Donnerstag, 20. Oktober 2011

Über das Wirken der Kleinbürger

Wäre Pantalone Vulgärmarxist, so stellte er zum Königlichen Schloss in Berlin fest: Sich kommunistisch wähnende Kleinbürger haben es seinerzeit abgerissen, sich aufgeklärt dünkende Kleinbürger wollen es wieder aufbauen. Leider ist dieses Verdikt nicht so leicht von der Hand zu weisen.

Während die Genossen in Polen mit viel Mühe und unter Verachtung der Kosten sich der Geschichte ihres Volkes dadurch bewusst wurden, dass sie die im Krieg zerstörten Gebäude zuerst in Warschau, dann in Danzig wieder aufbauten, hatten die Kumpanen des Tischlers aus Sachsen nichts anderes im Kopf, als die Geschichte des ihren zu zerstören. Dabei war die Ironie der Angelegenheit, dass sie den Teil des Schlosses in die Fassade einfügten, von dem aus der Genosse Liebknecht jun. zu spät die Republik ausrufen wollte, Scheidemann war ihm zuvorgekommen. Das Zuspätkommen hat also bei diesen Genossen Tradition, sicherlich eine ungewollte.

Jetzt gilt folgendes: Nicht: form follows function, sondern: form seeks function. Also baut man nicht im Zentrum der Hauptstadt Preußens das damalige königliche Schloss wieder auf, sondern bemäntelnd schmückt man sich mit einem „Humboldtforum“. Nicht die Einsicht, im Mittelpunkt der Kapitale können unsere heutigen Architekten keinen Bau gestalten, der auch noch in 50 Jahren ansehenswert ist, bestimmt das Handeln der Aufbauwilligen, sondern man will einen Wechselbalg errichten, so ein bisschen alt, aber auch ein bisschen neu, so kleinlich und schäbig, wie die Bestimmenden eben selbst sind. Sie dünken sich aufgeklärt, weil sie die Geschichte des Bauwerks eliminieren wollen, das den wechselvollen Ablauf Preußens darstellt.

Schinkel hatte die gotischen Teile umgebaut, die gesamte Rückfront war der Renaissance verpflichtet, war aber nicht so pompös wie der sonstige Barockbau mit seiner wilhelminischen Kuppel, deren Höhe von der des Reichstages nicht überschritten werden durfte. Die Vorliebe des Kleinbürgers zum Barock hat schon Adorno im musikalischen Bereich belegt. Hier gilt ähnliches. Dazu kommt die Gleichsetzung Preußens mit seiner späten, wilhelminischen Ausstrahlung. Neben den berüchtigten sozialökonomischen Gründen hat auch Bismarck zum Verlust des alten Preußentums beigetragen: Aus provinziellem Mief des Pietismus stammend hat er nicht den Staat, in dem er lebte, unterstützt, sondern er betrachtete sich als der Schützer und Vollstrecker des Königshauses, das aber nicht mehr aus einem Friedrich II oder gar dem Louis Ferdinand bestand, sondern aus Figuren, die privat harmlos, aber politisch gefährlich waren (Beim „greisen Heldenkaiser“ Wilhelm I wird viel zu oft vergessen, dass er der Kartätschenprinz war).

So also wird ein Mischmasch entstehen, die Kahlheit der Innenhöfe wird teilweise abgedeckelt, die Rückfront fällt ganz weg, statt dessen entsteht ein Bauteil, der von dem verhinderten Archtitekten A.H. stammen könnte, wenn er sich erneut in das Mimikry des „Tages von Potsdam“ begeben hätte.


Dass dieser Bauteil klar faschistische Architektur ist, erkennt man an einem Vergleich mit Bauten in Rom. Dort war in der Ära des Faschismus das heute „Palazzo della Civilita“ genannte Bauwerk errichtet worden, von anderen spöttisch „Colosseo quadrato“ genannt.


Nur das Obergeschoss stimmt nicht mit der Quelle der Inspiration überein. Dort musste der über ein zu kleines Büro verfügende Architekt anderwärtig kopieren. Er fand, dass das Hochgeschoss des Außenministeriums in Rom doch abgekupfert werden könne, eines Bauwerkes, das jüngst Tom Koenigs bei aller ansonsten anzutreffenden Höflichkeit „mit einer Tendenz zum Wahn“ (Seite 104 des auch ansonsten lesenswerten Buches) beschrieben hat.


Das Schlimme an dem Ganzen ist aber die Tatsache, dass die Bestimmer über das Bauwerk sich gar nicht bewusst sind, eine Auferstehung vergangen gewähnter Architektur begründet zu haben. So blöd sind die. (Zur Erinnerung: Auf dem Schild, dass Teufel über den Kopf des Regierenden Bürgermeisters hielt, stand: „Solche Idioten regieren uns!“)

Oder aber, Pantalone irrt sich: Die bewusste Entscheidung für den faschistischen Baustil ist ein Affront gegenüber den am anderen Ufer Sitzenden/Stehenden (Beim nächsten Mal wird alles besser!)?

Fragender Hinweis von Dottore: Ist nicht auch der Hass auf die Niedertracht kleinbürgerlich?

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