Freitag, 25. Januar 2013

Ägypten 3 – Familienkarren

Als Dottores Liebling, Pascal Sebah, neue Geschäfte witterte, nahm er in Kairo neben viel anderem auch diese Familie auf, die vom Markt nach Hause fährt. Der strenge Vater wurde durch den halbwüchsigen Sohn davon überzeugt, dass es nicht gefährlich sei, sich photographieren zu lassen. Das Bild ist schnell gemacht, die auf dem Karren sitzenden Frauen haben nicht still gehalten. Links ragt das Gewand eines Zuschauers herein, vorne sitzt ein Kind, das Rubens schon Model gestanden haben könnte. Man sieht die Aufbruchsstimmung, nur die gemeinsame Überredung des Sohnes und Sebah hält den Abmarsch auf. Der präsumtive Käufer war sicher, so etwas gesehen zu haben.


Als Felix Bonfils einige Jahre später nach Kairo kam, schickte er seinen Sohn aus, in den Läden der Konkurrenz danach Ausschau zu halten, was denn so liefe. Der berichtete dann, sich an das Bild von Sebah erinnernd, von „Karren mit Menschen“ drauf.


Als der Vater mit der ersten Aufnahme zum Quartier der Familie in Kairo kam, hatte sich gerächt, dass im Französischen Männer und Menschen gleich ausgedrückt werden. Nicht Männer, Menschen sind drauf, mon père! Das bekam Bonfils wieder nicht so richtig mit, schnell eilte er zum Aufnahmeort, er schien Glück zu haben, der Junge mit dem Eselskarren wartete immer noch auf seine Familie. Also wurden „mit Geld und guten Worten“ einige Frauen mit Kindern überredet, auf dem Gefährt Platz zu nehmen, la même procédure comme dernier chaque jour. Nur den Stock musste der Junge weglegen, wie übrigens der Lehrer in der „Häschenschule“, nach dem Motto: nicht das Bewusstsein ändern, sondern politisch korrekt erscheinen .


Auch die armenischen Brüder mit dem arabischen Namen wurden vom Touristengeschäft mit Bildern in Kairo angelockt. Zwar nahm man sich mehr Zeit als der viel ablichtende Franzose, was an den schlafenden Kindern ersichtlich zu sein scheint, aber eine Familie war das auch nicht, der Esel fehlte, der Karren war nach seiner Konstruktion im Grunde nur commod, wenn es leicht bergauf ging, kurz: trotz der aufgewendeten Zeit ein schlecht arrangiertes Bild.


Auch der unbekannte Photograph wollte das Motiv ablichten, nur es geriet ihm besser, weil er nicht kopierte. Auf dem Weg zum Markt mit einigen Truthähnen außerhalb, mehr aber innerhalb der geflochtenen Käfige hielt er den Wagen samt menschlicher Begleitung fest. Das Bild zeigt uns eine freundliche Bauersfrau, die einen Rest an Misstrauen bewahrt hat, eine schüchtern-kokett lugende Tochter und einen seiner Rolle als Verantwortlicher bewussten Sohn. Diesen Menschen möchte man selbst begegnet sein.


Eigentlich müssten sich die griechischen Brüder Zangakoi nennen; wir wissen nie, ob´s Georg, ob´s Constantine aufgenommen hat. Seit dem Bild mit der Kanone in Alexandria, die einen aufgeplissenen Lauf hat, mag Dottore sie. Dieses Bild von ihnen ist auch gelungen. Der pater familias schaut drein wie ein evangelischer  Pastor aus Norddeutschland, die zweite von links nutzt den Umstand, unverhüllt zu sein, und lächelt zur Kamera. Der Wagen ist der komfortabelste, er ist mit einer Unterlage für die Sitzenden ausgestattet. Ob wirklich ein Friedhofsbesuch stattfinden sollte?


Heute huschen die Autos an einem vorbei, man erkennt allenfalls die Marke und den Typ des Fahrzeugs, die Menschen bleiben einem für immer verborgen. Die Geschwindigkeit des Gefährtes vereinsamt Passagiere und Passanten.

Nachtrag (25.06.2013)


Es ist immer nützlich, sich in anderen, entfernteren Teilen des Netzes umzutun, außer anderen Texten findet man auch andere Bilder als diejenigen, die die Googlewelt anbietet. Bei Yandex war das bis dato nie gesehene Bild zu finden, das in diesem Post nicht fehlen darf. Das Bild des unbekannten Photographen wurde sehr grob gescant, Riesenpixel machen sich breit.


Das nächste Bild ist schon gezeigt, Bonfils ist nicht nur bisweilen dem Spott Dottores ausgesetzt, um 1900 wurden seine Bilder zu Vorlagen degradiert, selbstverständlich ohne seine Autorenschaft zu erwähnen. Das von Zürich aus agierende Unternehmen Photoglob war der Sepiafarbgebung überdrüssig und führte die Farbe ins Geschäft der Reisefotografie ein, die durch die Neuerungen des Herrn Eastman begann, überflüssig zu werden. Da aber die Amateure auch nur s-w- Filmmaterial hatten, war die Farbe der letzte Versuch, diese Sparta des Photogewerbes zu retten. Jedoch muss konzediert werden, die Photoglobtrotters haben es gut gemacht, so könnte die Familie ausgesehen haben, nur das Rot des hinter der Deichsel sitzenden Kindes ist zu krass.


Und so darf denn in dieser Galerie nicht Gabriel Lekegian fehlen, zumal seine Photographie eine - unbeabsichtigte? - Mischung zwischen "gestellt" und "Schnappschuss" darstellt. Nun hatte er alles so schön arrangiert, kroch unter sein Tuch und löste aus. Alle hielten gehorsam still, was aber machte die links sitzende Bäuerin? Sie konnte nicht schweigen, kam doch Saida vorbei, der sie unbedingt erzählen musste, dass Djamila doch noch ihren Willen durchgesetzt hatte und Fuad heiraten werde, na, wenn das kein Grund ist!

Nachtrag 09.07.2016

Polt erläutert sehr schön, was nachtragend ist, aber macht schon jeglicher Nachtrag einen zum nachtragenden Menschen? Pantalone beharrt darauf, nachträglich etwas anzufügen, nämlich eine Variante des Bildes 1. Wenn Sebah genug Zeit hatte, noch zwei weitere Menschen auf die Familienkarre hieven zu lassen, dann kann das mit der alsbaldigen Abfahrt doch nicht so eilig gewesen sein! Auch ist das Bild nur in schlechter Qualität überkommen, aber Vollständigkeit ist der Wahn der Sammler. Ergo: 



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