Am östlichen Stadtrand erhebt sich als Vorstufe zu den
Moqattamhügeln die sogenannte Citadelle. Zu deren Füßen breitet sich in westlicher
Richtung die muslimische Altstadt aus. Noch ans Schienbein gelehnt erhebt sich
dort die mit zwei Minaretten versehene Sultan Hassan Moschee.
Wer beim Anblick dieses – natürlich von Sebah stammenden – Bildes
vermutet, der Gottesdienstraum sei unter der Kuppel, ist auf die osmanische
Kuppelmanie hereingefallen. Denn der Baukörper „Kuppel“ ist eben nicht
spezifisch muslimisch, sondern dessen Übernahme aus der byzantinischen Architektur ist dem
Bestreben der Osmanen zu verdanken, sich mit imperialen Bauten auszuzeichnen.
An der Pracht der Hagia Sophia konnten sie nur teilhaben, wenn sie an deren
Wunder mitwirkten, was dann auch Sinan prächtig konnte. Die Übernahme
westlicher Bauformen erstreckte sich bei den Arabern – außer beim Felsendom in
Jerusalem – nicht auf religiöse Bauten; die mit Säulen in viele Schiffe unterteilte
arap çami war lange Zeit die Leitform, in Kairo an der Amr Moschee am besten zu
begreifen. Aber auch an diese Form hält sich die Sultan Hassan Moschee nicht.
Der große, mit hohen und massiv wirkenden Mauern umschlossene Baukörper enthält in seinem
Innern insgesamt 6 verschiedene Bereiche:
Die grün markierte Fläche ist die eigentliche Moschee, die
vier mit kleinen Räumen ausgestatteten Bereiche sind Rechts- und Koranschulen,
der runde, überkuppelte Raum birgt das Grabmal des Stifters und Namensgebers.
Die größte, im Schnittpunkt gelegene Fläche ist im Grunde
kein Raum, da er keine Überdachung hat, allenfalls durch die umgebenden Wände
und die angrenzenden anderen Bereiche gewinnt er selbst an Saalcharakter. Die vier an ihn grenzenden Räume sind
sogenannte Iwane (oder unter Mitbenutzung des arabischen Artikels Liwane), überwölbte, jedoch nach einer
Seite offene Bereiche. Sie gibt es in mesopotamisch/persischen Gebieten spätestens
seit der Partherzeit. Diese Bauform, also ein rechteckiger Freiplatz mit bis zu
vier angrenzenden Iwanen, ist spezifisch persisch, sie konnte sich nach der
arabischen Eroberung im Sakralbau behaupten. Der hellere Fleck im Innenraum auf
dem Bild wird von dem Dach des Brunnens gebildet.
270° des Hofes konnte der Fotograf hier zu einem Panorama
zusammenbringen, dieser Rundumblick leidet jedoch an dem tiefen Aufnahmepunkt,
selbst mit einfachen Hilfsmitteln sind die stürzenden Linien nicht zu
beseitigen, aber wenigstens die Außengeraden stehen nun senkrecht. Da die
weißen Dreiecke abgeschnitten werden müssen, weil wir uns an rechteckige Bilder
gewöhnt haben, wird damit auch ganz rechts ein logenartiger Bauteil wegfallen.
Lekegian hat den rechten Iwan seinerzeit aufgenommen; man
kann Mihrab und Minbar sowie diesen eigenartigen Balkon erkennen. Die
Gleichheit aller Muslime vor Allah verbietet im Grunde eine Hervorhebung einzelner
Gläubiger. Im Osmanischen Reich wurde eine Ausnahme für den Sultan gemacht, zu
leicht konnte er in der Masse der übrigen Beter einem Attentäter zum Opfer fallen,
also durfte er sich aus Sicherheitsgründen auf den Mahfil separieren. Eine
weitere Ausnahme wurde denjenigen zugestanden, die durch Vorlesungen aus dem Koran
von der Menge sich unterschieden. Diese nahmen auf dem im Arabischen dikkat
al-muballigh genannten Loge Platz, auf dem Bild durften zwei Vorleser oben
sitzen.
Die Mitglieder des Sebah-Familienunternehmens haben zu
verschiedenen Zeiten immer wieder dieses Brunnenhaus aufgenommen.
Daher hat dann auch Bonfils das Objekt für würdig erachtet,
hat aber durch die Lichtführung eine sehr intime Aufnahme geschaffen, offenbar
die beste von allen.
Die folgende wird allgemein den Brüdern Zangaki zugeschrieben,
sie ist vom fast identischen Platz aus gemacht. Man kann die Unterschiede daran
erkennen, wenn man der herabhängenden Schnur in der Mitte folgt: Die arabischen
Schriftzeichen des Bandes um das Dach (übrigens bedeuten sie ALLAH) werden an
anderer Stelle überdeckt. Auch ist dieses Foto durch das starke Licht von oben banaler.
Das von David Roberts gemalte Bild aus dem ersten Drittel
des 19. Jahrhunderts besticht gegenüber den monochromen Bildern nicht nur durch
seine Farbigkeit. Seine Lebendigkeit nimmt einen mit in den abgebildeten Gottesdienst,
eine fremde Welt wird einem nah.
Was lag also näher, als durch eine Verbindung der Bilder ein
wenig Zauber in das Panorama zu bringen. Der weißbehemdete Tourist verlor noch
seinen Scheinbuckel (das Hemd seines Nachbarn!), die überall hin wabernden
roten Plastikstühle wurden weggeräumt, die Touristenfamilie verschwand ganz im
Torbogen, der Brunnen aus dem lieblichen Bild nahm in der Mitte seinen
angestammten Platz ein.
Fotografie kann viel, aber nicht alles.
Frage an den Leser: Wer hat die Unterschiede in der
Gestaltung der Fenster im Obergeschoss des Brunnens bemerkt? Auf dem frühesten
Bild von Sebah, dem des Malers David Roberts und wieder heute sind es je Seite zwei
kleine schmale und zwischen ihnen ein rundes Fenster. Auf den anderen sind
jeweils zwei längere schmale Fenster sichtbar. Das Rätselhafte daran ist, dass
irgendjemand im 19. Jahrhundert die Fenster ausgewechselt hat, jedoch das
marode Dach unrestauriert ließ. Wer weiß mehr?
Wenn man Bilder von Ägypten zeigt, dann dürfen die der Description de l´Égypte nicht fehlen; dieses Buch, eine Mischung aus Bonapartismus und Aufklärung, erschloss Europa die Fülle Ägyptens. Auch in diesem Werk gab es ein Bild des niedlichsten aller ägyptischen Reinigungsbrunnen, das nicht ausgelassen werden soll.
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