Nur die Tatsache, dass es so viele Bilder von den
Padova Freres zu erhaschen gab, war der Grund, ihre Menge vorab auf drei Posts
aufzuteilen. Während des Verfassens der Texte hat Pantalone jedoch weiter
gesucht. Weitere bislang noch nicht ins Netz gesetzte oder übersehene oder
schon ergatterte Bilder werden – chrono- und ikonologisch nicht ganz korrekt –
in einem vierten Post unterzubringen sein.
Der letzte Post über die Photographenbrüder endete
sehr royal, so soll denn dieser ebenso beginnen. Zuerst war nur Herr Stergiades,
der zum „Hohen Kommissar“ ernannte Verwalter des okkupierten Gebietes, Bewohner
dieses Anwesens in Kordelio, dem heutigen Karşiyaka. Daher lungern die Bewacher
auf dem linken Bild auch so herum. Nachdem Konstantin I. eingezogen war – man
sieht es am Wappen –, verwandelten sich die grauen Fustanellas in weiße, die
Zackigkeit nahm zu. Dottore fällt zu dem militärischen Gehabe ein: Als die
Sozialdemokraten noch der richtigen Ansicht zuneigten, sie müssten nicht ums
Verrecken staatstragend sein, da florierte unter den Genossen über die Residenz
und den Potentaten darin folgender Spruch: „Ist der Lappen draußen, ist der
Lump drinnen, ist der Lappen drinnen, ist der Lump draußen.“ Heute streben die
Sossialdemokraten nach einem Zapfenstreich, mit Fackeln versteht sich.
Das stattliche Haus ist wie fast alle Gebäude in
Karşiyaka der Bodenspekulation zum Opfer gefallen, zweifellos hatten auch die
Türken wenig Anlass, der zeitweiligen Funktion des Hauses Referenz zu erweisen,
aber abgebildet wurde es in den 1930 Jahren von der gleichen Stelle doch noch.
In relativ friedlichen Zeiten – die kriegerischen
Auseinandersetzungen fanden entfernt von Smyrna statt – haben es
Pressefotographen schwer, was sollen sie abbilden, welche Bilder können sie
verkaufen? Also verlegten sich die Padova Freres auch auf den
Postkartenvertrieb. Der Hafenbetrieb war in Smyrna immer prägend, auf dem
rechten Bild kann man dank der Nähmaschinenherstellerin erkennen, dass die
Konsonantenkombination „ng“ im griechischen
„γγ“ geschrieben wird. Der Personenverkehr zwischen den Stadtteilen findet bis
heute zu einem erheblichen Teil über Schiffe statt. (Für Ikonodoulen: In Padova
Freres 1 wurde der Kreuzer Brisbane gezeigt, das dortige Haus im Vordergrund
ist identisch mit der hier zu sehenden Fährstation, nur die beiden Bretter oberhalb
der Verzierung des Ortgangs mit der Reklame sind neu.)
Embedded, wie Dottore die Padova Freres bezeichnet
hat, wird man nicht ohne Gegenleistung. Die Brüder editierten ihre Postkarten
mit der Ortbenennung „SMYRNE Grèce“, was völker- und staatsrechtlich falsch,
aber den Herrschenden genehm war. Es wurden die üblichen Touristenattraktionen
abgelichtet, ein bisschen garniert mit griechischen Uniformträgern. Wie hoch
war das Porto? Auf der linken Karte sind 2 X 3 Lepta abgestempelt.
Pantalone berichtet, nach seiner unendlichen Suche
smyrniotischer Postkarten erkenne er auch die Schreiber an ihrer Schrift. Solch
eine Fähigkeit möchte Dottore nicht erwerben! Der Versender der linken
Postkarte zeigte seine Verwunderung über die Zuordnung der Stadt an
Griechenland, was ihn jedoch nicht hinderte, die Karte gleichwohl zu kaufen.
Die rechte trägt nicht die Signatur „P.V.“ nebst Bestellnummer, gleichwohl wird
die Karte die gleichen Editeure haben.
Munter trabt das Rösslein vor der Tram, die nach wie
vor (ca. 1920) von der Familie Guiffray
betrieben wird. Ihr stattliches Haus ist neben dem Tramwagen im Knick des Kai
zu erkennen. Mit Personennahverkehr konnte man also damals richtig Geld
verdienen, ohne staatliche Subventionen. Nach der Wiedereingliederung Smyrnas
übernahm die Stadtverwaltung Izmirs den Betrieb, die Familie Guiffray verkaufte
das Haus an das Deutsche Reich, das darin das Konsulat einrichtete, bis 2005
amtierte es dort.
Auf dem
linken Bild ist die Verzierung eines Kiosks zu erkennen, die damals
allenthalben an Gebäuden in Smyrna zu sehen waren. Sie erinnern an die
Schlüsselbrettchen, die als Antwort auf das Geburtstagsgeschenk von dem braven
Bub mit der Laubsäge aus Sperrholz hergestellt wurden; besser war nur „der
Pfeifenständer aus Backpflaumen“, den sich Viktor ersann. Bei dem rechten Bild
glimmt in Dottore der Verdacht auf, die Padova Freres hätten ein bestehendes
Fotografiegeschäft übernommen: Zu türkisch sind die Überbringer der ersten
Feigen gekleidet.
