Donnerstag, 27. Juni 2013

Ägypten 7 Moschee Sultan Al Moayed

Von der Sultan Hassan Moschee geht man ungefähr zwanzig Minuten in nördlicher Richtung, um an die Moschee des Sultans Al Moayed zu gelangen. Die Verliese in einem solch warmen Land wie Ägypten sind nicht modrig und rheumatogen ausgestattet, sondern ungeziefrig und stickig. In solch einer Zwangsbehausung saß der spätere Sultan und litt. Er schwor, komme ich hier einmal heraus, dann soll hier eine Stelle der Heiligkeit und Annehmlichkeit entstehen. Auch viele Kirchen verdanken solchen Gelöbnissen ihre Existenz, so beispielsweise die drei Rundkirchen in Grünfeldhausen, Oberwittighausen und Standorf, die wahrscheinlich von glückselig heimgekehrten Kreuzfahrern gestiftet wurden, beeinflusst von der Grabeskirche zu Jerusalem. Al Moayed war wohl nicht ganz unschuldig in dies Verlies gekommen, er war ein umtriebiger Mann: am gewaltsamen Ableben seines Vorvorgängers war er nicht unbeteiligt, seinen Vorgänger hat er nach wenigen Monaten abserviert, also ein Mann mit Qualitäten, mit dem man nicht hätte befreundet sein mögen.

Bei der Betrachtung der Kirche im Gewusel der Straßen Kairos fällt zuerst auf, dass die beiden Minarette sich nicht unmittelbar an der Moschee erheben, sondern sich auf dem daneben stehenden Tor errichtet wurden, dem Bab Zuweyleh. Dottore vermutet, das nicht mehr präsente Verlies wird sich in dem Torbau befunden haben. Die roten Pfeile zeigen die Blickrichtungen der Bilder von auf, die David Roberts von dem Komplex malte. Sie folgen.


Der Grundriss gibt den gegenwärtigen Zustand der ab 1412 gebauten Moschee wieder, dabei sind:

Rote Punkte    die Minarette
Hellgrün          Zugangs- und Vorbereitungsörtlichkeiten
Violett             Begräbnisstätten
Rot                 Mihrab, Minbar und die beiden Vorleserlogen
Hellblau          Freiraum
Dunkelgrün     Gebetsräume

Diese Moschee ist die letzte in Kairo, die noch mit einem inneren Freiraum gebaut wurde, das Erbe der frühen arabischen Moscheegestaltung; die umgebenden Gebetsräume sind nicht überkuppelt, sondern bestehen aus langen Arkadenreihen, die parallel laufen, aus statischen Gründen lediglich mit Holzbalken verbunden sind, die Dachabdeckung geschah ebenfalls durch Balken aus Holz. Die Außenwand hinter dem Tor nimmt noch die Richtung der alten Stadtausrichtung auf, ist aber im Inneren auf den Mihrab ausgerichtet. Die strenge Vorgabe der Ausrichtung der Gebetsnische nach Mekka hat unter anderen dazu geführt, dass die arabische Astronomie sich stark entwickelte und lange Zeit führend in der Welt war.


David Roberts, dessen Bilder im Grunde genommen kolorierte Zeichnungen sind, ist um diesen Komplex offenbar lange herumgeschlichen und konnte sich nicht satt sehen. Aber er hat nicht nur geschaut, sondern auch in Skizzen festgehalten, was er sah. Dies muss die Imame seinerzeit so beeindruckt haben, dass sie ihm gestatteten, auch in den Moscheen seine Arbeit fortzusetzen, damals (in den 1830er Jahren) eine Ausnahme.


Hier nun ist er durch das Tor gegangen, rechter Hand steht die Moschee, zwischen ihr und der gegenüberliegenden Häuserzeile tobt der Bazar, eigentlich überall, wenigstens nach den Bildern des Herrn Roberts. Beide Minarette haben zu dieser Zeit noch einen weiteren Aufbau oberhalb des zweiten Balkons, der ihnen in den Folgejahren zeitweise abhanden kommt, wohl durch ein Erdbeben, vermutet Dottore.


Die Bazarsituation scheint aber nicht nur von Roberts hinein gemalt worden zu sein, denn als der anonyme Photograph von fast gleicher Stelle sein Bild auslöst, herrscht ebenfalls Treiben auf der Straße. Rechts am oberen Bildrand sind die Streifen der Moschee zu erkennen, die Minarette sind kürzer geworden, geblieben sind die Musharabies, die in Zeiten vor der Klimaanlage das Leben im Sommer einigermaßen erträglich machen.


Nun wieder nach draußen, außerhalb des Mauerkranzes, der von dem das Tor begrenzt wurde. Das Tor war mit der Mauer nach den Jahren nach 1000 gebaut worden, ungefähr gleichzeitig mit der Moschee Saleh Talaï, vor der der Maler gestanden haben muss, als er dies Bild skizzierte. Da es jedoch solch einen großen freien Platz dort nicht gibt, hat sich Roberts über die lächerliche Realität hinweggesetzt und uns damit einen Blick ermöglicht, der eben imaginär ist.


