Von der Sultan Hassan Moschee
geht man ungefähr zwanzig Minuten in nördlicher Richtung, um an die Moschee des
Sultans Al Moayed zu gelangen. Die Verliese in einem solch warmen Land wie Ägypten
sind nicht modrig und rheumatogen ausgestattet, sondern ungeziefrig und stickig.
In solch einer Zwangsbehausung saß der spätere Sultan und litt. Er schwor,
komme ich hier einmal heraus, dann soll hier eine Stelle der Heiligkeit und Annehmlichkeit
entstehen. Auch viele Kirchen verdanken solchen Gelöbnissen ihre Existenz, so
beispielsweise die drei Rundkirchen in Grünfeldhausen, Oberwittighausen und Standorf,
die wahrscheinlich von glückselig heimgekehrten Kreuzfahrern gestiftet wurden,
beeinflusst von der Grabeskirche zu Jerusalem. Al Moayed war wohl nicht ganz
unschuldig in dies Verlies gekommen, er war ein umtriebiger Mann: am
gewaltsamen Ableben seines Vorvorgängers war er nicht unbeteiligt, seinen
Vorgänger hat er nach wenigen Monaten abserviert, also ein Mann mit Qualitäten,
mit dem man nicht hätte befreundet sein mögen.
Bei der Betrachtung der
Kirche im Gewusel der Straßen Kairos fällt zuerst auf, dass die beiden
Minarette sich nicht unmittelbar an der Moschee erheben, sondern sich auf dem
daneben stehenden Tor errichtet wurden, dem Bab Zuweyleh. Dottore vermutet, das
nicht mehr präsente Verlies wird sich in dem Torbau befunden haben. Die roten
Pfeile zeigen die Blickrichtungen der Bilder von auf, die David Roberts von dem
Komplex malte. Sie folgen.
Der Grundriss gibt den
gegenwärtigen Zustand der ab 1412 gebauten Moschee wieder, dabei sind:
Rote Punkte die Minarette
Hellgrün Zugangs- und
Vorbereitungsörtlichkeiten
Violett Begräbnisstätten
Rot Mihrab, Minbar und die beiden
Vorleserlogen
Hellblau Freiraum
Dunkelgrün Gebetsräume
Diese Moschee ist die letzte
in Kairo, die noch mit einem inneren Freiraum gebaut wurde, das Erbe der frühen
arabischen Moscheegestaltung; die umgebenden Gebetsräume sind nicht
überkuppelt, sondern bestehen aus langen Arkadenreihen, die parallel laufen,
aus statischen Gründen lediglich mit Holzbalken verbunden sind, die Dachabdeckung
geschah ebenfalls durch Balken aus Holz. Die Außenwand hinter dem Tor nimmt
noch die Richtung der alten Stadtausrichtung auf, ist aber im Inneren auf den
Mihrab ausgerichtet. Die strenge Vorgabe der Ausrichtung der Gebetsnische nach
Mekka hat unter anderen dazu geführt, dass die arabische Astronomie sich stark
entwickelte und lange Zeit führend in der Welt war.
David Roberts, dessen Bilder
im Grunde genommen kolorierte Zeichnungen sind, ist um diesen Komplex offenbar
lange herumgeschlichen und konnte sich nicht satt sehen. Aber er hat nicht nur
geschaut, sondern auch in Skizzen festgehalten, was er sah. Dies muss die Imame
seinerzeit so beeindruckt haben, dass sie ihm gestatteten, auch in den Moscheen
seine Arbeit fortzusetzen, damals (in den 1830er Jahren) eine Ausnahme.
Hier nun ist er durch das Tor
gegangen, rechter Hand steht die Moschee, zwischen ihr und der
gegenüberliegenden Häuserzeile tobt der Bazar, eigentlich überall, wenigstens
nach den Bildern des Herrn Roberts. Beide Minarette haben zu dieser Zeit noch
einen weiteren Aufbau oberhalb des zweiten Balkons, der ihnen in den
Folgejahren zeitweise abhanden kommt, wohl durch ein Erdbeben, vermutet Dottore.
Die Bazarsituation scheint
aber nicht nur von Roberts hinein gemalt worden zu sein, denn als der anonyme
Photograph von fast gleicher Stelle sein Bild auslöst, herrscht ebenfalls
Treiben auf der Straße. Rechts am oberen Bildrand sind die Streifen der Moschee
zu erkennen, die Minarette sind kürzer geworden, geblieben sind die
Musharabies, die in Zeiten vor der Klimaanlage das Leben im Sommer einigermaßen erträglich machen.
Nun wieder nach draußen, außerhalb
des Mauerkranzes, der von dem das Tor begrenzt wurde. Das Tor war mit der Mauer
nach den Jahren nach 1000 gebaut worden, ungefähr gleichzeitig mit der Moschee
Saleh Talaï, vor der der Maler gestanden haben muss, als er dies Bild
skizzierte. Da es jedoch solch einen großen freien Platz dort nicht gibt, hat
sich Roberts über die lächerliche Realität hinweggesetzt und uns damit einen
Blick ermöglicht, der eben imaginär ist.
