Mittwoch, 14. März 2012

Testudo und das indonesische Polizeirecht

Die Griechen waren in ihren Heeren mit traditionellen Waffen ausgerüstet, trotz des legendären Bogenschusses von Odysseus durch 12 Äxte zählten dazu regulär nicht Bogenschützen; Fernwaffen – mit minderer Reichweite – waren nur Speere. Der vollwertige Krieger kämpfte in Schlachtreihen, nach deren Auflösung Mann gegen Mann. Ähnlich hielten es die Römer, Distanzwaffen hatten nur die Hilfstruppen, wie die Steinschleuderer von den Balearen.

Diese Art der Waffenverwendung beruhte auch auf der Vorstellung vom Bürger als Krieger, mochten auch jeweils später Berufsheere die Kriege bestreiten. Die einseitige Ausrichtung rächte sich in der Auseinandersetzung mit Heerscharen anderer Kulturen, die aus Asien kamen. Crassus erlitt gegen die Parther eine vernichtende Niederlage, die hatten nämlich reitende Bogenschützen, die – das Pferd nur mit den Knien lenkend – die Formationen der Römer umkreisten und dabei ununterbrochen Pfeile verschossen. Die römischen Legionäre behalfen sich mit der eingeübten Technik der Testudo (Schildkröte), wobei sie ihre langen und geraden Schilde benutzten, um sich nach vorne und nach oben abzudecken.


Obwohl die Parther die Schlacht von Carrhae gewonnen haben, schauten sie sich diese Technik ab, verwendeten sie selbst bei ihren Fußtruppen weiter, was zur Folge hatte, dass die Chinesen sie wiederum von ihnen (über die Seidenstraße, auf der nicht nur Handel getrieben wurde) lernten. Die so nach Ostasien gelangte Testudo haben diese indonesischen Polizisten allerdings nicht so richtig eingeübt, sie werden von dem Steinhagel überrascht und bilden einen chaotischen Haufen, auch haben ihre wütenden Gesichter keine abschreckende Wirkung.


Bei genauer Betrachtung fällt allerdings auf, dass der hinter den Polizisten tätige Fotograf sich nicht schützt, offenbar werfen die bösen Demonstranten nicht wirklich weit und gefährlich große Steine (grüner Pfeil).

Einen solch großen Stein hat jedoch der Polizist in der Mitte in der Hand, er will ihn offenbar alsbald werfen (roter Pfeil).

Ob in Indonesien das Steinewerfen zu den „polizeilichen Maßnahmen“ gehört, wird uns nur ein intimer Kenner des indonesischen Polizeirechts verraten können. Dort wie hier bedarf es jedoch einer immerwährenden Ausbildung der Polizisten, damit sie befähigt sind und bleiben, das Recht in der Form der öffentlich Sicherheit und Ordnung mit rechtlich zulässigen Mitteln durchzusetzen. Den Schutz unserer Rechte verlangen wir, aber den Büttel mögen wir nicht.



Nachtrag:

Aus Gründen, die Dottore nie und nimmer erahnen konnte, hat dieser Post Karriere gemacht, er wird am häufigsten aufgerufen. Darum sei ihm dieser Nachtrag gegönnt.


Die Reaktion, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, ist offenbar so verführerisch, dass sie Recht und durch Ausbildung erworbenes Wissen nicht immer handlungskonstitutiv macht. Hier ist es ein ägyptischer Ordnungshüter, vor dem ein von ihm soeben fortgeschleuderter Stein zu schweben scheint. Droht doch der Sandalenjunge sich eines lanzenartigen Gegenstands zu bemächtigen, der – als Sarissa eingesetzt – die Sicherheit unter der Schildkröte beeinträchtigen könnte. Löst sich die Testudo auf, dann allerdings hat die organisierte und entsprechend ausgerüstete Staatsmacht erhebliche Vorteile.


Hier in Pakistan weiß man ohne prophetische Gaben, dass der weißgekleidete Sandalenmann trotz seiner Zwei-Stöcke-Ausrüstung binnen weniger Sekunden erhebliche Nachteile erleiden wird. Zwar ist die Ausrüstung der Vier nicht ganz einheitlich – es gibt unterschiedliche Schilde und Helme, nur einer der Polizisten trägt Schienbeinschützer –, aber die gleichgeschaltete Entschlossenheit verleiht den vier Schlagstöcken eine Durchschlagskraft, deren sich der Störer nicht wirksam widersetzen kann. 1968ff. haben wir uns zuerst mit  Zeitungspapier gepanzert, bevor es eine förmliche Gegenausrüstung gab; es erscheint Dottore ausgeschlossen, dass der weiße Sandalenmann alsbald pakistanischer Außenminister wird.

Wiederum lohnt ein Blick in die Antike:


Diese Beinschiene aus Olympia ist formschöner als die modernen, mit Klettverschlüssen fixierten Schienbeinschützer, zudem widerstand sie dem Schwert. Aber, die Fähigkeit, korinthisches Erz zu schmieden, ist verlorengegangen. Die miefigen Schützer der Gegenwart werden daher auch nie als Trophäe überdauern.



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