Da lag also das Schwesterschiff der RN Regina Elena,
die im Februar 1919 an gleicher Stelle geankert hatte, die RN Roma, auf der
Reede von Smyrna und bezeugte die geringe Macht des alliierten Italiens zur See;
eine große Heckflagge kann die mangelnde Modernität eines Schiffes nicht
ausgleichen.
Aber was geschah an Land? Hier haben wir nach der
Beschriftung zwei Versionen in der Erklärung eines Bildes, eines Sachverhaltes:
Einmal soll das Bild uns italienische Truppen bei Ephesos zeigen, andererseits
soll es sich um die italienische Front bei Scala Nova (das ist der
mittelalterliche Namen der Ansiedlung, die heute Kuşadasi heißt). Wo sind wir
denn auf dem Bild überhaupt? Zu sehen ist eine gerade Straße, die über eine
Brücke führt, links ist deren Geländer. Uniformierte stehen auf ihr bei einem
kleineren Lastwagen, einer der Soldaten hat ein Fahrrad, ein anderer hält über
einem daneben stehenden Zelt ein Fähnchen hoch, das in der Mitte einen weißen
Streifen hat. Das alles kann überall sein, die dahinter sich ersteckende
Landschaft kann allein das Rätsel lösen. Es handelt sich um ein breites Tal,
auf dem linken Bild, das schärfer auf uns überkommen ist, sieht man auf dem
Berg links des Zeltes das, was man eine Landmarke nennt, eine eckige Struktur.
Auf dem Weg von Ephesos nach Kuşadasi gibt es das nur einmal.
Die links ins das Bild hereinragende Bergkette ist
der in der Antike „Koressos“ genannte Hausberg der Ephesier, über den die
Lisymachische Stadtmauer verläuft. Sie endet an der ehemalige Zufahrt zum
Hafen, auf dem letzten Hügel davor ist ein kleines Fort errichtet worden.
(Übrigens: Wer sich nicht in die jährlich 5 Millionen Besucher der überwiegend
als römisch anzusprechenden Stätte Ephesos einreihen will und darüber hinaus
das Gefühl persönlicher, jedoch auch illusionärer Erhabenheit genießen will,
dem sei empfohlen, eine Wanderung entlang der Stadtmauer über den Koressos, der
heutige Name ist Nachtigallenberg, zu unternehmen.)
Da nun Ephesos in der Bibel erwähnt wird, trachteten
die christlichen Besucher der Stätte immer danach, jeden Gegenstand, der sich
nicht wehren konnte, zu
christianisieren. Wie wahr ist doch die Bibel insgesamt, wenn man eine
Einzelheit aus ihr bestätigt sieht! (Dann ist auch das Nibelungenlied richtig,
weil es einmal einen Bischof von Passau namens Pilgrim gegeben hat. Von der Ilias
ganz zu schweigen!) Da der Reisende in Sachen Christentum namens Paulus in
Ephesos versuchte, die Geschäfte der Devotionalienhändler zu schädigen, wurde
er nach seiner Schilderung in den Briefen ins Gefängnis geworfen, na, wenn das
kein Grund ist, irgendein Bauwerk in oder bei Ephesos zu seinem Gefängnis zu
deklarieren. Das Schicksal fiel nun auf dieses Kastell.
Es erscheint nun naheliegend, diesen Berg mit der
Landmarke auf den Bildern der Padova Freres zu identifizieren. Schauen wir uns
das alles einmal auf einer Landkarte an, die in dieser Zeit entstanden ist, der
berüchtigten (archäologischen) Karte des Hauptmanns Lyncker im preußischen
Generalstab. Dottore hatte dieser Institution ein gewisses Maß an Sachkompetenz
zugeordnet, trotz des Schlieffenplans. Würde man die Ergebnisse beider
Vorhaben, den Plan und die Karte, zum Maßstab der Beurteilung machen, Preußens
Gloria wäre so vergangen, wie sie es ist.
