Im Jahre 1872 hat Mark Twain die
unendlichen Mühen der Besteigung des Riffelberges in gesetzte Worte gefasst,
heute noch lesenswert, übrigens leicht über Der Spiegel und Gutenberg. Er
benötigte mit seinem Freund 196 Träger, davon je fünf für sich und „Harris“. Sieben
Jahre später erschienen von ihm seine Erlebnisse der Zeitverschiebung bei dem
Versuch, vom Rigi-Kulm einen Sonnenaufgang zu erhaschen. Der große Spötter
hätte es an einer niedrigeren Erhebung versuchen sollen, der Cheops-Pyramide.
Der unbekannte Verfasser erklärt
es in seinem Reisetagebuch:
Ascent of Great Pyramid Cheops
The blocks are upwards 3 ft. in
height + the traveller will find the assistance of guides acceptable. Escorted
usally by 3 Beduine, one holding each hand and a third who pushes behind the
traveller begins the ascent oft he large granite blocks. The space at the top
measures 12 sqr. yds. in area, so that there is abundant room for a large party
of visitors.
Diese Beschreibung stammt von William Vaughn Tupper, der
1892/3 das Untere Ägypten besuchte. Er reiste ohne eigene Kamera und hat – wie
damals üblich – die Bilder der jeweiligen Reisephotographen erworben, hier ein
Bild von J.P. Sebah. Der bildungsbeflissene Börsenmakler hat kundig und
umsichtig seine Reisen dokumentiert, wenngleich auch seine Schilderung einer
Besteigung der Cheops-Pyramide doch an seinen großen Landsmann erinnert:
Two Bedouins are necessary and three are desirable for each
person who climbs the Pyramid. The accompany pictures give same idea oft he size
oft he blocks and the difficulty of surmounting them. At the top is a space
about 30 feet square. The view is unique.
Immerhin pro Kopf zwei weniger als bei Mark Twain.
Der Drang der Touristen, die Pyramide besteigen zu wollen,
war damals für viele Ägypter Garant für ihren Lebensunterhalt. So lungerten an
den Kanten des Weltwunders zahlreiche Einheimische in Erwartung, ihre Dienste
an den Mann oder an die Frau zu bringen.
Auf dem Bild von Bechard sieht man unten den
zeitungslesenden Chef der Schlepper. In der Mitte werden zwei Besucher
„standesgemäß“ von jeweils zwei „Beduinen“ heraufgeschleppt, während der dritte
schon auszuruhen scheint. Unter ihm steht die wohl dazugehörige Dame auf dem
vierten Quader und weiß nicht, ob sie sich weiterschleppen lassen soll.
Schnell ging den Reisenden auf der Grande Tour die Puste
aus, es war daher notwendig, vom Zweier in den Dreier überzugehen,
Körperertüchtigung war damals nur ein Spleen junger englischer Adliger.
Aber abgesehen von der angebrachten Fitness fehlte es den
Reisenden an einem, nämlich der Fähigkeit, die spärlichen Reste ihrer Würde zu
bewahren. Die war ihnen zwar „in die Hand gegeben“, aber Schlaffheit durch die
Delegation der körperlichen Arbeit an eine von ihnen als Unterklasse
angesehenen Schicht des Volkes und mangelndes Bewusstsein ihrer selbst hatten
sie unfähig gemacht, die Hürden der Reise zu überwinden; „Anmut sparet nicht
noch Mühe“ dichtete 60 Jahre später B.B., so als habe er die schlappen
Touristen gesehen. Wer sich in der Sänfte tragen lässt, sollte mindestens die
Strecke auch selbst laufen können. Aber, wenn das so wäre, dann könnten die
Revolutionen nicht klappen.
Drei der entweder mit Tropenhelm oder Fez verkleideten
Touristen lassen sich hier hinaufziehen, die gnädige Frau steht noch unten
rechts. Schade, dass es damals keine lichtstarken Teleobjektive gegeben hat,
die Stoß-Dich-Zieh-Mich-Helden hätte man gerne kurz unter der Spitze des
Bauwerkes gesehen.
Auf diesem Bild von Bonfils will einer dieser Helden
unbedingt seine kleine Tochter auf die Spitze des Bauwerks gehoben wissen, der
Papa wird’s nicht richten, allenfalls richten lassen – gegen ein tüchtiges Trinkgeld. „Warum denn nicht, wenn man
sich´s leisten kann?“ fragte Wolfgang Neuss bei der Vorwegnahme der
Wiedervereinigung – die dann genauso peinlich war, wie er es 1965 angenommen
hatte.
Doch weg von den Scheußlichkeiten der Bourgeoisie, hin zum
letzten Foto: Es war schon bei Tupper teilweise zu sehen. Sebah Sohn sieht
neben den Peinlichkeiten der Touristen die Linien der Wirklichkeit: die unklare
in der Nähe, durch Menschen betont, die klare in der Ferne, beide treffen sich
nicht im Unendlichen, sondern –
außerhalb des Bildes – 9 Meter über der abgeplatteten Spitze der Pyramide. Zu
Recht mag Dottore diesen Photographen.
Und heute: Es ist verboten, auf die Pyramide zu steigen,
aber drei Russen haben es doch geschafft, ihr Bericht in der FAZ vom 13.06.2013:
„Es war schwieriger als wir
dachten. Witalij, unser Freund Marat und ich kamen am 18. März tagsüber auf das
Gelände der Pyramiden, zusammen mit den Touristenhorden. Eine halbe Ewigkeit
sind wir unten auf und ab gegangen und haben auf die Dämmerung gewartet. Abends
wird dort eine Licht-Show gezeigt. Es sind sehr viele Sicherheitsleute und
Polizisten auf dem Gelände. Irgendwann kam aber ein unbeobachteter Moment, und
wir konnten den Aufstieg beginnen. Wir sind einfach so schnell und geräuschlos
wie möglich hinaufgeklettert. Es war kühl, wir hatten extra Handschuhe
mitgebracht und auch ein Mittel gegen Mücken, weil wir gelesen hatten, dass es
dort viele geben soll. Aber es flog nicht eine einzige umher. Der Aufstieg hat
rund 20 Minuten gedauert, die Große Pyramide ist fast 140 Meter hoch. Man muss
sich das vorstellen, als würde man eine große Treppe hinauf steigen, wobei jede
Stufe einen Meter hoch und mit Staub bedeckt ist. Manche sind auch nicht ganz
fest. Es war ziemlich anstrengend.“
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