Da waren Robertson und Beato doch sehr viel beschränkter, als sie ca. 30 Jahre später auch die Türme aufnehmen wollten, sie mussten mit der sich ihnen darbietenden Wirklichkeit zu recht kommen. Die Türme hatten zu ihrer Zeit noch die bisherigen Stockwerke über dem zweiten Balkon, diese waren massiv gemauert. Den Boden der Gasse scheint eine verschwommene Masse zu bedecken, dies sind die Schatten der sich viel zu rasch bewegenden Lebewesen. So ist denn nur dem am Haus lehnenden Turbanträger eine zeitlose Existenz gewährt, so lange eben, wie dies Bild oder dessen Daten bestehen.


Die gleiche Straße, nur erheblich später. Als Bonfils dieses Photo macht, haben die Türme wieder neue Stockwerke erhalten, diesmal aus Säulen bestehend. Das Bild ist im Netz schmaler, Pantalone hat es in die Breite gezogen; das Format war durch das Unterfangen, stürzende Linien zu vermeiden, zu schlank geworden, Photoshop kann 2013 mehr als die Dunkelkammer 1885. Unschärfen, die offenbar beim Scannen entstanden sind, konnten kaum beseitigt werden.


Selbstverständlich kann unser Liebling, die Sebah-Sippe, nicht fehlen. Zu deren Zeit gab es nördlich der Citadelle einen langgestreckten, aus Felsen bestehenden  Hügel, von dem aus Pascal Sebah ein Panorama aufnahm, das zuvor in einem anderen Post gezeigt wurde. Dies ist eine Vergrößerung aus dem Bild „N.° 4 C Vue Panoramiques du Cairo“. Zeitlich muss es zwischen dem von Robertson und Beato und dem von Bonfild gemacht worden sein, Zerstörungen durch Erdbeben sind perverser Weise manchmal doch nützlich. Das den Moscheen in Kairo eigene schmale, hohe Tor ragt über das Häusergewirr heraus.


Als sich der Sohn Jean Pascal daran macht, von identischer Position einen Panoramablick über die Stadt herzustellen, war der Wiederaufbau des westlichen Minaretts vollendet, das andere eingerüstet. Vater und Sohn Sebah standen jeweils auf dem heute mit dem Al Azhar Park überzogenen Hügel, und zwar an dessen höchstem Punkt, heute ist dort ein Restaurant gehobener Güte. Immer noch grenzt der Hügel an die Stadtmauer, eine andere als die, in der das Tor Bab Zuweyleh den Zugang regeln konnte.


Nach der Vorarbeit von David Roberts waren dann später die Moscheen offen, so nahm Lekegian die Moschee auf und zwar vom Innenhof aus in Richtung Mihrab. Damals trennte ein Gitter den Innenhof von den Gebetsräumen ab. Hinzuweisen bleibt, dass auf dem Bild keine Vorleserloge, kein Dikkat al-muballigh, sichtbar ist, die nach dem Grundriss zwischen Innenhof und Mihrab steht. Sie ist offenbar ein in jüngster Zeit bei der letzten Restauration gemachter Einbau.


So war es denn – wieder etwas später – für Bonfils ein Leichtes, die Gebetsnische der Moschee aufzunehmen. Obwohl noch keine dieser scheußlichen Renovierungen vorgenommen worden war, strahlt aus dem Bild die handwerkliche Perfektion der Erbauungszeit. Die Moschee war wirklich zu einem Ort geworden, der heilig und angenehm geworden war – entsprechend des Gelöbnisses des Stifters und Grabherrn.


Letztlich nun musste die Moschee eine für die Orientalen so gehandhabte Erneuerung über sich ergehen lassen, deren Leitsatz eben ist, nur das perfekte Neue ist schön. Die Geschichte eines Bauwerks wird eliminiert, weil Gebrauchspuren oder gar historisch bedeutsame Beschädigungen strikt beseitigt werden, so kurzsichtig wie die Vertuschung der „Plombe“ am Kölner Dom. Während hier uneinsichtiger Klerus das bewirkt, ist es in Kairo die mangelnde Trennung von Staat und Religion, wobei dort sogar die Religion der Ureinwohner, der namengebenden Kopten, negiert wird.



So taucht denn auf neueren Bildern plötzlich in der breiten Arkade vor der Gebetsnische eine Vorleserloge auf, die es eben zuvor dort nicht gegeben hat. Nun werden auch in katholischen Kirchen mit kunsthistorischem Gewicht Altäre an Stellen errichtet, die zuvor frei waren, nur um dem 2. Vaticanum Folge zu leisten. Gotteshäuser sind eben keine Museen, was ihnen übrigens gut tut. Nur benutzte Gotteshäuser strahlen die Spiritualität aus, die es in ihnen geben muss.

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