Wie viele gleichartige Institutionen zeigt auch das Architekturmuseum der TU in Berlin alte Fotografien, die man sich im Netz betrachten kann. Sie sind in PDF-Dateien eingewoben, wobei das Herauslösen keine allzu großen Schwierigkeiten mit sich bringt.
Nun ist das Museum nicht Urheber dieser Aufnahme, sondern besitzt lediglich einen der erhalten gebliebenen Abzüge. Die Urheberschaft des Museums besteht also in der Fähigkeit, einen Scanner zu bedienen oder bedienen zu lassen. Diese führt daher weiter zur Eintragung des Copyright-Vermerkes in der Exif-Datei und der Verunstaltung des Bildes mit dem Wasserzeichen in unterschiedlicher Färbung. Wer es braucht, der muss so handeln.
Das Bild, so scheint es, ist aber nochmals im Netz zu erhaschen, ein französischer Händler bietet es an, allerdings konnte ich dessen Daten nur über print screen gewinnen. Trotz der dadurch bedingten schlechten Bildqualität kann man erkennen, dasss beide Aufnahmen vom identischen Standpunkt aufgenommen wurden, bei der mit dem weiteren Bildausschnitt sind dem Fotografen zwei Paare ins Bild gelaufen, man erkennt bei den Damen die Mode des "Cul de Paris".
Der wirklichen Urheberschaft wird versucht, Rechnung zu tragen, in der Exif-Datei ist Pascal Sebah als Fotograf eingetragen. Die Usurpation des Copyrights wird dadurch gemildert, das man dem Fotografen weitere vier Jahre an Lebenszeit schenkt, entgegen aller Quellen soll er danach bis 1890 gelebt haben. Dem lieben Sebah nützt es nur nichts mehr, zumal er nach einem Schlaganfall sowieso einige Zeit vor seinem Tod nicht mehr arbeiten konnte.
Der Zuschreibung an Sebah steht entgegen, dass er seine Bilder einheitlich zu signieren pflegte, links die Bildnummer mit Angabe des Motivs, rechts der Namen. Dies wurde auch beibehalten, als erst der Bruder, dann der Sohn das Unternehmen zusammen mit Joallier fortführten. Meist, aber nicht immer sind auf den Bildern auch Personen als Größenmaßstab abgebildet. Die Schiefe des Bildes spricht auch gegen die Autorschaft von Sebah. Beide Bilder wurden - obwohl unterschiedlich - mit der Nummer 20 versehen.
Alle alten Aufnahmen haben durch das Altern gelitten, der seitliche Lichteinfall hat chemische Prozesse trotz der Fixierung bewirkt, zuerst Dunkeln die Randstreifen ab (also keine Vignettierung), dann bleichen sie aus.
Im nächsten Schritt habe ich also die virtuellen Daten verändert, das Bild wurde einheitlich dunkler. Auch bei Wahrung des Copyrights sind die Wasserzeichen im Bereich des „Himmels“ äußerst störend, sie wurden bei der Aufhellung der gesamten hellen Flächen mit beseitigt. Maßgeblich ist aber ein anderer Umstand: Zu sehen ist rechts das Erechtheion, links liegen die Propyläen, wobei auffällt, dass ganz links die dunkle Mauer mit dem Horizont abschließt. Beschaut man sich eine wirkliche Aufnahme von Sebah von dieser Stelle, so bemerkt man dort ein hohes Bauwerk, den sog. Frankenturm. Dieser war im Mittelalter errichtet worden, als nämlich die Akropolis wieder als Festung benutzt wurde, die Propyläen wurden zu einem Schloss ausgebaut. Schliemann hat den erwünschten Abbau des Turmes finanziert, der 1875 geschah. Dieses Bauwerk wurde so weit abgetragen, bis man sicher auf den antiken Resten war, es ergab sich eine gerade Kante, keine am fernen Horizont orientierte Wellenlinie.
Die Fotografen verkauften ihre Abbildungen an die damaligen Touristen, das Bild entsprach nach 1875 nicht mehr dem tatsächlichen Zustand. Statt aufwendig eine neue Aufnahme zu machen, hat der Fotograf einfach beim Belichten auf den hellen Teil (Himmel) ein zurechtgeschnittenes Stück Karton gelegt, so dass der Turm sich nicht mehr in ganzer Höhe abbildete. So war der Schein der Wiedergabe von Realität gewahrt, wenngleich der Abbau auch den Mauerteil umfasste, auf dem der Giebelansatz zu sehen war. Etwas schäbig, aber schon früh zeigt sich eben, dass man Fotografien nie trauen darf. Ein geringer Bildflächenverlust ist auch dadurch eingetreten, dass ich es waagerecht ausrichtete.
Um nun jeder fraglichen Wahrheit wieder näher, zum anderen auch, um der Zuschreibung des Architekturmuseums entgegen zu kommen, habe ich daher aus dem wirklichen Sebahbild den Turm herauskopiert und ihn steinlagengerecht eingefügt. Aber, auch die jetzige Wahrheit ist verdreht: Die Sonne steht auf dem Bild von Sebah anders als auf dem veränderten, die langen Schatten auf der Turmfläche versuchen langbeinig der Lüge zu widersprechen. Jetzt aber ist das Bild tatsächlich ein bisschen von Sebah.
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