Freitag, 11. Februar 2011

Leben aus zweiter Hand

Dottore lernte im Wintersemester 62/63 eine Jurastudentin kennen, die aus der Herde der werdenden Juristen herausragte, gleichsam eine EGREGIA. Gisela H. war nicht nur ansehnlich anzuschauen, sondern interessierte sich auch für Außerrechtliches. Schnell hatten sie und Dottore einander die jeweils anderweitige Bindung offenbart, nun konnte eine völlig harmlose Beziehung aufgebaut werden. Nach Ende des Semesters sah er sie nie wieder, wahrscheinlich ist sie Amtsrichterin in Ravensburg geworden.

Ihr Anderssein dokumentierte sich unter anderem dadurch, dass sie an einer anderen Fakultät ein Seminar besuchte, das sich mit den Fernsehgewohnheiten von Kindern beschäftigte. Kurz vor Ende des Semesters fragte Dottore, was denn nun in diesem Seminar als Ergebnis herausgekommen sei? Die seitdem entschwundene Gisela antwortete: „Kinder mögen im Grunde das am liebsten sehen, was sie selbst machen könnten“.

Die Richtigkeit dieser Erkenntnis wird einem tagtäglich im Fernsehen bestätigt:

Statt Sport zu treiben, wird die sportliche Betätigung anderer gezeigt.

Statt selbst anständig zu kochen, soll man ununterbrochen in die Kochtöpfe irgendwelcher Köche schauen, die aber nie Kartoffeln schälen.

Statt sich zu unterhalten, sehen sich die Zuschauer fremde Gespräche an, sog. Talkshows.

Statt selbst zu singen und zu musizieren, ….

Statt zu lesen, ….

Statt….

Das weitere mag der Leser vervollkommnen.

Zusammengefasst: Es herrscht das Leben aus zweiter Hand vor, nicht erst Spiele wie „Sims“ oder gar „Second Life“ ersetzen das eigene Leben, das gesamte Dasein der Zuschauer erscheint zunehmend als Surrogat für wirkliche Lebensgestaltung. Die Faszination des „Bewegten Bildes“ ist zu groß.

Die Kinder von damals haben ihre Gewohnheiten eben weitergelebt und sie auf ihre Kinder und Enkel übertragen, ohne sie dann selbst aufzugeben.


Pantalone meint dazu, dass leider, leider, leider, leider Dottore nun doch einmal recht habe; bei anderen Dingen sonst aber nicht! Im übrigen: Wer das Fernsehen bei sich abschaffe, der habe jeden Tag zwischen 2,5 bis 3 Stunden mehr Lebenszeit, in der er beispielsweise seinen Blog mit Posts füllen könne.

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