Donnerstag, 19. Februar 2015

Padova Freres 3

Nur die Tatsache, dass es so viele Bilder von den Padova Freres zu erhaschen gab, war der Grund, ihre Menge vorab auf drei Posts aufzuteilen. Während des Verfassens der Texte hat Pantalone jedoch weiter gesucht. Weitere bislang noch nicht ins Netz gesetzte oder übersehene oder schon ergatterte Bilder werden – chrono- und ikonologisch nicht ganz korrekt – in einem vierten Post unterzubringen sein.

Der letzte Post über die Photographenbrüder endete sehr royal, so soll denn dieser ebenso beginnen. Zuerst war nur Herr Stergiades, der zum „Hohen Kommissar“ ernannte Verwalter des okkupierten Gebietes, Bewohner dieses Anwesens in Kordelio, dem heutigen Karşiyaka. Daher lungern die Bewacher auf dem linken Bild auch so herum. Nachdem Konstantin I. eingezogen war – man sieht es am Wappen –, verwandelten sich die grauen Fustanellas in weiße, die Zackigkeit nahm zu. Dottore fällt zu dem militärischen Gehabe ein: Als die Sozialdemokraten noch der richtigen Ansicht zuneigten, sie müssten nicht ums Verrecken staatstragend sein, da florierte unter den Genossen über die Residenz und den Potentaten darin folgender Spruch: „Ist der Lappen draußen, ist der Lump drinnen, ist der Lappen drinnen, ist der Lump draußen.“ Heute streben die Sossialdemokraten nach einem Zapfenstreich, mit Fackeln versteht sich.   


Das stattliche Haus ist wie fast alle Gebäude in Karşiyaka der Bodenspekulation zum Opfer gefallen, zweifellos hatten auch die Türken wenig Anlass, der zeitweiligen Funktion des Hauses Referenz zu erweisen, aber abgebildet wurde es in den 1930 Jahren von der gleichen Stelle doch noch.


In relativ friedlichen Zeiten – die kriegerischen Auseinandersetzungen fanden entfernt von Smyrna statt – haben es Pressefotographen schwer, was sollen sie abbilden, welche Bilder können sie verkaufen? Also verlegten sich die Padova Freres auch auf den Postkartenvertrieb. Der Hafenbetrieb war in Smyrna immer prägend, auf dem rechten Bild kann man dank der Nähmaschinenherstellerin erkennen, dass die Konsonantenkombination „ng“  im griechischen „γγ“ geschrieben wird. Der Personenverkehr zwischen den Stadtteilen findet bis heute zu einem erheblichen Teil über Schiffe statt. (Für Ikonodoulen: In Padova Freres 1 wurde der Kreuzer Brisbane gezeigt, das dortige Haus im Vordergrund ist identisch mit der hier zu sehenden Fährstation, nur die beiden Bretter oberhalb der Verzierung des Ortgangs mit der Reklame sind neu.)


Embedded, wie Dottore die Padova Freres bezeichnet hat, wird man nicht ohne Gegenleistung. Die Brüder editierten ihre Postkarten mit der Ortbenennung „SMYRNE Grèce“, was völker- und staatsrechtlich falsch, aber den Herrschenden genehm war. Es wurden die üblichen Touristenattraktionen abgelichtet, ein bisschen garniert mit griechischen Uniformträgern. Wie hoch war das Porto? Auf der linken Karte sind 2 X 3 Lepta abgestempelt. 


Pantalone berichtet, nach seiner unendlichen Suche smyrniotischer Postkarten erkenne er auch die Schreiber an ihrer Schrift. Solch eine Fähigkeit möchte Dottore nicht erwerben! Der Versender der linken Postkarte zeigte seine Verwunderung über die Zuordnung der Stadt an Griechenland, was ihn jedoch nicht hinderte, die Karte gleichwohl zu kaufen. Die rechte trägt nicht die Signatur „P.V.“ nebst Bestellnummer, gleichwohl wird die Karte die gleichen Editeure haben.


Munter trabt das Rösslein vor der Tram, die nach wie vor (ca. 1920) von der Familie Guiffray betrieben wird. Ihr stattliches Haus ist neben dem Tramwagen im Knick des Kai zu erkennen. Mit Personennahverkehr konnte man also damals richtig Geld verdienen, ohne staatliche Subventionen. Nach der Wiedereingliederung Smyrnas übernahm die Stadtverwaltung Izmirs den Betrieb, die Familie Guiffray verkaufte das Haus an das Deutsche Reich, das darin das Konsulat einrichtete, bis 2005 amtierte es dort.


Auf  dem linken Bild ist die Verzierung eines Kiosks zu erkennen, die damals allenthalben an Gebäuden in Smyrna zu sehen waren. Sie erinnern an die Schlüsselbrettchen, die als Antwort auf das Geburtstagsgeschenk von dem braven Bub mit der Laubsäge aus Sperrholz hergestellt wurden; besser war nur „der Pfeifenständer aus Backpflaumen“, den sich Viktor ersann. Bei dem rechten Bild glimmt in Dottore der Verdacht auf, die Padova Freres hätten ein bestehendes Fotografiegeschäft übernommen: Zu türkisch sind die Überbringer der ersten Feigen gekleidet.


