Samstag, 22. Dezember 2012

Kleinasien – einst und jetzt


Wenn man – wie Dottore – seit über 50 Jahren häufig in die identische Gegend reist, so reizt es, die Veränderungen festzustellen. 1962 war Antalya ein beschauliches Städtchen wie Bad Schwalbach im Taunus, heute hat Köln Mühe, an Bevölkerungsanzahl mitzuhalten. Aber solche Änderungen sind nicht sinnlich zu vermitteln, es ist nötig, erläuternde Erklärungen hinzuzufügen, also kurz: es wird langweilig.

Besser scheint es da, auf Bildern die veränderten Objekte zu zeigen, wer nostalgisch gesinnt ist, mag dann solchen Anwandlungen nachhängen, wer kühl analysiert, denkt an Selbstverständlichkeit, wer Bilder mag, schätzt diese um ihrer selbst willen. Ganz ehrlich, Dottore und Pantalone haben gemeinsam eine gewisse Scheu, in der Kiste der eigenen Bilder von damals zu kramen, wie sie es in Bursa taten. Zu rasch wird einem dann nämlich bewusst, wie sehr man teilweise in eine Zeit hineinragt, die schon als museal betrachtet wird. Daher nun Vergleichsbilder, die ohne Reizung der narzisstischen Persönlichkeit präsentiert werden können.



Das ansonsten rühmliche Beazley-Archiv behauptet, das Bild gäbe Mykenai wieder, weit gefehlt, es ist unzweifelhaft Troja, wie das Bild von 2010 zeigt.



Ellis Colnaghi begleitete 1853 C.T. Newton auf dessen Reise durch die Südtürkei. In Kaş trennte er sich von ihm und machte einen Schlenker durch das Innere Lykiens, dabei nahm er u.a. von der Flussnekropole in Myra am Grab 81 ein in der Literatur vielfach ausgedeutetes Relief auf, das in den fast 160 Jahren seitdem kaum Schaden genommen hat, der Riss im anstehenden Felsen hat sich etwas verbreitert.



Wie in einem anderen Post schon geschildert führte der Krimkrieg dazu, dass englische Altertumsforscher im Osmanischen Reich agieren duften, wo sie daher auch entsprechend den damaligen Vorstellungen von „Grabung“ ziemlich wühlten. C.T. Newton durfte sich dabei auf Matrosen der Marine seiner Majestät stützen, wobei dem Corporal J. McCartney der Befehl erteilt wurde, zu photographieren: er also nahm 1858 die Felswand oberhalb des Demeterheiligtums in Knidos auf.



Unbekannt ist Dottore, wer seinerzeit das Theater in Laodikeia aufnahm; bemerkenswert ist nur, wie wenig sich seitdem geändert hat, was keine Kritik der jetzigen Forscher an dieser ist (allerdings könnte der von der Skene stammende Torso doch vielleicht besser geschützt werden)



Der vermehrte Tourismus legte es 1890 Sebah & Joallier nahe, auch Bilder von Pergamon zu verkaufen. Vom großen römischen Theater steht nur noch dieser Bogen, der zu „malerischen“ Bildern Anlass gibt.



Das pergamenische Amphitheater – gottlob eines der wenigen dieser Bauten in Kleinasien – ist im Grün des Schuttes über ihm versunken, nur der durchlaufende Bach konnte nicht von ihm dauerhaft überdeckt werden.



Nur wegen des Gegensatzes zwischen 1890 und 2009 wird das Eski Kapliça nochmals gezeigt, auch als Triumpf über den alles Kältere beschlagende Dampf.



John Henry Haynes war Lehrer in Konstantinopel, er lernte einen Photographen kennen, der ihn in diese Kunstfertigkeit einweihte. Danach zog er selbst mit einem rein photographischen Gepäck von über 50 kg durch das Osmanische Reich und nahm Altertümer auf. Hier war die Kirche 8 in Binbirkilise sein Objekt. Ein Erdbeben zerstörte diesen schönen Rundbau so nachhaltig, dass schon Gertrude Bell 30 Jahre später nur noch geringe Reste aufnehmen konnte, nun sind diese auch noch weniger geworden. Haynes wur-de später Archäologieprofessor in USA, heute reichen dazu gute Fotos nicht mehr aus.



Besagter Colnaghi hatte auch einen Blick für die byzantinischen Überbleibsel, so eben nahm er auch die von Dottore so geschätzte Ruine der Kirche von Dere Agzy auf, das Bild wird auch im Beazleyarchiv verwahrt, allerdings ohne präzise Benennung (265 Lycia), ein wenig peinlich.


Auch Haynes hatte Augen für die Wunder des Landes, auch wenn sie nicht aus dem klassischen Altertum stammten. Hier nahm er das Eingangstor der (westlichen) Sultanhan-Karawanserei auf. Moped statt Pferd; aber das wirklich besondere daran ist, dass hier nicht wie wild anastilosiert wurde, sondern es bei reinen Erhaltungsmaßnahmen blieb (anders als in Obruk-Han!).



