Der Gebrauch des Passivs ist in der deutschen Sprache seit geraumer Zeit nicht mehr erwünscht, so jedenfalls bedrängen alle Leithammel in der Presse ihre Schäfchen. Dabei sei daran erinnert, dass Hammel kastrierte männliche Schafe sind, richtige Kerle bei den Schafen sind Schafböcke.
Dies führt zu eigenartigen Formulierungen:
„Auf schneeglatter Fahrbahn geriet das Fahrzeug ins Schleudern und prallte gegen einen Baum. Der Fahrer verletzte sich schwer.“
Verletzen ist eine Tätigkeit, bei der der Handelnde die körperliche Integrität eines anderen beeinträchtigt. Bei gewissen psychischen Leiden neigen die Kranken dazu, sich selbst zu verletzen, ansonsten geschieht „sich verletzen“ durch – hessisch ausgedrückt – Dappigkeit. Diese Verwendung des Verbes „verletzen“ nennt man reflexiv. Der Fahrer in dem PKW hat sich aber gar nicht selbst verletzt, sondern er wurde Opfer der Schneeglätte (und seiner Unaufmerksamkeit). Er wurde verletzt und zwar durch die Innenteile seines Autos. Aber das schreibt man nicht.
Noch absurder wird das, wenn jemand mit einem Orden geehrt wird. Das ist nun geradezu das Musterbeispiel für Inaktivität (nach Bismarck gibt es verdiente, erdiente, erdienerte und erdinierte Orden), also müsste es heißen: Das Verdienstkreuz wurde XY verliehen. Das werden Sie nie lesen, es heißt: XY hat das Verdienstkreuz verliehen bekommen.
Immer, wenn man ein Verb in Verbindung mit „bekommen“, „erhalten“, „kriegen“ liest, dann wird mühselig Passiv umgangen. Das ist aber nun keine Macke der Medien, sondern Ausdruck der sozialen Situation. In dem gleichen Maße, in dem jeder von uns zum Objekt des Handeln der Allgemeinheit wird, in diesem Maß muss dies verleugnet werden, man ist schließlich – so die Ideologie – als individueller Bürger immer Subjekt, damit grammatikalisch im Nominativ und kann nicht in den Objektkasus des Dativ abgleiten, realitätsverleugnende Sprachgestaltung als letzte bürgerliche Fiktion.
Sprache ist eben Ausdruck eines Bewusstseins, das der Medien offenbart sich so schon leicht.
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