Samstag, 17. März 2012

Opfer und Täter


So lautet die Überschrift eines Artikels im Spiegel-Online. Sie gibt sicherlich richtig die Interessenslage der US-Amerikaner wieder. Es ist zu vermuten, dass der Soldat den Belastungen, die er sich durch seine Berufswahl aufgebürdet hatte, nicht gewachsen war. Nun muss nicht jedes „Ausflippen“ in Gewalt umgesetzt werden, dazu gibt es eine Grundstruktur, die so offenkundig sinnlose Gewaltausübung sorgsam von als sinnvoll angesehener Gewalttat unterscheidet. Doch ist dies sicherlich nur ein schmaler Pfad, der alltäglich nur mühsam und mit Anstrengung zu beschreiten ist.

Pantalone kannte einen liebevollen alten Mann, der schicksalshaft kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs als frischer Rekrut in Ostpreußen stationiert war. Dort wurde er in der Grundausbildung – wie leider üblich – von Unteroffizieren rabiat geschliffen. Nun kam der Krieg, der Einfall russischer Truppen geschah plötzlich, alle Soldaten, die greifbar waren, wurden an die Front „geworfen“. Dadurch musste von der wohlbegründeten Übung abgewichen werden, nie die Ausbilder mit den Ausgebildeten in den Krieg zu schicken. Und so erzählte denn dieser liebevolle Mann noch fünfzig Jahre später mit sichtbarer Befriedigung, dass die ersten Gefallenen seiner Kompanie die Unteroffiziere gewesen wären, allerdings seien sie nicht durch Schüsse von vorn getroffen worden. Wer Menschen dauerhaft dazu nötigt, dass sie Gewalt auszuüben, trägt schwere Verantwortung.

Nun ist dieser Amokläufer nicht im Lager herumgelaufen und hat andere Soldaten erschossen, sondern er ging in ein von den Landeskindern bewohntes Dorf, brach in Häuser ein und erschoss alles, was sich bewegte. Diese Auswahl hat ihren Grund in der ihm antrainierten Unterscheidung von Menschen mit unterschiedlichem Wert, also von Kameraden und anderen Landsleuten einerseits und those people andererseits. Da Pantalone Nietzsche sowieso nicht mag, ist es ihm relativ gleichgültig, ob dieser den Begriff vom „Untermenschen“ so verstanden hat, wie ihn die Nazis verwendeten, Tatsache ist jedoch, dass ein Gefühl von Überlegenheit eintritt, wenn man in einem Land stationiert ist, in dem man nichts, noch nicht einmal das Wasser, aus diesem Land nutzt. Das perfekte Vorgaukeln von Heimat in seiner verschwenderischen Üblichkeit, das in den Lagern sorgfältig praktiziert wird, nimmt jedem Lagerinsassen das Verständnis für die anderen Menschen der Umgebung. Dies ist eben letztlich der Grund dafür, dass die Vereinigten Staaten andere Völker nicht verstehen, sei es das vietnamesische, das irakische oder ein Volk aus Mittel- bzw. Südamerika.

Daher auch die in der Überschrift offenbar werdende Nabelschau. Amerika denkt nicht über die Opfer nach, was irgendwie wieder gut zu machen wäre, sondern sinniert über den Täter. Es mangelt dem gerne und leicht gewalttätigen Volk an Empathie. Amerika, du hast es nicht besser, du musst noch viel lernen und mit anderen so gnädig umgehen, wie du es mit deinem Leutnant William Calley machtest.

Gewidmet den namenlosen Opfern in Najib Yan.

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