Gelb ist die Straße von Ephesos (Ayasoluk genannt,
verbalhornt [mit einem „L“, dem Urheber zu Liebe] aus Agios Theologos, so
lautet der ehrfürchtige Name des Heiligen Johannes Evangelist in der Orthodoxie)
nach Kuşadasi markiert, sie wird damals ungefähr 19 km lang gewesen sein. Das
Paulus-Gefängnis genannte, hellenistische Kastell liegt dort, wo der gelbe
Pfeil von unten hinzeigt. Ungefähr einen Kilometer westlich von Ayasoluk quert
ein von Süden kommender Bach die Straße, fließt nach Norden weiter in den
Kaystros (Küçük Menderes). Dort (gelber Pfeil von links oben) wird der
italienische Posten gewesen sein, also keine Front, aber nahe an Ephesos.
Die Griechen landen noch mehr Truppen in Smyrna, der
türkische Widerstand wächst. Der Ablauf
des alliierten Gallipoli-Unternehmens hätte die Griechen warnen sollen. Es
macht eben einen Unterschied aus, ob man die Beherrschung fremden Territoriums erstrebt
oder die heimatliche Erde verteidigt. Mentale Stärke ist nicht nur beim
Fußballspielen entscheidend. Die beleibten Offiziere sind Griechen, die schlanken
Engländer. Der einzig schlanke griechische Offizier, der höherrangig war, war Nikoloas
Plastiras, ihm war nicht nur Mut eigen, sondern er nahm auch seine Aufgabe des
Schutzes seiner Landsleute ernst, ihn haben die Brüder Padova nicht abgelichtet.
Hinzu kommt noch eine weitere Komponente: Es erweist
sich als untunlich, wenn das Offizierskorps politisch gespalten ist – hier in
royalistische und venizelosische Parteigänger –, die Absetzung des griechischen
Oberkommandierenden fand zwar später statt, als Padova Freres abgeben, war aber
rein politisch bedingt, die Wahlen hatten der gegnerischen Richtung die
Mehrheit erbracht. Nach all diesem Militärkram nun eine Wohltat: Dottore hat in
seinem Leben, das muss er gestehen, nur zwei Fußballspiele ganz gesehen, das
eine, weil ein Onkel von ihm der Trainer der einen Mannschaft war, das andere –
etwas später – war ein Spiel der 2. Liga Süd im Jahre 1953. Gleichwohl ist er
der Meinung, mit dem Fuß einen Ball in ein Tor zu schießen sei besser als mit
einem Gewehr auf einen Menschen. Auf dem Bild ist die Dynamik eines solchen
Spiels bemerkenswert eingefangen.
Was später dann in der HJ im Extremen umgesetzt
wurde, war bei den Pfadfindern damals in fast allen Ländern und Volksgruppen
angelegt: Uniformierung, militärischer Drill, hierarchische Strukturen, Geländebesetzungen
im Spiel. Daher ist es leicht, derartige Gruppen zur Fünften Kolonne zu machen,
hier werden italienische Jungen dazu missbraucht, die Eroberungsgelüste der
dicken, alten Kerle anzumelden. Ein Polygon, also ein Vermessungspunkt, ist
ansonsten nie das Ziel für Menschen außer für Geodäten. Im übrigen gibt es aus
dieser Zeit, aus dieser Gegend
entsprechende Bilder griechischer und armenischer Pfadfinder.
Wie schon bei den Schiffsbezeichnungen hatten es die
Padova Freres nicht so mit der Genauigkeit bei den Namen. Das kulturelle Leben
in Großbritannien hat einen Teil, der in Deutschland abhanden gekommen ist, was
nach der jüngeren Geschichte richtig ist, aber gleichwohl macht es einen Teil
der Vielfalt aus: das Militär und seine Geschichte. Im maßgeblichen Führer für Griechenland von Stuart
Rossiter wird den Schlachten der Antike wie denen des II. Weltkrieges gleicher
Raum gegeben. So ist denn auch fast
alles, was Dottore in Padova Freres 1, 2 und 3 erwähnt, englischen Webseiten
entnommen. Nach einem Bridagier-General Hamboury fahndet man vergebens, aber
die gütige Fee des „meinten Sie ..“ lenkt einen auf P.L. Hanbury, C.M.G. +
D.S.O., der nach seinem Einsatz an der
Mazedonienfront in Smyrna wirkte und daher
derjenige sein wird, der links auf dem linken Bild zu Pferde paradiert. Von dem
rechten Bild gibt es bislang kein besseres, trotzdem ist zu erkennen, dass dort
– entgegen der Beschriftung – vier griechische Offiziere zu sehen sind.
