Kürzlich, es war noch
vor der Explosion im Hafen, erschien ein Artikel in der FAZ, der versuchte, die
Zustände im Libanon zu analysieren bzw. anhand von Beispielen aufzuzeigen.
Seine Zweitunterschrift klang so, als stände sie in einer sozialistischen Zeitung,
verwundert las man es zwei Mal, es war und blieb ein klassenkämpferischer
Aufruf:
„Die Mittelklasse stürzt ab, die
Ärmeren leiden Hunger. Und die korrupte Oberklasse, die an der Misere Schuld
ist, gönnt sich den teuren Whisky jetzt schon mittags.“
Der Wechsel
zwischen abstrakter Feststellung bei der Darstellung der Situation der
Unternommenen und der Konkretisierung des Verhaltens der Verursacher ist
stilistisch fein und verrät Parteilichkeit.
Offensichtlich hatte
der Chef vom Dienst diese Zeilen keinem der Herausgeber vorgelegt, er fand
richtig, was der ortskundige Korrespondent da schrieb. Die Herausgeber eines
Blattes werden ununterbrochen damit bestraft, die abgesonderten und dann
gedruckten Texte sorgfältig lesen zu müssen, rasch wurde der Klassenkampf beendet.
Zwar waren nun die unangenehmen Zeilen schon gedruckt, aber im Nachhinein
musste alles wieder peinlichst gesäubert werden. Die Onlineverlautbarung wurde
nachträglich zensiert, nun heißt es:
„Der
Libanon implodiert. Während Hunger und Angst vor neuem Blutvergießen um sich
greifen, bleiben die Schuldigen ihren Gewohnheiten treu.“
Damit ist nun jegliche Aussage kalmiert – der
implodierende Libanon hatte es offenbar auf ein „EX“ abgesehen –, die objektiv beschissene
Lage der Unter- und Mittelklasse verwandelte sich in subjektive Ängste, die
drastische Schilderung über das Verhalten der „korrupten Oberklasse“ wich einer bräsigen Feststellung. Nicht das
System ist falsch, sondern einige wenige halten sich nicht an die Spielregeln,
sie haben das „Eiapopeia der Sozialpartnerschaft“ noch nicht verstanden. Dabei
begreifen die Herausgeber nicht, dass sie auch nur nützliche Idioten sind – in den
Augen derer, die auf der Klaviatur des Finanzkapitalismus ihre Etüden spielen. Sie sind eben keine Schirrmachers, sie sind nur erzreaktionär, aber nicht schlau. Und
damit keiner der Anzeigenkunden und Leserbriefschreiber an dem Lapsus sich
erinnern kann, wurde ein Bild draufgebappt:
Es scheint ein
gewisses Chaos zu herrschen, aber das sind nur junge Leute, die mit ihren
chinesischen Motorrollern umeinand fahren; so, als könnte ein tüchtiger Verkehrspolizist
die Sache (Chaos im Libanon) mit Umsicht zügig regeln.
In Wirklichkeit sind es
offenbar die gleichen jungen Leute, die seit Tagen immer kräftiger gegen das
libanesische System demonstrieren. Das Rumjuckeln mit dem Motorroller besänftigt
die nicht mehr. Den Namen des Korrespondenten sollte man sich merken, er heißt Christoph Ehrhardt. Solche Menschen braucht die Welt.
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