Mittwoch, 4. Februar 2015

Padova Freres 2

Da lag also das Schwesterschiff der RN Regina Elena, die im Februar 1919 an gleicher Stelle geankert hatte, die RN Roma, auf der Reede von Smyrna und bezeugte die geringe Macht des alliierten Italiens zur See; eine große Heckflagge kann die mangelnde Modernität eines Schiffes nicht ausgleichen.


 Aber was geschah an Land? Hier haben wir nach der Beschriftung zwei Versionen in der Erklärung eines Bildes, eines Sachverhaltes: Einmal soll das Bild uns italienische Truppen bei Ephesos zeigen, andererseits soll es sich um die italienische Front bei Scala Nova (das ist der mittelalterliche Namen der Ansiedlung, die heute Kuşadasi heißt). Wo sind wir denn auf dem Bild überhaupt? Zu sehen ist eine gerade Straße, die über eine Brücke führt, links ist deren Geländer. Uniformierte stehen auf ihr bei einem kleineren Lastwagen, einer der Soldaten hat ein Fahrrad, ein anderer hält über einem daneben stehenden Zelt ein Fähnchen hoch, das in der Mitte einen weißen Streifen hat. Das alles kann überall sein, die dahinter sich ersteckende Landschaft kann allein das Rätsel lösen. Es handelt sich um ein breites Tal, auf dem linken Bild, das schärfer auf uns überkommen ist, sieht man auf dem Berg links des Zeltes das, was man eine Landmarke nennt, eine eckige Struktur. Auf dem Weg von Ephesos nach Kuşadasi gibt es das nur einmal.


Die links ins das Bild hereinragende Bergkette ist der in der Antike „Koressos“ genannte Hausberg der Ephesier, über den die Lisymachische Stadtmauer verläuft. Sie endet an der ehemalige Zufahrt zum Hafen, auf dem letzten Hügel davor ist ein kleines Fort errichtet worden. (Übrigens: Wer sich nicht in die jährlich 5 Millionen Besucher der überwiegend als römisch anzusprechenden Stätte Ephesos einreihen will und darüber hinaus das Gefühl persönlicher, jedoch auch illusionärer Erhabenheit genießen will, dem sei empfohlen, eine Wanderung entlang der Stadtmauer über den Koressos, der heutige Name ist Nachtigallenberg, zu unternehmen.)



Da nun Ephesos in der Bibel erwähnt wird, trachteten die christlichen Besucher der Stätte immer danach, jeden Gegenstand, der sich nicht wehren konnte,  zu christianisieren. Wie wahr ist doch die Bibel insgesamt, wenn man eine Einzelheit aus ihr bestätigt sieht! (Dann ist auch das Nibelungenlied richtig, weil es einmal einen Bischof von Passau namens Pilgrim gegeben hat. Von der Ilias ganz zu schweigen!) Da der Reisende in Sachen Christentum namens Paulus in Ephesos versuchte, die Geschäfte der Devotionalienhändler zu schädigen, wurde er nach seiner Schilderung in den Briefen ins Gefängnis geworfen, na, wenn das kein Grund ist, irgendein Bauwerk in oder bei Ephesos zu seinem Gefängnis zu deklarieren. Das Schicksal fiel nun auf dieses Kastell.


Es erscheint nun naheliegend, diesen Berg mit der Landmarke auf den Bildern der Padova Freres zu identifizieren. Schauen wir uns das alles einmal auf einer Landkarte an, die in dieser Zeit entstanden ist, der berüchtigten (archäologischen) Karte des Hauptmanns Lyncker im preußischen Generalstab. Dottore hatte dieser Institution ein gewisses Maß an Sachkompetenz zugeordnet, trotz des Schlieffenplans. Würde man die Ergebnisse beider Vorhaben, den Plan und die Karte, zum Maßstab der Beurteilung machen, Preußens Gloria wäre so vergangen, wie sie es ist.


Gelb ist die Straße von Ephesos (Ayasoluk genannt, verbalhornt [mit einem „L“, dem Urheber zu Liebe] aus Agios Theologos, so lautet der ehrfürchtige Name des Heiligen Johannes Evangelist in der Orthodoxie) nach Kuşadasi markiert, sie wird damals ungefähr 19 km lang gewesen sein. Das Paulus-Gefängnis genannte, hellenistische Kastell liegt dort, wo der gelbe Pfeil von unten hinzeigt. Ungefähr einen Kilometer westlich von Ayasoluk quert ein von Süden kommender Bach die Straße, fließt nach Norden weiter in den Kaystros (Küçük Menderes). Dort (gelber Pfeil von links oben) wird der italienische Posten gewesen sein, also keine Front, aber nahe an Ephesos.


Die Griechen landen noch mehr Truppen in Smyrna, der türkische Widerstand wächst.  Der Ablauf des alliierten Gallipoli-Unternehmens hätte die Griechen warnen sollen. Es macht eben einen Unterschied aus, ob man die Beherrschung fremden Territoriums erstrebt oder die heimatliche Erde verteidigt. Mentale Stärke ist nicht nur beim Fußballspielen entscheidend. Die beleibten Offiziere sind Griechen, die schlanken Engländer. Der einzig schlanke griechische Offizier, der höherrangig war, war Nikoloas Plastiras, ihm war nicht nur Mut eigen, sondern er nahm auch seine Aufgabe des Schutzes seiner Landsleute ernst, ihn haben die Brüder Padova nicht abgelichtet.


Hinzu kommt noch eine weitere Komponente: Es erweist sich als untunlich, wenn das Offizierskorps politisch gespalten ist – hier in royalistische und venizelosische Parteigänger –, die Absetzung des griechischen Oberkommandierenden fand zwar später statt, als Padova Freres abgeben, war aber rein politisch bedingt, die Wahlen hatten der gegnerischen Richtung die Mehrheit erbracht. Nach all diesem Militärkram nun eine Wohltat: Dottore hat in seinem Leben, das muss er gestehen, nur zwei Fußballspiele ganz gesehen, das eine, weil ein Onkel von ihm der Trainer der einen Mannschaft war, das andere – etwas später – war ein Spiel der 2. Liga Süd im Jahre 1953. Gleichwohl ist er der Meinung, mit dem Fuß einen Ball in ein Tor zu schießen sei besser als mit einem Gewehr auf einen Menschen. Auf dem Bild ist die Dynamik eines solchen Spiels bemerkenswert eingefangen.


Was später dann in der HJ im Extremen umgesetzt wurde, war bei den Pfadfindern damals in fast allen Ländern und Volksgruppen angelegt: Uniformierung, militärischer Drill, hierarchische Strukturen, Geländebesetzungen im Spiel. Daher ist es leicht, derartige Gruppen zur Fünften Kolonne zu machen, hier werden italienische Jungen dazu missbraucht, die Eroberungsgelüste der dicken, alten Kerle anzumelden. Ein Polygon, also ein Vermessungspunkt, ist ansonsten nie das Ziel für Menschen außer für Geodäten. Im übrigen gibt es aus dieser Zeit,  aus dieser Gegend entsprechende Bilder griechischer und armenischer Pfadfinder.  


Wie schon bei den Schiffsbezeichnungen hatten es die Padova Freres nicht so mit der Genauigkeit bei den Namen. Das kulturelle Leben in Großbritannien hat einen Teil, der in Deutschland abhanden gekommen ist, was nach der jüngeren Geschichte richtig ist, aber gleichwohl macht es einen Teil der Vielfalt aus: das Militär und seine Geschichte. Im  maßgeblichen Führer für Griechenland von Stuart Rossiter wird den Schlachten der Antike wie denen des II. Weltkrieges gleicher Raum gegeben. So ist denn  auch fast alles, was Dottore in Padova Freres 1, 2 und 3 erwähnt, englischen Webseiten entnommen. Nach einem Bridagier-General Hamboury fahndet man vergebens, aber die gütige Fee des „meinten Sie ..“ lenkt einen auf P.L. Hanbury, C.M.G. + D.S.O.,  der nach seinem Einsatz an der Mazedonienfront  in Smyrna wirkte und daher derjenige sein wird, der links auf dem linken Bild zu Pferde paradiert. Von dem rechten Bild gibt es bislang kein besseres, trotzdem ist zu erkennen, dass dort – entgegen der Beschriftung – vier griechische Offiziere zu sehen sind.


