Im 19. Jahrhundert wurde sukzessive die Fotografie erfunden. Dabei ergab sich zuerst einmal die Situation, dass man immer schärfere und größere Bilder aufnahm, sie aber nicht drucken konnte. Heute würden wir sagen, dass die Datenmenge der Fotos zu groß war, damals schaffte man nicht die Umsetzung der Zwischentöne. Daher waren die Aufnahmen über ca. 30 Jahre hinweg nur Vorlagen für zeichnerische Umsetzungen (… nach einer Photographie von ..).
Die Reisenden des 18. Jahrhunderts zeichneten das, was sie sich behalten wollten. Die Reisenden des 19. Jahrhunderts wollten natürlich auch ihre Erinnerungen materialisiert mit nach Hause nehmen, nach Verlust Unbeschwertheit beim Zeichnen konnten sie selbst aber noch nicht fotografieren. Daher entstand insbesondere im Mittelmeerraum die Gilde der Reisefotografen, die die berühmtesten Sehenswürdigkeiten aufnahmen und dann die Bilder an die Touristen verkauften. Die Bilder wurden, weil sie meist ähnlich groß waren, häufig zu Büchern gebunden. „Reise nach Ägypten“, „Reise durch Italien“ prägten die Buchbinder auf die mit Seidenstoff überzogenen Deckel.
Diese frühen Berufsfotografen saßen in Rom, Konstantinopel oder Kairo, die meisten ihrer Aufnahmen sind sachlich und nur wegen der Entstehungszeit bedeutsam. Allerdings sind die Bilder gemessen an dem, was heute so ins Netz gestellt wird, schon sehr präzise und umsichtig hergestellt. Die Größe der Aufnahmefläche (ca. 18 x 24 cm) gewährleistet eine vorzügliche Auflösung, die Objektive waren schon berechnet, die Balgenkameras erlaubten die Vermeidung von stürzenden Linien, die Reproduktionstechnik verlangte sorgsames Herstellen der Abzüge. Die Fähigkeit, mit einem Fingerdruck den Auslöser zu betätigen, scheint heute das einzige Kriterium zu sein, Bilder zu produzieren. Wenn die Leute wenigstens anschließend in die „Elektronische Dunkelkammer“ gingen, um die erhaschten Daten aufzuarbeiten.
Fasziniert bin ich meistens von den Bildern der Sebah-Familie, Pascal Sebah gelingt es, einer 3000 Jahre Steinstatue Leben einzuhauchen, Ramses kommt einem in Luxor gleichsam entgegen. Das Bild vom Kordon in Smyrna, der von Ausländern bewohnten Straße am Meer, atmet wie kaum eine andere Fotografie das 19. Jahrhundert. Die lange Belichtungszeit gibt dem Wasser im Hafen von Piräus eine seidige Oberfläche – ohne Graufilter.
Der wirtschaftliche Druck lastete aber auch schon auf den Fotografen. Was sollte man machen, wenn die Reisenden im Heiligen Land unbedingt eine „typische“ Aufnahme vom Jordan haben wollten? Einer aus der fotografierenden Bonfilsfamilie setzte daher aus Versatzstücken ein Jordanbild zusammen, ein gar grausliches Machwerk, lange vor Heartfield. Aber nicht nur im Netz, auch schon bei den Altvorderen ging nichts verloren. Und so ist die Ausgangsaufnahme, die tatsächlich einen langweiligen Fluss zeigt, erhalten geblieben; von ihr wurde die andere Flussseite und etwas Gestrüpp von vorne verwendet.
Jedoch muss zu Ehrenrettung der Bonfilsdynastie darauf hingewiesen werden, dass ihre Aufnahmen auch so korrekt befunden wurden, dass sie in archäologischen Büchern abgedruckt wurden.
Zu den Bildern aus dieser Zeit später mehr.
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