Bei der Betrachtung der Bilder drängt sich auf, das griechische Unternehmen als national-klerikal
anzusehen, ein Eindruck, der sich nicht als trügerisch erweist. Das linke Bild
ist ein mixtum compositum, die Podestler waren Teileines scharfen Bildes, alles
drum herum ist aus einem stark gerasterten Bild übernommen. Hier beweisen
Padova freres die Unrichtigkeit der Einschrift auf dem Bild der Parade am Kai:
Angeblich sei am 11.08.1919 der Generalissimus Paraskevopoulos abgereist, aber
am 28.03.1920 steht er noch dicklich auf dem Podest. Pantalone hat das rechte
Bild schon sehr aufgefrischt, zu einer Tilgung des Wasserzeichens konnte er
sich nicht durchringen, so wird aus „temporary“ eben „eternal“.
Der Hirtenstab des Metropoliten Chrysostomos hat
seine Ursprungsform verloren, ganz im Gegensatz zu den symbolischen Hirteninstrumenten
der katholischen Bischöfe. Deren Stäbe haben noch die Form, mit der die Hirten
den Schäfchen „ die Beine lang ziehen konnten“, beweisen also noch die
mittlerweile nur noch als Erinnerung existierende Macht der Epi - skopoi, der
Auf - seher, die sich zu Machthabern aufspielten. Leider ist die Schrift auf
dem rechten Bild nicht gänzlich zu entziffern, sie gibt royales Eingreifen
wieder: die Prinzen geruhen, sich etwas zeigen zu lassen. Das erinnert an einen
erst vor wenigen Jahren verstorbenen Machthaber, dem in seinem Herrschaftsbereich
auch alles gezeigt wurde.
Nach der Abwahl von Venizelos griff seine Majestät
ein, aber auch er konnte das drohende Verhängnis nicht verhindern. Man sollte
sich aus Unternehmen heraushalten, die andere initiiert haben. Auch seine majestätischen
Fähigkeiten vermochten es beispielsweise nicht, die langen Nachschubwege zu verkürzen.
Die maßgebliche Leistung des sich bückenden Prinzen Andreas besteht darin, den
Ehegemahl von Elisabeth II. gezeugt zu haben, ansonsten wurde er nur durch den
Druck aus Großbritannien davor bewahrt, für die Kriegsführung verantwortlich
gemacht zu werden. Das rechte Bild zeugt
von der Tatsache, dass Padova Freres offensichtlich
„embedded“ waren.
Auf dem linken Bild ist König Konstantin I von
Griechenland zu sehen, der äußerst
angestrengt versucht, Alec Guinness nachzuspielen als Admiral Lord Rufus
d´Ascoyne in dem Film „Hearts and Coronets“; die Schwierigkeiten Konstantins
rühren daher, dass der Film erst 23 Jahre nach seinem Tod gedreht wurde.
Dieses Bild ist nicht als eines gekennzeichnet, dass
von den Brüdern stammt. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit 1922, also kurz vor
dem Ende des griechischen Abenteuers, aufgenommen worden und könnte nach Motiv
und Machart von ihnen stammen. Der Zerstörer Nike lief zu diesem Zeitpunkt in
den Hafen von Smyrna ein, von ihm wird berichtet, dass sein Kommandant einem
Scharfschützen zum Opfer fiel. Das könnte also nur ein Türke gewesen sein, also
diese schon die Stadt besetzten. Auf der Reede sind größere Kriegsschiffe
sichtbar.
Vielleicht ist dies zeitlich gesehen nicht das
letzte Bild der Padova Freres, vielleicht haben sie die kleinasiatische
Katastrophe mit ihren Bildern bewahrt, kamen aber nicht mehr dazu, sie zu
beschriften.
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