Donnerstag, 20. Januar 2011

Würde und Alltäglichkeit

Im Jahre 1960 fuhren Pantalone und Dottore auf einer Zündapp DB 200 – Baujahr 1949 – nach Morea, wie auf dem Foto ersichtlich. In Napoli di Romania, heute heißt der Ort Nafplion, w(s)ollten wir endlich die versprochenen Postkarten an Verwandte und Freunde schreiben. Morgens setzten wir uns in ein Kafeneion am breiten Kai, wohl mit Postkarten versorgt. Der Inhaber des Cafe`s hieß Ioannis, er saß am Rande des Kais bei befreundeten Fischern, die dort ihre Netze flickten. Seine Frau werkelte hinter der Theke und rief in regelmäßigen Abständen mit klagender Stimme „Janiii“, der aber unterhielt sich lieber weiter. So vergingen Stunden, wir tranken Ellinko und Portokallada, freuten uns des Lebens, schrieben jedoch keine der Karten. Der Ablauf der Zeit vermittelte sich uns durch die vergeblichen Rufe der Wirtin.

Auf der Reede, also in der Nähe von Bourtzi, lag eine englische Fregatte, von der sich gegen Mittag eine Schaluppe dem Hafen näherte. Das Schiff war zu diesem Zweck mit Glasscheiben versehen worden, Matrosen in Ausgehuniform wurden ebenso sichtbar wie ein mit Lametta geschmückter Offizier. Am Hafen stand der Bürgermeister des Ortes, erkennbar daran, dass er eine Schärpe in den Landesfarben trug. Offenbar sollte ein Höflichkeitsbesuch stattfinden. Obwohl die Schaluppe unter Motor fuhr, führten sechs mit großen Rudern ausgerüstete Matrosen auf Zuruf zackige Kommandos aus. Nur, als die Schaluppe anlegen wollte, verschätzte sich der Steuermann, das Boot rammte den Kai und stoppte so plötzlich. Die Matrosen mit den Rudern in den Händen verloren fast das Gleichgewicht, stolperten durcheinander, einer von ihnen musste notgedrungen an Land springen - er ließ das Ruder dabei los - sonst wäre er ins Wasser gefallen. Der Offizier mit seinem Zweispitz in der linken Hand fiel auch fast hin und musste sich an der Umrandung der Scheiben festklammern. Der Bürgermeister sprang ängstlich zurück, so stark kam die Seemacht Großbritanniens auf ihn zu. Nachdem sich alle wieder aufgerappelt hatten, konnte das Ritual ablaufen.
Die Fischer aber, die in ihrem Arbeitsdasein viele tausende Male angelegt und alles sowieso schon skeptisch beobachtet hatten, die kugelten sich lachend auf dem Kai. Ihnen liefen vor Lachen auf den nun wirklich seegegerbten Backen die Tränen runter.

Das kommt davon, wenn man etwas Alltägliches besonders feierlich gestalten will. Die Karten haben wir an diesen Tage nicht geschrieben.

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