Dass ein Fotograf von einem Gegenstand nicht nur eine Aufnahme macht, ist klar. Pantalone hatte 1962 die Freude, beim Trampen von Troia bis Izmir über Assos und Pergamon über drei Tage von zwei amerikanischen Berufsfotografen mitgenommen zu werden. Dabei hat er gelernt: Das Problem ist nicht, ob hoch oder quer, sondern beide; aber aussuchen später am Leuchttisch! Insbesondere bei Studioaufnahmen werden immer mehrere Bilder gemacht, so auch von der liebenswert dreinschauenden Türkin.
Wäre Pantalone so gehässig wie Dottore, dann sagte er, das linke ist für den Ehemann gewesen, das rechte für den Liebhaber, aber wir wollen der Dame nichts unterstellen. Etwas anders ist es, wenn man durch das Gelände zieht. Sebah reiste auf den Spuren seiner Kunden auch nach Ägypten, das damals gerade das aufbaute, was man heute eine Tourismusindustrie nennt. Bildung und der Einblick in das Exotische des Orients ließen sich so schön verbinden. Die beiden monolithischen Steinkolosse, aus Quarzsandstein gehauen, standen am Eingang eines in der Antike schon verschwundenen Tempel/Grabbezirkes. Heute sehen sie so aus, als ob sie aus einzelnen Steinen gefertigt wären, die Sonne hat dem Sandstein in seine Schichten zerspringen lassen. Einige Jahrhunderte hat der nördliche, das ist der mit den heilen Beinen, bei Sonnenausgang sogar getönt. Mit der ersten Aufnahme, der linken, war Sebah auch nach häufigem Verkauf nicht mehr zufrieden, bei nächster sich bietender Gelegenheit mussten Personen zum Größenvergleich her, darum die zweite.
In den Hauptstädten des 19. Jahrhunderts, Paris, London, New York, Rom, Konstantinopel, stehen große Bratspießchen, nichts anderes bedeutet Obelisk. Die beiden Obelisken in London und New York werden mit der letzten Ptolmäerherrscherin und deren Nähutensilien in Verbindung gebracht, indes ist sehr wahrscheinlich, dass die Vorläuferin von Liz Taylor sich solcher Beschäftigung nicht hingab. Jedenfalls einer lag, einer stand in Alexandria herum. Sebah nahm den stehenden auf, ich neige dazu, ihn für denjenigen zu halten, der heute im Centralpark zu bewundern ist.
Während die Duplikate 2 und 3 in einem größeren zeitlichen Abstand aufgenommen wurden, so ist bei dem Paar 4 anzunehmen, dass der Fotograf zwischen beiden Aufnahmen nur den Platz wechselte, das linke Bild ist das bessere, die Kuppeln im Hintergrund überdecken Thermalbäder, früher bei, heute in Bursa.
Alle Aufnahmen, die hier gezeigt werden, sind zwischen dem Fang aus dem Netz und ihrer Wiederveröffentlichung verändert worden in Größe (meist verkleinert), Farbe (mit dem Versuch, eine möglichst einheitliche Sepiatönung zu erreichen), zwei Bilder, die in nur geringer Auflösung zu erhalten waren, wurden partiell „geschärft“. Derartige Veränderungen hält Pantalone für gerechtfertigt, zumal er die „Original“daten verwahrt, die Originale werden sowieso nicht beeinträchtigt. Aber begleiten wir Sebah (oder Joallier oder beide) weiter durch Bursa. Zwei Mönchen gelang es im Frühmittelalter, Seidenraupen aus China nach Byzanz zu schmuggeln, die sich danach aufbauende Seidenraupenzucht hielt bis in das 20. Jahrhundert an. Zweimal besuchte der Fotograf die gleiche Seidenspinnerei, beim zweiten Mal gab es schon eine verbesserte Beleuchtung. Die unterschiedliche Qualität der Bilder ist trotz ähnlicher Ausgangsgröße darauf zurückzuführen, dass das linke Bild abfotografiert wurde, weswegen es auch etwas matschig aussieht.
