Alles, was mit Schliemann zu
tun hat, ist großartig, aber zugleich auch ein wenig peinlich bis klebrig.
Monomanisch ließ er in der Erde wühlen, un(unter)(ge)brochen im Wahn, Literatur
als Historie bestätigt zu sehen, dabei hat Homer das gar nicht nötig. Seine
Vermögenserwerbe in Russland stempeln ihn zum Kriegsgewinnler, seine
Unterredung mit dem US-Präsidenten ist letztlich unbedeutend, wenn sie denn
stattgefunden hat. Sowohl in St. Petersburg, wie später in Athen kaufte er sich
jeweils eine Ehefrau, wahrscheinlich hätte er unter heutigen Verhältnissen nur
durch seinen Reichtum die Chance, Frauen anzubaggern, so vergnatzt, wie der
aussieht. Lieber Heinrich, glücklich ist anders.
Mit Sophia, seiner
griechischen Gemahlin, war er – nunmehr erlaubt – 1876 in Mykene tätig. Während
Schliemann wenigstens ein kurzes Studium der Altertumswissenschaften in Paris
vorweisen konnte, war Sophia nur des Homers kundig, also grub sie auch. Hier
ist sie am Rande der Runde der Schachtgräber zu sehen, ein Bild das schon in
dem Post von Pantalone „Fotografie, Druck und Zeichnung“ gezeigt wurde, auch
diesmal bearbeitete er die Bilder. Dieses Bild ist in früher Netzzeit aus dem Beazley-Archiv
heruntergeladen worden, nunmehr wird dort alles mit Wasserzeichen versehen, das
ist zu kurtz gedacht.
Um eine schöne, weil absurde,
jedoch in der Sache nicht gänzlich abwegige These zu lancieren, sei verraten, Coco
Chanel kannte dieses und das vorhergehende Bild. Der Entwurf der Jacke des
berühmten Kostüms stammt von dem griechischen Schneider Dimitrios Papagianis,
der damals weitläufiger Nachbar der Schliemanns in der Ermou-Straße war, nahe
des Syntagma-Platzes. Er hat seine heimatliche ostthessalische Landestracht
variiert. Coco verfeinerte es durch eine schmalere Bordüren, auch dies wäre
Schöpfung genug. Beide Bilder sind entstanden, als in Vorbereitung kaiserlichen
Besuchs der Photograph da war. Daher hat sie auch die neue Jacke an. Stolz
zeigt sich Sophia am Tor des Schatzhauses, die Arbeiter (wer baute das
siebentorige Theben?) stehen mit gehörigem Abstand im damals und bis in die
1960 Jahre noch oben offenen Schatzhaus der Klytemnästra.
Schliemann Leistung war die
Hinwendung der Altertumswissenschaften zur Wirklichkeit außerhalb der
Gelehrtenstuben. Daher schmückte sich die deutsche Archäologie mit ihm. Aber er
zeigte auch, dass polyglotte Fähigkeiten nicht Weitläufigkeit bewirken müssen. Geradezu
kümmerlich vermeint man ihn auf dem Panorama fast in der Mitte erkennen zu
können. Dieses Bild ist neu, es ist aus den Teilen zweier Bilder zusammengesetzt,
die – wo sonst auch – bei der HEIDI zu finden sind. Diese beiden Bilder sind
wiederum jeweils aus zwei Bildern schon vor einem Jahrhundert zusammengefügt,
es gibt ein linkes Drittel, ein rechtes Drittel und zwei unterschiedliche
mittlere Drittel. Während bei den Aufnahmen sich keiner der anderen Menschen –
schon wegen der längeren Belichtungszeit, aber auch wegen der kunstvollen
Komposition der Darstellung – bewegen durfte, rauschte die Madame zwischen zwei
Aufnahmen von der Mitte an die Seite vorn. Pantalone ist bekanntlich mein Antipode,
seit dreihundert Jahre polemisiere ich vergebens über ihn und sein Handeln, von
seinem Denken – schweigt man besser. Aber so eine gewisse Bosartigkeit schätze
ich an ihm, so eben auch deren zwangsläufige Folge, dies Bild. Er hat die
jugendliche Matrone zweimal auf dem Panorama, gleichsam als Belohnung für die
Heirat mit dem Trockebrötche, wie man Heinrich in Südhessen bezeichnen würde. Sophia hatte die Fähigkeit zur Bilokalität.
„Und, Pantalone, was meinst
Du?“
„Bosartige aller Länder
vereinigt Euch!“
Trotz der scheints naturgegebenen Abneigung zwischen Pantalone
und Dottore sind sich beide einig, dass es zwischen ihnen zu genaueren
Absprachen und gegenseitiger Information kommen muss. Wären sie „politisch
korrekt“, so gäben sie vor, betroffen zu sein, aber es geht ihnen lauwarm am Arsch
vorbei, insoweit also auch einig.
Nachtrag:
Pantalone zwingt Dottore zu einer Korrektur, der er sich nicht
widersetzen kann. Zudem hat er recht, man muss schon genauer hinsehen.
In dem Triptychon ist zum einen Madame Schliemann aus dem
linken Bild gezeigt, es ist wohl die einzige reale Abbildung von ihr auf dem
gesamten Panorama.
In der Mitte ist die Stelle zu sehen, die in dem
Ausgangsbild gezeigt wird, aus dem der vorgehende Ausschnitt stammt. Dass man Menschen
zwingt, einige Zeit still zu stehen wie die Ölgötzen, ist nachvollziehbar, aber
Pferde tun dies nicht, es sei denn, sie sind für Hollywood-Western trainiert.
Zu achten ist auch auf den Schatten, den der beim Schliemann´schen Umgraben
verschonte Stein wirft.
Das rechte Bild versteht sich nun von selbst: Das Pferd hat
seine Hinterbeine nicht bewegt, Madame Schliemann wirft keinen Schatten, nur
wenn sie Schlemihl hieße, wäre es verständlich.
Ergo:
Die Annahme, die Gesamtbelegschaft habe sich zwischen den
Aufnahmen nicht bewegen dürfen, ist falsch. Madame Schliemann stand während
aller drei Bilder am gleichen Ort, ihre Bilokalität ist durch die Höflichkeit
und Fähigkeit des Photographen bedingt; höflich, weil es das „schwere
Fahrgestell“ der Madame diskret hinter dem Stein verbergen wollte, fähig, weil
er die Folgen des Sonnenscheins, auch im Spätjahr, nicht bedachte.
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