Es scheint Schnee in Smyrna gefallen zu sein, auch das meteorologische Klima war abgekühlt. Auf der linken Seite ragt der Garten des Sporting Clubs ins Bild. Die rechte Postkarte zeigt nicht den Bazar, sondern einen der Wochenmärkte. Das gleiche Motiv hat auch Fred Boissonnas aufgenommen, und natürlich besser als diese aus dem Nichts auftauchenden und ins Nichts verschwindenden Brüder.


Eine Abweichung von den hier ansonsten präsentierten Dyptychen ist deswegen geboten, weil der gleiche Gegenstand abweichend und doch gleich dargestellt wurde. Zuerst war es – schon in der Zeit der griechischen Besetzung – das Clubhaus der Jäger, allerdings hatte sich nach dem Plakat über der Eingangstür der YMCA in ihm breit gemacht, vermutlich nicht die newyorker Variante. Auch bei den Griechen zeigt sich insoweit die Eigenart von Jungmännervereinigungen, als Fünfte Kolonne ge- oder missbraucht zu werden. Dann verwandelt es sich zuerst mit der gleichen Aufnahme in das „Haus der Soldaten“, mit und anschließend ohne wehender Flagge.


Die weitere Metamorphose zeigen die Padovabrüder nicht, es existiert ein Bild vom September 1922, da ist dann die Verwandlung vollendet, nur die Vorderfront steht noch. Das Beherbergen von Soldaten birgt also gewisse Risiken.


Hier nun pack´ mah sie! Die linke Postkarte ist ein altes Bild, das den zwischen Sariskişla und Konak liegenden Platz zeigt, eindeutig mit Türken bevölkert. Nach dem kriegerischen Anlanden der griechischen Soldaten fing hier das erste Blutvergießen an, natürlich mit einem ominösen „ersten Schuss“, von dem keiner weiß, wer ihn abgegeben hat. Danach nisteten sich die griechischen Militärs in der Kaserne ein, solch einen harmlosen Spaziergang wie auf dem Bild wird es nicht mehr gegeben haben. Von Pantalone weiß Dottore, dass es eine Vielzahl von Variationen dieser Aufnahme gibt, alle vor 1918 abgestempelt. Damit ist klar, auch die Padova Freres haben altes Bildmaterial weiterverwendet, allerding mit neuer Beschriftung. Die schlecht überkommene Postkarte rechts stammt auch ohne sichtbares Signet aus der gleichen Quelle. Es zeigt die landenden griechischen Truppen südlich des Hotels Kra/ämer. Ungewiss bleibt: Wie hoch war denn nun das Porto, 6 oder 4 oder 3 Lepta, Luftpostzuschläge gab es wohl kaum?


Seit eh und je stand Smyrna für das westliche Kleinasien, egal ob Teppiche oder Feigen. Als dann Ansichtspostkarten eingeführt wurden, waren alle archäologischen Stätten wie Ephesos, Laodikeia, Hierapolis und eben Pergamon „Smyrna“. Die rechte Aufnahme wurde zuvor auch schon als Smyrna Mont Pagus verkauft, also endlich waren die Brüder korrekter als die übrige Schar der Postkartenediteure.


Das ΘΕΑΤΡΟΝ ΣΜΥΡΝΗΣ stand neben dem Sporting Club und dem französischen Konsulat, es war die Bergspitze der levantinisch-europäischen Kultur oder dessen, was die nichttürkischen Bewohner der Stadt als solche ansahen. Schnöde fiel auch dieses Gebäude dem Brand von 1922 zum Opfer, von dem – wiederum ominös – nicht genau bekannt ist, wer oder was ihn auslöste. Mit der „CUI BONO“-Vermutung kommt man nicht so recht weiter, auch Thessaloniki war 1917 teilweise Opfer eines Brandes – ohne Türken! Eroberungsversuche sind eben brandgefährliche Unternehmungen, meist leider nicht für diejenigen, die sie anzetteln. Das rechte Bild wird nur der Vollständigkeit halber gezeigt, es zeigt einen Blick auf die Stadt von der Festung aus.


In den Alpen erfahren wir wieder langsam, was ein Wildbach ist. Das von den Italienern Torrente, von den Türken Dere genannte Gewässer scheint Menschen gegenüber heimtückisch zu sein, vielleicht ist es aber so, dass die Menschen zu augenblicklich denken. Dottore hat – ja, auch Pantalone war dabei! – erlebt, wie an der Südseite der Mykale ein zu fast allen Jahreszeiten ausgetrocknet erscheinender DERE innerhalb eines Unwetters von 45 Minuten 300 m Landstraße 0,70 m hoch mit Sand und Geröll bedeckte, einer der Steinquader hatte dabei eine Kantenlänge von 0,75 m. Auf dem linken Bild hat offenbar solch ein Unwetter den Weg weggeschwemmt, auf beiden Seiten stauen sich die Kamele. Rechts nun eine Aufnahme, die man nur wegen der eindeutigen Beschriftung den Padova Freres zuordnen muss, sie konnten also fotografieren, wenn sie nicht unter dem Druck der Anpassung an die Zeitläufte standen. Fred Boissonnas hätte es nicht besser gekonnt. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen