Heringslogger dümpelten ufernah vor sich hin, als befohlen wurde, einen Angriff auf die Zerstörer zu fahren. Befehl ist Befehl, also drehten die Logger in Richtung der feindlichen Schiffe und machten nun in Linie eine schneidige Angriffsfahrt. Alle auf den deutschen Schiffen dachten an das Kommando, das mit Christus (so glauben alle Christen), ggf. mit Maria (so glauben alle Katholiken) oder gar mit Mohammed (so glauben es die Muslime) schon von statten ging, viele machten sich nicht nur im sprichwörtlichen Sinne in die Hose. Die kleine Armada schaukelte sich seewärts, die alliierten Zerstörer drehten ab und suchten das Weite. Dort wird man bei genauerer Analyse der Boote gedacht haben, entweder ist es eine der ominösen Wunderwaffen oder aber „sie spinnen, die Deutschen!“, wahrscheinlich hatten sie die Order, nur auszukundschaften, Auseinandersetzungen aber zu vermeiden. Alles das war fast vergessen, bis Pantalone dieses Bild aus dem Netz fischte, so wird wohl das Schiff von Hans ausgesehen haben.     

Eberhard war von seiner Mutter, die den vermeintlichen Errungenschaften des Dritten Reiches nicht ablehnend gegenüberstand, auf eine Schule geschickt worden, auf der die zukünftige Elite erzogen werden sollte. Sein Vater dagegen sorgte mit gelegentlichen Sottisen für einen Rahmen des Verstehens von Welt, die anders geprägt zu sein schien. Dem mütterlichen Impuls folgend und angesichts der aktuellen Lage nächstliegend sah sich Eberhard in HJ-Uniform – 15 Jahre alt – in einem Schützenloch an den Seelower Höhen wieder, seine Aufgabe schien es zu sein, das Leben des Wiener Gelegenheitsmalers zu verlängern. Hätte sich seiner nicht ein älterer und erfahrener Landser erbarmt, der ihn anwies, unten im Schützenloch die beiden Karabiner abwechselnd zu laden, er hätte Dottore sicherlich nie erzählen können, wie er sich rasch von der mütterlichen Seite auf die väterliche wandte, denn Not lehrt denken. Wer Jugendliche verheizt, verliert den Führungsanspruch. Seit den Seelower Höhen ist Eberhard Antifaschist. Wie sehr das Denken und die Realitätseinschätzung damals verschoben waren, lässt sich an dem Bild erkennen. Für uns heutige Menschen ist es unvorstellbar, dass man mit Rentnern und Schulbuben für den Krieg werben könnte, damals aber schien dies dem Propagandaminister tunlich, solch ein Bild zu veröffentlichen, das nur abschreckend wirkt. Auch die Mümmelgreise und Pennäler vermochten das notwendige Ende nicht nennenswert hinauszuschieben.



Gewidmet Hans U. und Eberhard F. 

Dienstag, 25. Juli 2017

Unfähige Situngsvertreter der Bundesanwaltschaft in München

Treffen sich zwei befreundete Rechtsanwälte, die in einem Zivilrechtstreit gegnerische Parteien vertreten. Sagt der eine: „Bitte entschuldige den letzten langen Schriftsatz, ich hatte leider keine Zeit!“

Diese uralte Geschichte gibt eine Grunderfordernis juristischer Arbeit wieder, nämlich sich präzise und prägnant auszudrücken. Dies ist wiederum nur möglich, wenn man die Fülle der Tatsachen genau strukturiert hat, also sich nicht im Dschungel der Einzelheiten suhlt bzw. auf diese nur dann eingeht, wenn es entscheidend ist. Anwaltliche Arbeit ist in der Hauptsache die Aufarbeitung einer Faktenfülle unter Berücksichtigung rechtlicher Gesichtspunkte, damit dem Beurteilenden die Tatsachen so vorgeführt werden, dass er diese in gewünschter Hinsicht rechtlich würdigt – subsumiert. Insoweit besteht kaum ein Unterschied zwischen rechts- und staats- anwaltlicher Arbeit. 

Die Vertreter der Bundesanwaltschaft wollen im Prozess in München 22 Stunden plädieren. Wenn man voraussetzt, das man zum Verlesen einer mit 56 Zeilen beschriebener Seite zwischen 3 und 5 Minuten braucht, so sind die Sitzungsvertreter bislang nicht in der Lage gewesen, die entscheidenden Tatsachen nebst der notwendigen Beweiswürdigung des 4-jährigen Prozesses zu erkennen und aufzubereiten. Der Jurist Goethe sagt im West-Östlichen Diwan: „Getretener Quark wird breit, nicht stark!“ Ungefähr 300 Seiten Plädoyer sind Zeugnis der Unfähigkeit, nicht des Scharfsinns der Vertreter der Anklagebehörde.

Darüber hinaus überschätzen die Agierenden die Wirkung des Plädoyers im Allgemeinen im deutschen Strafprozess und übersehen die einschläfernde Wirkung einer solchen Suada im Besonderen.

So scheint das Vorhaben der Sitzungsvertreter das Ergebnis einer beamtenmäßigen Sicht der Angelegenheit zu sein, ängstlich darauf bedacht, auch „ja alles gesagt und betont zu haben“. Dottore hatte sich die Institution der Bundesanwaltschaft souveräner vorgestellt., wieder eine Illusion weniger. 

Dienstag, 6. Juni 2017

Padova Freres 7 (Vollversion)

Der Sammelwut des Alter Ego von Dottore sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt, ununterbrochen wühlt er sich durch das Internet und hat nun –  dies ist ihm zuzugestehen – eine neue Ernte eingefahren, wenigstens soweit dies die fotografierenden Brüder aus Smyrna betrifft.


An der Geschäftsanzeige ist bemerkenswert, dass die oberste Zeile die türkischen Bewohner anspricht trotz der offenkundigen Nähe der Brüder zum griechischsprachigen Bevölkerungsteil, denn damals wurde die türkische Sprache noch in arabische Schriftzeichen hineingequält. Aber auf den Bildern ist keine wie auch immer geartete Sympathie für den überwiegenden Teil der Bevölkerung Kleinasiens zu erkennen.


Das erste Bildleiste zeigt den dicken griechischen General inmitten der mit ihm sympathisierenden Bevölkerung, nämlich den griechischen Untertanen des Sultans, wie er Fahnen weiht, ein für Militärs ungeheuer wichtiger Vorgang, normale Menschen sehen das weniger ergriffen. Die in Griechenland übliche Nähe der Kirche zum Staat und zum Militär ist auch hier übenommen worden, auf dem linken Bild sind zwei Priester erkennbar. Dass die nicht uniformierten Menschen als Muttersprache griechisch verwenden, ist an ihren Hüten ersichtlich, die Standardkopfbedeckung war der Strohhut, sprich: Kreissäge, während sich die Türken unter dem Fez sicher fühlten. Der dicke Paraskevopoulos galt als Anhänger von Venizelos; das hatte zur Folge, dass er später abgelöst wurde –  ein Vorteil für ihn, so richtete sich später der Zorn der Heimat nicht gegen ihn.


Wenn man jemand als eigenartig, vielleicht sogar als geisteskrank bezeichnen will, dann gebraucht man in der Umgangssprache den Ausdruck „du bist wohl vom Affen gebissen worden“. Genau das geschah aber mit dem König der Griechen mit letaler Folge. Als mit dem Griechentum innig verbundener Fotograf mussten die Padovabrüder natürlich an dem Begräbnis in Athen teilnehmen und darüber berichten.


Die jeweils linken Bilder sind „grottenschlecht“. Pantalone hätte sie normalerweise nie aufgearbeitet, wenn Dottore ihn nicht wegen der Geschichtsträchtigkeit dazu angehalten hätte. Nun ist ein Ersatz für eines gefunden.


Der alte und neue König sah sich also genötigt, das zu tun was er nicht wollte: im preußischen Generalstab ausgebildet hatte eine klare Sicht der Dinge und daher schon lange Zeit den Eintritt Griechenlands in den Ersten Weltkrieg verhindert. So erbte er nun durch den Tod seines Sohnes einen Krieg, den er nie hatte führen wollen. War er während des letzten Balkankrieges noch erfolgreich gewesen, so war jetzt die objektive Situation doch prekär. Die Griechen empfingen ihn fahnenschwenkend mit ihren Ehrenjungfrauen, wobei festzuhalten bleibt, dass das rechte, nicht autorisierte Bild mit Sicherheit von demselben Fotografen gemacht wurde, wie sein Pendant links.


Auch in dieser Reihe ist das linke Bild nicht autorisiert, neben dem Gesamtarrangement stellt die leicht dämlich dreinblickende Ehrenjungfrau auf der linken Seite die Verbindung zu den vorhergehenden beiden Bildern her. Auf dem rechten Bild sieht man ernüchtert den griechischen König, hinter ihm den Kronprinzen.


Von ähnlich miserabler Qualität wie die Trauerbilder ist auch hier wieder das linke, das wohl aus einer sehr frühen Zeit, wahrscheinlich noch vor der Besetzung Smyrnas gemacht wurde. Es ist bemerkenswert deswegen, weil ausländische Offiziere mit Türken zusammen abgebildet sind, damals sprach man noch miteinander und verfügte nicht nur über sie wie über Eingeborene.


Die folgenden drei Bilder sind schon vorab veröffentlicht worden, die Bilder wurden ein wenig gepflegt und aufgehellt, aber inhaltlich ist in der Zwischenzeit nichts Neues hinzugekommen.


Das Geschäft mit den Pressebildern war nur eines, für die alltäglichen Einnahmen sorgten Postkarten, hier sind wiederum zwei abgebildet, nämlich zum einen das liebliche Park der Artemis im kalten Winter und zum anderen die Aquädukte im Annental. Das linke Postkarte ist auch ein Beispiel für die Mischung von Geiz und Nationalbewusstsein. Das Brüderpaar Padova schwamm in der Hochzeit der griechischen Besetzung Smyrnas in dem Strom mit, der schon Stadt und Umkreis als zu Griechenland gehörig zu bezeichnete und so druckten sie dies auch auf ihrer Postkarte ab. Der entsprechende Zusatz “Grece“ wurde allerdings von einem amerikanischen Postkartenverwender schon ironisch angekreuzt, hier aber ist es wohl ein Türke, der die Postkarte benutzte. Dies ergibt sich aus der Datumsanzeige, mit der zugleich die peinliche Zuordnung von Izmir an Griechenland gestrichen wurde, denn gestempelt und mit türkischen Briefmarken versehen wurden diese Postkarten nach der Eroberung von Smyrna durch die Türken.


Hier sind wiederum zwei Sehenswürdigkeiten abgebildet: zum einen der Turm der griechischen Kirche des Hagios Photini, der von allen sehr bewundert wurde, weil es selten solch hohe Kirchtürme in der orthodoxen Kirchenbaukunst gab. Offenkundig ist dabei der Versuch, die himmelstrebenden Minarette mit einem christlichen Gegenstück zu relativieren. Das große Hotel Huck ist schon gezeigt worden, hier nur eine Aufnahme in etwas besserer Auflösung.


Ob die Gebrüder Padova es überhaupt für möglich erachteten, nach eine Änderung der politischen Landschaft in Smyrna geschäftlich weiter tätig zu sein, erscheint Dottore fraglich. Gleichwohl gibt es außer den Pressebildern, den mit „Smyrna Grece“ und PV nebst Nummer kennzeichneten allgemein Postkarten noch diese Art von Bildkarten, die sich durch eine sorgfältige Bildkomposition auszeichnen. Die abgebildeten Gebäude links könnten in Ephesus stehen, was das rechte Bild wiedergibt, entzieht sich der Kenntnis von Dottore.

Wenn jemand glaubt, dass damit Pantalones Sucht, neue Bilder zu suchen, abgeflaut sei, so täuscht er sich. Dottore wird sich in vielleicht zwei Jahren veranlasst sehen, Padova Freres 8 folgen zu lassen, mal sehen, was er bis dahin zusammengekratzt hat.

Sonntag, 16. April 2017

Padova Freres 7 Version 0.1

Bedeutsame Angelegenheiten kündigen sich an, so werden die Vorversionen von Windows in Zirkeln zuerst, dann semioffiziell der fachspezifischen Öffentlichkeit wie früher die Thronfolger präsentiert, etwas noch mit Macken versehen wie heute Prinz Charles, aber schon das angeblich so tolle Neue kündend. Für die, die wie Dottore, noch mit Word für DOS gearbeitet haben, meist wenig aufregend, aber bisweilen erfreulich. Nun gibt es zu Hause auf dem heimatlichen Server schon eine andere Version Padova Freres 7, die aber die Reise der beiden Protagonisten nicht mitangetreten hat. Cloud wird verachtet, wer auch immer für das jeweilige Gewölk verantwortlich zeichnet, mitlesen gilt erst ab dem Zeitpunkt, zudem wir es wollen. Pantalone fing wieder Bilder ein und besteht auf umgehender Veröffentlichung derselben, sei´s drum.

So geben die Bilder der Gebrüder zwar Geschichte wieder,  neue, tiefe historische Erkenntnisse sind aus ihnen nicht zu gewinnen, wie denn fast immer Bilder seit Roger Fenton und dem Krimkrieg nur der Illustration dienen, wenngleich es für viele Menschen zum Verständnis notwendig ist, dass sie sich „ein Bild machen“ konnten. 


Der geschichtliche Zusammenhang zu den hier neu gezeigten Photographien ist in dem von Großbritannien und Frankreich gepflegten Mißbehagen über das Verhalten ihres früheren Partners Italien zu sehen, der sich die Unverschämtheit herausnahm, genau so eroberungslustig zu sein wie sie selber. Die Italiener waren also vom Dodekanes über Antalya nach Norden vorgerückt. Grund genug, den von der Megali Idea besessenen Namensgeber des Athener Flughafens (warum eigentlich ist jedem historisch versierten Menschen ein Rätsel) zu ermöglichen, in Smyrna zu landen. 


Die Zerstörung der Kosmopolitie dieser Region hat also viele Urheber, das traumtänzerische Griechenland, Großbritannien unter Lloyd George, das sich bedeckt haltende, aber mitmachende Frankreich, der Nationalismus der Rum-Griechen  und der der Türken, hinzu kommen noch niedrigere Triebe der unmittelbar handelnden Militärangehörigen aller Beteiligter. Wie wohltätig ist in soweit der Vertrag von Versailles, ausnahmsweise kann mangels politischer Macht Deutschland daran nicht beteiligt gewesen sein. 


Und so sehen wir denn die Gebirgsartellerie der Alpini sich in den Bergen von Kusadasi tummeln, bereitwillig ihr Kriegsmaterial vorweisend. Die Brüder Padova sind voll embedded, daran kann nun kein Zweifel bestehen. Die Bilder wiesen die übrigen Mächte damals darauf hin, bei der Zerschlagung des Osmanischen Reiches hat sich Italien einen reichlichen Bissen gesichert. Ahnungslosigkeit darf man den Ofizieren, die diese Auffnahmen zuließen, nicht unterstellen, wahrscheinlich hatten sie genug „erobert“, meinten sie.