Bei der Betrachtung der Bilder drängt sich auf,  das griechische Unternehmen als national-klerikal anzusehen, ein Eindruck, der sich nicht als trügerisch erweist. Das linke Bild ist ein mixtum compositum, die Podestler waren Teileines scharfen Bildes, alles drum herum ist aus einem stark gerasterten Bild übernommen. Hier beweisen Padova freres die Unrichtigkeit der Einschrift auf dem Bild der Parade am Kai: Angeblich sei am 11.08.1919 der Generalissimus Paraskevopoulos abgereist, aber am 28.03.1920 steht er noch dicklich auf dem Podest. Pantalone hat das rechte Bild schon sehr aufgefrischt, zu einer Tilgung des Wasserzeichens konnte er sich nicht durchringen, so wird aus „temporary“ eben „eternal“.
                          

Der Hirtenstab des Metropoliten Chrysostomos hat seine Ursprungsform verloren, ganz im Gegensatz zu den symbolischen Hirteninstrumenten der katholischen Bischöfe. Deren Stäbe haben noch die Form, mit der die Hirten den Schäfchen „ die Beine lang ziehen konnten“, beweisen also noch die mittlerweile nur noch als Erinnerung existierende Macht der Epi - skopoi, der Auf - seher, die sich zu Machthabern aufspielten. Leider ist die Schrift auf dem rechten Bild nicht gänzlich zu entziffern, sie gibt royales Eingreifen wieder: die Prinzen geruhen, sich etwas zeigen zu lassen. Das erinnert an einen erst vor wenigen Jahren verstorbenen Machthaber, dem in seinem Herrschaftsbereich auch alles gezeigt wurde.


Nach der Abwahl von Venizelos griff seine Majestät ein, aber auch er konnte das drohende Verhängnis nicht verhindern. Man sollte sich aus Unternehmen heraushalten, die andere initiiert haben. Auch seine majestätischen Fähigkeiten vermochten es beispielsweise nicht, die langen Nachschubwege zu verkürzen. Die maßgebliche Leistung des sich bückenden Prinzen Andreas besteht darin, den Ehegemahl von Elisabeth II. gezeugt zu haben, ansonsten wurde er nur durch den Druck aus Großbritannien davor bewahrt, für die Kriegsführung verantwortlich gemacht zu werden.  Das rechte Bild zeugt von der Tatsache, dass Padova Freres  offensichtlich „embedded“ waren.


Auf dem linken Bild ist König Konstantin I von Griechenland zu sehen, der äußerst  angestrengt versucht, Alec Guinness nachzuspielen als Admiral Lord Rufus d´Ascoyne in dem Film „Hearts and Coronets“; die Schwierigkeiten Konstantins rühren daher, dass der Film erst 23 Jahre nach seinem Tod gedreht wurde.


Dieses Bild ist nicht als eines gekennzeichnet, dass von den Brüdern stammt. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit 1922, also kurz vor dem Ende des griechischen Abenteuers, aufgenommen worden und könnte nach Motiv und Machart von ihnen stammen. Der Zerstörer Nike lief zu diesem Zeitpunkt in den Hafen von Smyrna ein, von ihm wird berichtet, dass sein Kommandant einem Scharfschützen zum Opfer fiel. Das könnte also nur ein Türke gewesen sein, also diese schon die Stadt besetzten. Auf der Reede sind größere Kriegsschiffe sichtbar.


Vielleicht ist dies zeitlich gesehen nicht das letzte Bild der Padova Freres, vielleicht haben sie die kleinasiatische Katastrophe mit ihren Bildern bewahrt, kamen aber nicht mehr dazu, sie zu beschriften. 

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