Als Ulbricht sagte: “Keiner hat die Absicht, eine
Mauer zu bauen!“, da war dies gelogen. Als sie dann gebaut war, kam ein
weiterer Spruch auf: „Einer dieser Mauerbauer, ist auch Konrad Adenauer.“ Nun
war das auch nicht richtig, aber nicht gänzlich falsch. Der rheinische
Häuptling hatte mit der ihm eigenen Beharrlichkeit die Westintegration
betrieben, die Situation der gesamten Nation mit den vielen nichtkatholischen
Ostlern lag ihm nicht so am Herzen. Aber, letztlich verdanken wir ihm den Beginn
der längsten Friedensperiode Deutschlands, erst Sozialdemokraten beendeten sie.
Die mangelnde Rücksicht auf die Lage der „SBZ“ - so gerierte sie sich an ihren
Grenzen - sowie der Bedarf an Arbeitskräften bedingten eine Förderung der
Fluchtbewegungen aus dem östlichen Teil Deutschlands, euphemistisch, aber
wiederum nicht gänzlich unrichtig „Abstimmung mit den Füßen“ genannt.
Wenn man nun sich der meist vergeblichen Mühe
unterzieht, aus der Geschichte lernen zu wollen, so wäre konkret wohl die
Erkenntnis zu gewinnen, man muss die Lage des Gegners verstehen wollen, um sich
vor Konflikten zu schützen.
Als der damalige Präsident unseres westlichen Nachbarlandes
laut über die Probleme nachdachte, die in den Vorstädten der Hauptstadt
dräuten, da machte er nur Werbung für Dampfstrahlreiniger deutscher Provenienz,
weiter reichte offenbar seine Erkenntnisfähigkeit nicht. Mit solchen Geräten
säubern die Bürger die Zuwege zu ihren Eigenheimen, sie entfernen damit das,
was sie als Dreck bezeichnen. Die geliebten Waschbetonplatten sehen danach
wieder aus „wie neu“. Das Verständnis des Präsidenten haben diejenigen, die
maschinell eliminiert werden sollten, sich zu eigen gemacht, es verinnerlicht.
Sie mussten sich in dieser Gesellschaft nur noch als Dreck empfinden. Das ist
ein unbehaglicher Zustand.
Der vorzügliche Stilist Ernst Jünger hat das
fundamentale Erlebnis des Krieges in dem Buch „In
Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers“ zu
verarbeiten gesucht. Heiner Müller hat über ihn gesagt: „Bevor Frauen für ihn
eine Erfahrung sein konnten, war es der Krieg.“ So ist denn auch die Figur des
Kriegers als menschliche Kategorie auf sein Werk ausdrücklich zurückzuführen.
Nicht jeder, der in den Krieg zieht oder ziehen muss, ist ein Krieger, nur wer
das aus innerem Antrieb will, kann so bezeichnet werden, das ist auch der
Unterschied zwischen Hektor und Achill, nur erster wird von einer Familie beweint.
In solch satten, saturierten Zeiten verliert man aus dem Augen, entzieht es
sich der Vorstellung der Gesellschaft, dass Krieger zu werden oder zu sein eben
Lebensinhalt werden kann. Einen Lebensinhalt zu gewinnen, sich der Faszination
des Krieges hinzugeben, macht sicherlich einen Großteil der Motivation aus, die
in ruhig geltenden Bereichen der Welt (Deutschland oder Frankreich) junge
Menschen dazu bringt, in den Krieg zu ziehen.
Wer dann noch gesellschaftlich zum Dreck erniedrigt
wird, wer in konstanter Arbeitslosigkeit oder in Beschäftigung unter Niveau
gehalten wird, der muss schon erhebliche Anstrengungen aufwenden, um nicht in
den nächsten Krieg zu ziehen, von dem er glaubt, er vollziehe sich unmittelbar
in seiner Umgebung. Daher ist Sarkozy einer derjenigen, die mit auf Charlie
geschossen haben, wir alle haben mitgeschossen, weil wir uns mit dem, was wir
zum Dreck deklarieren, nicht beschäftigen wollen. „Einer dieser Mauerbauer…“
Einsicht wäre vorhanden, wenn der heutige
Trauermarsch in Paris durch jene ungereinigten Vorstädte zöge, um dort zu versuchen, die Forderung von
1789 umzusetzen, nämlich Égalité herzustellen.
Dann wäre die Versuchung, sich als Krieger aus dem Dreck zu erheben, aufgehoben, und zudem würde eine noch viel ältere Bitte so erfüllt: NE NOS INDUCAS IN
TENTATIONEM.
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