Zu Hause in Konstantinopel nahm Sebah gerne die Lastenträger auf, hier ruhen sie in ihrem Kahve- oder Çayhan aus; dies ist daran erkennbar, dass auf dem rechten Bild unten rechts die Traggestelle liegen, die ihnen überhaupt erlauben, die Last über längere Strecke zu tragen. Pantalone sah Ende der 1950er Jahre solche Träger mit ihren Traggestellen noch. Der zeitliche Abstand der Aufnahmezeitpunkte ist relativ gering, man erkennt es an der identischen Wickelung der Schnur, die wahrscheinlich zum Sonnensegel führte.
Trotz der Freude über die Eroberung Konstantinopels war und blieb der rechte osmanische Bürger doch dem Erdteil Asien verbunden. Daher strebten sie danach, auf dem Friedhof in Skutari begraben zu werden, mochte auch der Fahnenträger des Propheten in Eyüb begraben sein (Die Wiederauffindung seiner angeblichen Grabstätte aus dem 8. Jahrhundert nach 1453 könnte auch aus einer Heiligenvita stammen). Beide Aufnahmen sind wenige Minuten hintereinander gemacht, die zuvor an den großen Grabstein stehende Frau hat sich mittlerweile gesetzt, die Halbwaise guckt daumenlutschend in die Kamera.
Hamdi Bey war Maler und zugleich der erste Archäologe des osmanischen Reiches. Seine Weitsicht veranlasste ihn, Sebah einen Auftrag erteilen zu lassen, die Bevölkerungsgruppen des Reiches aufzunehmen und daraus einen Bildband zu machen, der 1873 erschien. Aus ihm stammen die meisten Bilder von Sebah, die Personengruppen zeigen, so auch diese Griechinnen (linkes Bild). Nun schwirrt im Netz noch das rechte herum, das ist aber ein illegitimes Kind des Meisters. Es wäre doch verwunderlich, wenn die gleiche Frau sich nicht ein ganz wenig gedreht hätte, der „Herrenwinker“ auf ihrer Schulter ist unverändert. Ein sich gewitzt schätzender Mensch im heutigen Griechenland wollte aus der Gruppe die mittlere Frau gesondert darstellen, also versuchte er das. Jedoch man merkt es: Die Höhe der Wandverkleidung ist bei ihm rechts und links ungleich hoch, im Gegensatz zu dem Ausgangsbild. Bei genauerer Betrachtung auf der Ebene der Pixel sieht rund um die Frau vervielfachte Kleinflächen, die Geraden bestehen aus sich wiederholenden Klecksen.
Bedenklicher ist der Versuch der Geschichtsklitterung auf den Bildern der Festung Rumeli Hisar. Die Türken neigten dann, wenn sie eine längere Belagerung erwarteten, dazu, zuerst einmal eine sog. Gegenburg zu bauen, in die man sich bei einem kritischen Punkt der Belagerung auch zurückziehen konnte. Also bauten sie vor der Eroberung Konstantinopels zuerst die Festung Anadolu Hisar, dann auf der anderen Seite des Bosporus Rumeli Hisar. Sebah turnte auf den Mauern herum und nahm die Burg von demselben Turm mit größerem Zeitabstand auf. Auf dem linken Foto ist der Bewuchs des nächsten Turmes noch niedriger, also ist sie früher. Das mittlere Bild zeigt das Bestreben eines Türken, seine Vorfahren zu modernisieren, denn um 1880 gab es solche Schiffe noch gar nicht. Er nahm das Bild links, schnitt die Signaturen ebenso ab, wie den Himmel und kopierte recht geschickt das Schiff hinein. Die Schaumkronen sind in den Zinnen sichtbar, allerdings sind die begleitenden Wellen zu sehr nach Backbord versetzt. Das rechte, spätere Foto zeigt die Begrünung der zuvor mit Steinen übersäten Fläche vor der Mauer.
Pantalone ging da harmloser vor: Die Thermalquellen musste es noch geben, der Name würde sich nicht geändert haben, wahrscheinlich ist das Badegebäude noch erhalten. Tatsächlich, nur ist es heute Teil eines Luxushotels, dessen Leitung liebenswürdigerweise wieder Aufnahmen zuließ. Pantalone kämpfte nun mit dem Wasserdampf, der immer wieder die Linsen beschlug, wie hat Sebah das aber geschafft? Nun, er war eben ein guter Fotograf, aber wir gedenken seiner.
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