Brecht
betrauert in seinem Arbeitsjournal vom August 1941 den Tod von Walter Benjamin,
[dessen Tod wohl auch dadurch mitverursacht wurde, dass er nicht genug und
überdies zu marxistische Arbeiten aus Paris beim Institut im sicheren New York
ablieferte]. Brecht fährt dann fort:
„und
nun zu den überlebenden! ... auf einer gartenparty den doppelclown horkheimer
und pollock getroffen, die zwei tuis vom frankfurter soziologischen institut.
Horkeimer ist millionär, pollock nur aus gutem hause, so kann nur h(orkheimer)
sich an seinem jeweiligen aufenthaltsort eine professur kaufen >zur deckung
der revolutionären tätigkeit des institutes nach außenhin<.“
In
der gesamten Frankfurter Schule ist trotz der Benutzung marxistischer Gedanken
eine nicht überraschende Leere bei der Behandlung der Basis festzustellen, eben
des gesamten ökonomischen Bereichs der Gesellschaft. Es ist doch um vieles
edler, den Widersprüchen in Literatur und Musik nachzuspüren, als in die
Niederungen einzutauchen, beispielsweise in die Beziehungen zwischen Ausbildung
und Verwertungsinteressen, allenfalls mag man sich darüber mokieren, wenn ein
Prüfling Hobbes wie ebbes ausspricht. Es war die Rebourgoisierung der
dialektischen Vernunft. So blieb Pollock der einzige Ökonom der „alten“
Frankfurter Schule, allerdings logierte er im „Grand Hotel Abgrund“, nahm an
der Pfingsttagung 1923 teil. Trotz des brechtschen Verdikts hat Pollock ein
heute noch lesenswertes Buch geschrieben mit dem nichtssagenden Titel
„Automation“. Er analysiert darin die Folgen der Einführung dessen, was heute
mit EDV oder IT oder E oder sonstwie bezeichnet wird.
Keiner
hat das Buch ernst genommen, die durch sie bedingte strukturelle
Arbeitslosigkeit wurde auch von dem Weltökonomen Helmut Schmidt großkotzig
übersehen. Sein damaliger Widerpart hat dazu im Bundestag einmal eine weise
Rede gehalten, sich aber dann selbst als Kanzler einen Dreck darum gekümmert.
Als
zu Anfang der 1980er Jahre die Vorteile der EDV im Bereich des Kleingewerbes
durch die Erfindung des personal computer offenkundig wurde, da glaubten
P&D diagnostizieren zu können, die weitere Entwicklung werde ähnlich ablaufen,
wie zuvor von Karl Marx im 13. Kapitel des „KAPITALS“ beschrieben. Charly
untersucht dort die Folgen der Einführung einer in unseren heutigen Augen
völlig harmlosen „Maschinerie“, der Nähmaschine. Im London des Jahres 1864 bewirkte
diese Veränderung in der Produktionssphäre die Arbeitslosigkeit zahlloser
Weißnäherinnen, Verdrängungsabläufe innerhalb der Arbeiterschaft, Zwang zur
Heimarbeit, manchmal sogar den Tod durch Verhungern.
Die
Verwertung der Möglichkeiten dieser neuen Geräte schien den Beruf der
Stenotypistin überflüssig zu machen, wenngleich er sich vor schon längere Zeit
zu dem der Phonotypistin gewandelt hatte. Die Umwandlung von Sprache in Text
geschähe in Zukunft mit solchen Geräten, das wäre nur eine Frage der Zeit,
dachten P&D, ein auf ungenauer Analogie beruhender Schluss. Analogien
werden leicht aufgebaut und -gebauscht, ohne dass man sich über die
grundlegenden Voraussetzungen der zum Vergleich gezwungenen Lagen klar geworden
ist.
Nicht
alles, was Maschine genannt wird, muss mit dem Begriff der Maschinerie bei Marx
übereinstimmen. Die Schreibmaschine stellt nichts weiter her als besser lesbare
Texte, die ggf. vervielfältigt werden können. In alten Grundbuchakten findet
man bisweilen noch äußerst präzise geschriebene Handschriften, eben in
Kanzleischrift, auch sie ist gut lesbar, die Vervielfältigung geschah durch
Abschreiben. Erst mit den Durchschlägen wird zur Maschine.
Die
Banalität ist, ein PC zerfällt in Hard- und Software. Der Hardware kann man
trauen, solange kein mechanischer Fehler auftritt, der aber macht sich massiv
durch Ausfall bemerkbar. Die Software ist immer nur so schlau, wie sich der
Programmierer das hat vorstellen können. Bei Knight Capital sollen am 1.08.2012
lediglich 45 Minuten fehlerhafter Software ausgereicht haben, um einen Verlust
von $ 440 000 000,00 einzufahren. Erst eine stabile Software vermag es, den PC
in die Sphäre der Maschinerie zu heben, beispielsweise eine wirklich perfekte
Spracherkennung, denn selbst eine solche mit 99%iger Sicherheit macht alle zwei
Zeilen eben einen Fehler, eine gute Phonotypistin auf einer Seite einen.
Der
seinerzeitige Fehler von P&D lag zum einen darin, den PC schlicht als
Maschine anzusehen, dann darin, die Fähigkeiten der Programmierer zum Erstellen
eines Spracherkennungsprogrammes zu überschätzen, schlussendlich aber darin,
die Rationalität des Kapitalismus höher anzunehmen als sie tatsächlich ist.
Denn betriebswirtschaftlich ist es äußerst schmählich, hochbezahlten
Arbeitskräften (Redakteure, Ministerialräte, Professoren) einen Laptop in die
Hand zu drücken, damit sie ihre Texte selbst niederschreiben. Diktierten sie,
deren Sprache dann von Menschen in Text verwandelt würde, dann könnten sie
selbst bei einem Überredigieren so viel mehr an Arbeit leisten, dass die Kosten
der Schreibkraft mitabgedeckt würde und darüber hinaus ein mehr an Wert ihrer
Arbeit entstünde. So aber sitzen in Zimmern und Stuben qualifizierte Menschen
herum, die tippen, so blöd ist der Kapitalismus bisweilen. P&D hielten ihn
für schlauer, aber man soll den Gegner besser über- als unterschätzen.
Für
Amtmann Bieber, der uns – ohne das zu ahnen – das Diktieren aufnötigte.
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