Damals war das Tor zum inneren Abschnitt der Herberge aus Gründen der Erhaltung zugesetzt, nun strömen Scharen von Besuchern hindurch. Elitär auf Touristen herabzuschauen, weil man nur wenige Jahre früher da war, ist hohl, wie stünde Dottore anson-sten vor Haynes dar.

Freuen wir uns darüber, dass sehr viel noch da ist, kein Bombenkrieg die Errungenschaften der Menschheit wegblies wie das Schloss in Hannover, die Kirche in Dresden, beides nun als modernes Rekonstrukt wieder zu besehen.

Pecunia olet – eine anrüchige Sottise


Der häufig zitierte Spruch des Kaisers Vespasians lautet umgekehrt: Pecunia non olet, Geld stinkt nicht. Fast immer wird die Herkunft der Redewendung damit in Verbindung gebracht, der Kaiser habe eine Art Benutzungsgebühr der öffentlichen Latrinen für das Wasserlassen erhoben, in Wirklichkeit wurde aber das Sammeln des Urins besteuert. Der wurde nämlich dringend gebraucht, weil die Römer keine Seife kannten, also möglichst angegammelten Urin brauchten, um Wäsche zu reinigen. Die Wäschereibesitzer mussten nach dem Willen des findigen Kaisers das Sammeln des benötigten Rohstoffes versteuern.

Seitdem Pantalone Steuern entrichten musste, ist ein Teil auch seiner Zwangsabgabe an den Staat dafür verwendet worden, Autobahnen zu bauen. Eine einmal gebaute Straße wird jedoch häufig benutzt, nach einem gewissen Zeitraum ist eine Reparatur ggf. eine Grundsanierung notwendig, ergo muss weiter gezahlt werden. Jedoch beschädigt selbst häufiges Pinkeln in die Urinale der Raststätten diese Geräte nicht. Gleichwohl wurde dafür seit mehr als einem Jahrzehnt eine Abgabe erhoben, die als Benutzungsgebühr kaschiert wurde. Bei der Änderung wurde dem mündigen Bürger vermittelt, er könne das Entgelt wieder dadurch wettmachen, dass er danach für die dabei errungene Pissmarke im gleichen Wert bei der Raststätte etwas erhalten könne, so als sei der mündige Bürger ein Durchlaufapparat, der alsbald nach der teilweisen Entleerung wieder aufgefüllt werden müsse. Das Ganze sei also – so die bemäntelnde Argumentation damals – kostenneutral.

Festzustellen bleibt, nunmehr müssen € 0,75 entrichtet werden, von denen nur € 0,50 in der Form von Cappuccino erstattet werden.

Insgesamt bleibt also festzuhalten:
1.
Der Staat hält den mündigen Bürger für ein vergessliches Wesen, weil er sich nicht mehr an sein Versprechen bei der Einführung der „Gebühr“ erinnern wird.
2.
Der mündige Bürger muss durch seine Steuern etwas bezahlen, nämlich den Bau von Raststätten, was dann der Staat privatisierte zum Nutzen der nun privaten Betreiber, denn Gewinne dürfen auf keinen Fall vergesellschaftet werden.
3.
Klappt dann der private Reibach nicht, sprich: ist das Pinkulatorium nicht ein lohnendes Nebengeschäft, nun einfach, dann darf der private Betreiber eben dafür nach Belieben Geld verlangen, so als habe er die Einrichtung erbaut.
4.
Da das Pinkeln an Rastplätzen untunlich ist, sind Berufskraftfahrer gehalten, die teuren Pissoire der Tankstellen zu benutzen. Nach einer Anweisung des Bundesfinanzministeriums müssen sie aber darüber Belege sammeln, damit ihnen die entsprechenden Auslagen erstattet werden können.

Schäuble fällt weit hinter Vespasian zurück. Dabei haben die Römer bei der Verrichtung ihrer diesbezüglichen Geschäfte noch zum einen freundlich nebeneinandergesessen, was unüblich geworden ist. Zum anderen konnten sie ihrer Phantasie noch nachhängen, waren doch bisweilen die notwendigen Gerätschaften anheimelnd ausgestattet, hier in der Form des Streitwagens, wie er beim Triumphzug benutzt wurde.

  
Wenn also heute die Privatbetreiber Pantalone ein Urinal zur Verfügung stellten, in den auf der Rückwand ein Schlitz mit Glasabdeckung eingebaut wäre, in den man das Bild des jeweiligen Hasssubjektes einschieben könnte, dann wäre Pantalone gerne bereit, dafür eben jene € 0,25 mehr zu entrichten, Kapitalismus muss eben ideenreich sein, wenn schon, denn schon.