Es scheint Schnee in Smyrna gefallen zu sein, auch
das meteorologische Klima war abgekühlt. Auf der linken Seite ragt der Garten
des Sporting Clubs ins Bild. Die rechte Postkarte zeigt nicht den Bazar,
sondern einen der Wochenmärkte. Das gleiche Motiv hat auch Fred Boissonnas
aufgenommen, und natürlich besser als diese aus dem Nichts auftauchenden und
ins Nichts verschwindenden Brüder.
Eine Abweichung von den hier ansonsten präsentierten
Dyptychen ist deswegen geboten, weil der gleiche Gegenstand abweichend und doch
gleich dargestellt wurde. Zuerst war es – schon in der Zeit der griechischen
Besetzung – das Clubhaus der Jäger, allerdings hatte sich nach dem Plakat über
der Eingangstür der YMCA in ihm breit gemacht, vermutlich nicht die newyorker
Variante. Auch bei den Griechen zeigt sich insoweit die Eigenart von
Jungmännervereinigungen, als Fünfte Kolonne ge- oder missbraucht zu werden.
Dann verwandelt es sich zuerst mit der gleichen Aufnahme in das „Haus der
Soldaten“, mit und anschließend ohne wehender Flagge.
Die weitere Metamorphose zeigen die Padovabrüder
nicht, es existiert ein Bild vom September 1922, da ist dann die Verwandlung
vollendet, nur die Vorderfront steht noch. Das Beherbergen von Soldaten birgt
also gewisse Risiken.
Hier nun pack´ mah sie! Die linke Postkarte ist ein
altes Bild, das den zwischen Sariskişla und Konak liegenden Platz zeigt,
eindeutig mit Türken bevölkert. Nach dem kriegerischen Anlanden der
griechischen Soldaten fing hier das erste Blutvergießen an, natürlich mit einem
ominösen „ersten Schuss“, von dem keiner weiß, wer ihn abgegeben hat. Danach
nisteten sich die griechischen Militärs in der Kaserne ein, solch einen
harmlosen Spaziergang wie auf dem Bild wird es nicht mehr gegeben haben. Von
Pantalone weiß Dottore, dass es eine Vielzahl von Variationen dieser Aufnahme
gibt, alle vor 1918 abgestempelt. Damit ist klar, auch die Padova Freres haben
altes Bildmaterial weiterverwendet, allerding mit neuer Beschriftung. Die
schlecht überkommene Postkarte rechts stammt auch ohne sichtbares Signet aus
der gleichen Quelle. Es zeigt die landenden griechischen Truppen südlich des
Hotels Kra/ämer. Ungewiss bleibt: Wie hoch war denn nun das Porto, 6 oder 4
oder 3 Lepta, Luftpostzuschläge gab es wohl kaum?
Das ΘΕΑΤΡΟΝ ΣΜΥΡΝΗΣ stand neben dem Sporting Club
und dem französischen Konsulat, es war die Bergspitze der
levantinisch-europäischen Kultur oder dessen, was die nichttürkischen Bewohner
der Stadt als solche ansahen. Schnöde fiel auch dieses Gebäude dem Brand von
1922 zum Opfer, von dem – wiederum ominös – nicht genau bekannt ist, wer oder
was ihn auslöste. Mit der „CUI BONO“-Vermutung kommt man nicht so recht weiter,
auch Thessaloniki war 1917 teilweise Opfer eines Brandes – ohne Türken!
Eroberungsversuche sind eben brandgefährliche Unternehmungen, meist leider
nicht für diejenigen, die sie anzetteln. Das rechte Bild wird nur der
Vollständigkeit halber gezeigt, es zeigt einen Blick auf die Stadt von der
Festung aus.
In den Alpen erfahren wir wieder langsam, was ein Wildbach ist. Das von den Italienern Torrente, von den Türken Dere genannte Gewässer scheint Menschen gegenüber heimtückisch zu sein, vielleicht ist es aber so, dass die Menschen zu augenblicklich denken. Dottore hat – ja, auch Pantalone war dabei! – erlebt, wie an der Südseite der Mykale ein zu fast allen Jahreszeiten ausgetrocknet erscheinender DERE innerhalb eines Unwetters von 45 Minuten 300 m Landstraße 0,70 m hoch mit Sand und Geröll bedeckte, einer der Steinquader hatte dabei eine Kantenlänge von 0,75 m. Auf dem linken Bild hat offenbar solch ein Unwetter den Weg weggeschwemmt, auf beiden Seiten stauen sich die Kamele. Rechts nun eine Aufnahme, die man nur wegen der eindeutigen Beschriftung den Padova Freres zuordnen muss, sie konnten also fotografieren, wenn sie nicht unter dem Druck der Anpassung an die Zeitläufte standen. Fred Boissonnas hätte es nicht besser gekonnt.
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