Sonntag, 11. Januar 2015

Ich bin Kärcherer

Als Ulbricht sagte: “Keiner hat die Absicht, eine Mauer zu bauen!“, da war dies gelogen. Als sie dann gebaut war, kam ein weiterer Spruch auf: „Einer dieser Mauerbauer, ist auch Konrad Adenauer.“ Nun war das auch nicht richtig, aber nicht gänzlich falsch. Der rheinische Häuptling hatte mit der ihm eigenen Beharrlichkeit die Westintegration betrieben, die Situation der gesamten Nation mit den vielen nichtkatholischen Ostlern lag ihm nicht so am Herzen. Aber, letztlich verdanken wir ihm den Beginn der längsten Friedensperiode Deutschlands, erst Sozialdemokraten beendeten sie. Die mangelnde Rücksicht auf die Lage der „SBZ“ - so gerierte sie sich an ihren Grenzen - sowie der Bedarf an Arbeitskräften bedingten eine Förderung der Fluchtbewegungen aus dem östlichen Teil Deutschlands, euphemistisch, aber wiederum nicht gänzlich unrichtig „Abstimmung mit den Füßen“ genannt.

Wenn man nun sich der meist vergeblichen Mühe unterzieht, aus der Geschichte lernen zu wollen, so wäre konkret wohl die Erkenntnis zu gewinnen, man muss die Lage des Gegners verstehen wollen, um sich vor Konflikten zu schützen.

Als der damalige Präsident unseres westlichen Nachbarlandes laut über die Probleme nachdachte, die in den Vorstädten der Hauptstadt dräuten, da machte er nur Werbung für Dampfstrahlreiniger deutscher Provenienz, weiter reichte offenbar seine Erkenntnisfähigkeit nicht. Mit solchen Geräten säubern die Bürger die Zuwege zu ihren Eigenheimen, sie entfernen damit das, was sie als Dreck bezeichnen. Die geliebten Waschbetonplatten sehen danach wieder aus „wie neu“. Das Verständnis des Präsidenten haben diejenigen, die maschinell eliminiert werden sollten, sich zu eigen gemacht, es verinnerlicht. Sie mussten sich in dieser Gesellschaft nur noch als Dreck empfinden. Das ist ein unbehaglicher Zustand.

Der vorzügliche Stilist Ernst Jünger hat das fundamentale Erlebnis des Krieges in dem Buch „In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers zu verarbeiten gesucht. Heiner Müller hat über ihn gesagt: „Bevor Frauen für ihn eine Erfahrung sein konnten, war es der Krieg.“ So ist denn auch die Figur des Kriegers als menschliche Kategorie auf sein Werk ausdrücklich zurückzuführen. Nicht jeder, der in den Krieg zieht oder ziehen muss, ist ein Krieger, nur wer das aus innerem Antrieb will, kann so bezeichnet werden, das ist auch der Unterschied zwischen Hektor und Achill, nur erster wird von einer Familie beweint. In solch satten, saturierten Zeiten verliert man aus dem Augen, entzieht es sich der Vorstellung der Gesellschaft, dass Krieger zu werden oder zu sein eben Lebensinhalt werden kann. Einen Lebensinhalt zu gewinnen, sich der Faszination des Krieges hinzugeben, macht sicherlich einen Großteil der Motivation aus, die in ruhig geltenden Bereichen der Welt (Deutschland oder Frankreich) junge Menschen dazu bringt, in den Krieg zu ziehen.

Wer dann noch gesellschaftlich zum Dreck erniedrigt wird, wer in konstanter Arbeitslosigkeit oder in Beschäftigung unter Niveau gehalten wird, der muss schon erhebliche Anstrengungen aufwenden, um nicht in den nächsten Krieg zu ziehen, von dem er glaubt, er vollziehe sich unmittelbar in seiner Umgebung. Daher ist Sarkozy einer derjenigen, die mit auf Charlie geschossen haben, wir alle haben mitgeschossen, weil wir uns mit dem, was wir zum Dreck deklarieren, nicht beschäftigen wollen. „Einer dieser Mauerbauer…“

Einsicht wäre vorhanden, wenn der heutige Trauermarsch in Paris durch jene ungereinigten Vorstädte zöge, um dort zu versuchen, die Forderung von 1789 umzusetzen, nämlich Égalité  herzustellen. Dann wäre die Versuchung, sich als Krieger aus dem Dreck zu erheben, aufgehoben, und zudem würde eine noch viel ältere Bitte so erfüllt: NE NOS INDUCAS IN TENTATIONEM. 

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