Diese Pressemeldung
war am 30. November 2013 zu lesen:
„Nach heftiger
Kritik ist ein riesiger Koffer der Luxusmarke Louis Vuitton auf dem Roten Platz
in Moskau am Freitag abgebaut worden. Auch ein Kran war bei der Demontage im
Einsatz. Der neun Meter hohe und 30 Meter lange Reisekoffer mit dem
Buchstaben-Logo LV birgt einen Pavillon. Dort sollten vom 2. Dezember bis zum
19. Januar Vuitton-Koffer ausgestellt werden, die im Laufe der Geschichte
berühmten Persönlichkeiten gehörten.
Abgeordnete und Vertreter der Zivilgesellschaft hatten die Aufstellung des Koffers auf dem geschichtsträchtigen Platz in
den vergangenen Tagen heftig kritisiert und seinen Abbau gefordert. Wo der Pavillon jetzt
aufgestellt wird, war zunächst nicht klar. Im Gespräch sind unter anderen der
Gorkipark am Ufer der Moskwa oder das Ausstellungsgelände VDNch im Norden der
russischen Hauptstadt. Der Erlös aus dem Kartenverkauf für die Ausstellung soll
komplett an die Stiftung Naked Hearts des russischen Models Natalja Wodjanowa
gehen, die sich um benachteiligte Kinder kümmert.“
Diese Nachricht enthält fast
alles, was unsere Zeit ausmacht, Gier, Unverfrorenheit, Verlogenheit und Beschwichtigungsbestreben.
Die Produkte des Unternehmens
LV sind gediegen, jedoch maßlos überteuert. Die Differenz zwischen einem realen
Marktwert und dem Verkaufspreis wird dafür erbracht, sich anschließend mit dem Produkt
zu schmücken. Schon seit langem hat eine Umkehrung stattgefunden, nicht der
Hersteller einer Ware kann froh sein, dass ein berühmter Kunde sein Produkt
öffentlichkeitswirksam (was für ein scheußliches Wort!) benutzt, sondern der
Kunde glaubt, sich über seine Mitmenschen dadurch erheben zu können, dass er
eine sogenannte Markenware verwendet. Dottore hat dieses schäbige Streben
erstmals wahrgenommen, als Autobesitzer begannen, ihr „heiligs Blechle“ mit
Castrolaufklebern zu verändern, denn, wer solch teures Motoröl benutzte, hatte „Moos“.
Dass man durch das Anschleimen an eine Markenware, die sich durch ihre Typik auszeichnet,
selbst zum Typ wird, also gerade dadurch die Restbestände seiner Individualität
verliert, „das fällt den Toren niemals ein.“ Ideale Kunden für solche, die
Existenz erhebenden Produkte sind Neureiche, an denen es in der früheren Sowjetunion
nicht mangelt. Daher ist es nur konsequent, dort die Gier nach solcher Ware
anzuheizen.
Schon zu früheren Zeiten
hatte ein anderer französischer (Klein)Unternehmer den Versuch unternommen, den
Roten Platz in Moskau für sich zu privatisieren, Gilbert Becaud, der eine offenbar
an Weihnachten geborene Dame besang. Da nun aber der Kapitalismus nicht mehr
Kreide fressen muss, um sich Gehör zu verschaffen, ging das andere französische
Unternehmen im Jahre 2013 impertinent vor, wobei es angesichts der Größe des
Koffers noch verwunderlich ist, dass nicht gleich das Leninmausoleum mit eingepackt
wurde.
Nun wäre eine reine Warenrepräsentation
an dieser Stelle doch schon etwas zu aufdringlich, das Vorhaben musste
kulturell abgesichert werden, was ist da besser als eine Ausstellung. Zu sehen
wären wiederum nur Produkte des Unternehmens gewesen, die mit dem letztlich
nicht sichtbaren Signum verknüpft sind, irgendjemand, dem man das Attribut
prominent zuerteilt hat, habe dies Behältnis benutzt. Unter uns: Ob die
Besichtigung einer Tasche, in der Hemingway seine Whiskyflaschen mal
transportiert hat, ein kulturelles Ereignis ist, erscheint nicht naheliegend,
trotz des Nobelpreises für den Konsumenten der geistigen Getränke.
Aber der kulturelle
Schutzschirm reicht nicht ganz aus, es muss noch etwas Soziales dazu. Also wird
der Erlös der eintrittspflichtigen Verkaufsausstellung an die „Nackten Herzen“ gespendet,
wer wird nicht dafür sein, dass armen Kindern geholfen wird. Reizend und
verkaufsfördernd ist auch das Verhalten des Models aus Russland, das solch eine
Stiftung betreibt. Jegliches schlechte Gewissen über den eigenen Luxus wird
dadurch getilgt.
Letztlich ist Dottore wieder
einmal enttäuscht, weil all das Unterfangen so schäbig und offensichtlich ist.
Er will, wenn schon, raffiniert und intelligent beschissen werden. Daher ist er fast
mehr in seiner Eitelkeit („Für wie blöd halten die mich denn?“), denn in seiner
politischen Haltung berührt. So erwarten denn alle froh die Renaissance des Koffers
im Gorkipark, wobei eine Verwandlung des Unterfangens in einen „Gorky Park“
eine interessante Variante wäre.
Auch Pantalone ist ausdrücklich
damit einverstanden, dass diesmal kein Bild, etwa gar des Koffers,
beigefügt wird.
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