Da waren Robertson und Beato
doch sehr viel beschränkter, als sie ca. 30 Jahre später auch die Türme aufnehmen
wollten, sie mussten mit der sich ihnen darbietenden Wirklichkeit zu recht
kommen. Die Türme hatten zu ihrer Zeit noch die bisherigen Stockwerke über dem
zweiten Balkon, diese waren massiv gemauert. Den Boden der Gasse scheint eine
verschwommene Masse zu bedecken, dies sind die Schatten der sich viel zu rasch
bewegenden Lebewesen. So ist denn nur dem am Haus lehnenden Turbanträger eine
zeitlose Existenz gewährt, so lange eben, wie dies Bild oder dessen Daten
bestehen.
Die gleiche Straße, nur erheblich
später. Als Bonfils dieses Photo macht, haben die Türme wieder neue Stockwerke
erhalten, diesmal aus Säulen bestehend. Das Bild ist im Netz schmaler,
Pantalone hat es in die Breite gezogen; das Format war durch das Unterfangen,
stürzende Linien zu vermeiden, zu schlank geworden, Photoshop kann 2013 mehr
als die Dunkelkammer 1885. Unschärfen, die offenbar beim Scannen entstanden
sind, konnten kaum beseitigt werden.
Selbstverständlich kann unser
Liebling, die Sebah-Sippe, nicht fehlen. Zu deren Zeit gab es nördlich der
Citadelle einen langgestreckten, aus Felsen bestehenden Hügel, von dem aus Pascal Sebah ein Panorama
aufnahm, das zuvor in einem anderen Post gezeigt wurde. Dies ist eine
Vergrößerung aus dem Bild „N.° 4 C Vue Panoramiques du Cairo“. Zeitlich muss es
zwischen dem von Robertson und Beato und dem von Bonfild gemacht worden sein,
Zerstörungen durch Erdbeben sind perverser Weise manchmal doch nützlich. Das den
Moscheen in Kairo eigene schmale, hohe Tor ragt über das Häusergewirr heraus.
Als sich der Sohn Jean Pascal
daran macht, von identischer Position einen Panoramablick über die Stadt
herzustellen, war der Wiederaufbau des westlichen Minaretts vollendet, das
andere eingerüstet. Vater und Sohn Sebah standen jeweils auf dem heute mit dem
Al Azhar Park überzogenen Hügel, und zwar an dessen höchstem Punkt, heute ist
dort ein Restaurant gehobener Güte. Immer noch grenzt der Hügel an die
Stadtmauer, eine andere als die, in der das Tor Bab Zuweyleh den Zugang regeln
konnte.
Nach der Vorarbeit von David
Roberts waren dann später die Moscheen offen, so nahm Lekegian die Moschee auf
und zwar vom Innenhof aus in Richtung Mihrab. Damals trennte ein Gitter den
Innenhof von den Gebetsräumen ab. Hinzuweisen bleibt, dass auf dem Bild keine
Vorleserloge, kein Dikkat al-muballigh, sichtbar ist, die nach dem Grundriss
zwischen Innenhof und Mihrab steht. Sie ist offenbar ein in jüngster Zeit bei
der letzten Restauration gemachter Einbau.
So war es denn – wieder etwas
später – für Bonfils ein Leichtes, die Gebetsnische der Moschee aufzunehmen.
Obwohl noch keine dieser scheußlichen Renovierungen vorgenommen worden war,
strahlt aus dem Bild die handwerkliche Perfektion der Erbauungszeit. Die
Moschee war wirklich zu einem Ort geworden, der heilig und angenehm geworden
war – entsprechend des Gelöbnisses des Stifters und Grabherrn.
Letztlich nun musste die
Moschee eine für die Orientalen so gehandhabte Erneuerung über sich ergehen
lassen, deren Leitsatz eben ist, nur das perfekte Neue ist schön. Die
Geschichte eines Bauwerks wird eliminiert, weil Gebrauchspuren oder gar
historisch bedeutsame Beschädigungen strikt beseitigt werden, so kurzsichtig
wie die Vertuschung der „Plombe“ am Kölner Dom. Während hier uneinsichtiger
Klerus das bewirkt, ist es in Kairo die mangelnde Trennung von Staat und
Religion, wobei dort sogar die Religion der Ureinwohner, der namengebenden
Kopten, negiert wird.
So taucht denn auf neueren
Bildern plötzlich in der breiten Arkade vor der Gebetsnische eine Vorleserloge
auf, die es eben zuvor dort nicht gegeben hat. Nun werden auch in katholischen
Kirchen mit kunsthistorischem Gewicht Altäre an Stellen errichtet, die zuvor
frei waren, nur um dem 2. Vaticanum Folge zu leisten. Gotteshäuser sind
eben keine Museen, was ihnen übrigens gut tut. Nur benutzte Gotteshäuser
strahlen die Spiritualität aus, die es in ihnen geben muss.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen