„Sag mal, Dottore, warum kann
man auf den Bildern aus Ägypten bisher nie irgendwelche Altertümer sehen, es
gibt doch sehr viele solche Photographien, so die wunderbare Serie von der
Reise des brasilianischen Kaisers in das Land?“
„Also, ich bin westeuropäisch
orientiert, obwohl es korrekterweise okzidentiert heißen müsste. Wir reden hier
vom Untergang des Römischen Reiches und meinen damit die Absetzung des
Kaiserchen Romulus Augustus im Jahre 476. Im gesamten östlichen Mittelmeerraum
versteht man das nicht, dort ist es endgültig erst 1453 untergegangen, wobei
sich die osmanischen Sultane bisweilen noch als die Nachfolger dachten. Die
Welt auf der anderen Seite des Meeres, das man früher das mittelländische
nannte, ist mir, soweit sie nicht griechisch/römisch/germanisch geprägt war,
fremd geblieben, bis heute kann ich zwischen Bauwerken aus der, sagen wir mal,
21. Dynastie und der Ptolemäerzeit nicht unterscheiden, sicherlich ein Mangel,
aber er bedingt die Distanz, eben auch zu den Abbildungen.“
„Was sind denn Bilder aus dem
Ägypten des 19. Jahrhunderts, die Dir besonders gefallen, abgesehen von den
bisher gezeigten?“
„Am einfachsten ist es, ich
greife in den Speicher, auf die Gefahr hin, dass die Photographien nicht durch
Dich optimiert werden.“
„Sei´s drum!“
Das erste Bild ist auch fast
das älteste. Maxime du Camp und Gustave Flaubert reisten 1850 nach Ägypten, der
zweite machte dabei so richtig eine mitleidslose „Grand Tour“, der Bürgersohn
infizierte sich prompt mit Syphilis. Aber die Aufnahme von du Camp ist fast
zeitlos. Die weißen Bereiche auf dem Bild sind Gipsreste, die von einem
ungekonnten Abdruck des Kopfes zeugen. Der Sand ist verweht, das Denkmal
versetzt.
Das Studium des Korans ist
ein langwieriges Unterfangen, die Studenten lernen so nebenbei auch noch Recht,
das in vielen Religionen mit der Theologie verknüpft ist. Die Trennung dieser
Sparten von Lebensrichtlinien ist eine Errungenschaft der Aufklärung, die im
Islam noch nicht einmal begonnen hat, bei den strenggläubigen Juden ist sie verpönt.
Weil also das Studium so lange dauert, leben die Studenten in der
Ausbildungsstätte, die in oder nahe bei einer Moschee ist, hier der berühmten
El Azar Moschee. Liegend, hockend, sitzend, stehend lesen und diskutieren sie,
Leben und Ausbildung sind Eins. Das hat Bonfils treffend eingefangen.
Dies ist die älteste Pyramide
Ägyptens. Zu der radikalen Form hat man sich noch nicht aufgeschwungen,
eskalierend tastet sie sich gen Himmel. Noch ist das Umfeld des Bauwerks nicht
durchsucht, noch sind die erhofften Geheimnisse bewahrt. Bei großer Pixelzahl
sind die Steine sogar der obersten Stufe erkennbar. Die Attribute, mit der man
die Schärfe einer Photographie bezeichnet, stammen aus einer vorhergehenden
Wiedergabemöglichkeit der Wirklichkeit, dem Kupferstich. Nicht nur die Bilder
von Callot sind gestochen scharf, auch diese Aufnahme von Sebah kann sich mit
diesem epitheton schmücken.
Dieses Bild zeigt, dass
bestimmte Probleme Ägyptens nicht erst als Folge des Nasser-Staudamms
auftreten, sie waren schon früher da: Dottore meint die Gefahr der
aufsteigenden Salze. Diese steigen in der Feuchtigkeit des Bodens auf und an
der Oberfläche zersetzen sie den Stein oder machen die Erde unfruchtbar. Heute
ist an den Altertümern diese Wunde überschminkt. Dottore kann sich nur auf
simples „Gefallen“ bei der Betrachtung dieser hintereinander gesetzten Tore
berufen. Das vordere Tor soll ptolemäisch sein, im oberen linken Bild in Höhe
des Türsturzes sollen Ptolemäos III. und Berenike II. vor Chons und Hathor
Weinkrüge opfern, Dottore muss es glauben. Jedoch der Sonnenvogel ganz oben, um
dessen Erkennbarkeit das Bild so aufgehellt ist, den liebt er.
Die Lektüre des Korans ist
auf Deutsch eher langweilig, auf Arabisch soll es auch ein ästhetisches
Vergnügen sein. Das Verbot der Bilder hat mit dazu beigetragen, dass im
moslemischen Bereich die Schrift so verherrlicht wurde. Auf den inneren Bögen
der Moschee Ibn Toulun sind Schriftzeichen ornamental angebracht, wobei sie
nicht nur schmücken, sondern auch verkünden, gegenüber der römischen
Ornamentüberladung ein Fortschritt der Menschheit. Das Gespinst von Licht und
Schatten ist heute nicht mehr zu bewundern, es gibt dem Bild Strenge in die
Ruinenromantik hinein.
Das ist ein modernes Bild, es
zeigt den Platz der Plätze in Kairo. Wenn man wie Dottore über die Grand Tour
der Urgroßväter herzieht, darf man die eigene Gegenwart nicht genauso
übergehen, wie dies die Ahnen machten. Möge Ägypten, in dem der Monotheismus
geboren wurde samt seiner Kehrseite, der Intoleranz, seine Staatlichkeit
bewahren, möge es zu einem Nebeneinander der Ethnien und Religionen finden, der
für Arabien vorbildlich sein könnte, möge es die Kraft zum Aufbau einer eigener
Wirtschaftsmacht entwickeln, wenn es dann noch bei diesen schon großen
Anstrengungen den Weg zur Demokratie einschlagen kann, es wäre wunderbar.
Gewünscht wird dies hier von Pantalone e Dottore.
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