Statt sich durch die vielen Bände der „les guides bleus“ zu
quälen, kann man die Kurzfassung von Engels selbst lesen, die da lautet: Herrn
Eugen Dühring`s Umwälzung der Wissenschaft“. Dort schreibt er in den Jahren
1876 bis 1878 auf Seite 167/8:
„Aber das eigne Gemeinwesen und der Verband, dem es
angehörte, lieferte keine disponiblen, über-schüssigen Arbeitskräfte. Der Krieg
dagegen lieferte sie, und der Krieg war so alt wie die gleichzeitige Existenz
mehrerer Gemeinschaftsgruppen nebeneinander. Bisher hatte man mit den
Kriegsgefangnen nichts anzufangen gewußt, sie also einfach erschlagen, noch
früher hatte man sie verspeist. Aber auf der jetzt erreichten Stufe der
»Wirtschaftslage« erhielten sie einen Wert; man ließ sie also leben und machte
sich ihre Arbeit dienstbar. So wurde die Gewalt, statt die Wirtschaftslage zu
beherrschen, im Gegenteil in den Dienst der Wirtschaftslage gepreßt. Die Sklaverei war
erfunden. Sie wurde bald die herrschende Form der Produktion bei allen, über
das alte Gemeinwesen hinaus sich entwickelnden Völkern, schließlich aber auch
eine der Hauptursachen ihres Verfalls. Erst die Sklaverei machte die
Teilung der Arbeit zwischen Ackerbau und Industrie auf größerm Maßstab möglich,
und damit die Blüte der alten Welt, das Griechentum. Ohne Sklaverei kein
griechischer Staat, keine griechische Kunst und Wissenschaft; ohne Sklaverei
kein Römerreich. Ohne die Grundlage des Griechentums und des Römerreichs aber auch
kein modernes Europa. Wir sollten nie vergessen, daß unsere ganze ökonomi-sche,
politische und intellektuelle Entwicklung einen Zustand zur Voraussetzung hat,
in dem die Skla-verei ebenso notwendig wie allgemein anerkannt war. In diesem
Sinne sind wir berechtigt zu sagen: Ohne antike Sklaverei kein moderner
Sozialismus“.
Dann weiter auf Seite 168/9:
„Es ist klar: solange die menschliche Arbeit noch so wenig
produktiv war, daß sie nur wenig Überschuß über die notwendigen Lebensmittel
hinaus lieferte, war Steigerung der Produktivkräfte, Ausdehnung des Verkehrs,
Entwicklung von Staat und Recht, Begründung von Kunst und Wissenschaft nur
möglich vermittelst einer gesteigerten Arbeitsteilung, die zu ihrer Grundlage
haben mußte die große Arbeitsteilung zwischen den die einfache Handarbeit
besorgenden Massen und den die Leitung der Arbeit, den Handel, die
Staatsgeschäfte, und späterhin die Beschäftigung mit Kunst und Wissenschaft
betreibenden wenigen Bevorrechteten. Die einfachste, naturwüchsigste Form
dieser Arbeitsteilung war eben die Sklaverei. Bei den geschichtlichen
Voraussetzungen der alten, speziell der griechischen Welt konnte der
Fortschritt zu einer auf Klassengegensätzen gegründeten Gesellschaft sich nur
vollziehn in der Form der Sklaverei. Selbst für die Sklaven war dies ein
Fortschritt; die Kriegsgefangnen, aus denen die Masse der Sklaven sich
rekrutierte, behielten jetzt wenigstens das Leben, statt daß sie früher
gemordet oder noch früher gar gebraten wurden.“
Also keine moraltriefende Onkel-Toms-Hütte-Würdigung, sondern
kühle Analyse, beruhend auf den Einsichten der „sozialökonomischen Scheiße“,
wie das Marx gelegentlich (in seinen Briefen) auszudrücken pflegte.
Beim Durchdeklinieren seiner Diskurstheorie verfiel Jürgen
Habermas auch auf das RECHT, zur Kunst hatte er keinen Draht, die Musik hatte
Teddie schon besetzt, außerdem musste er dem ursprünglichen Juristen Luhmann
mal zeigen, was eine Harke ist. Dementsprechend sonderte er für diesen Bereich
ein Buch ab. Dottore findet es mies, weil er in ihm nicht vorkommt. Nein, nicht
persönlich, aber seine frühere Berufstätigkeit wird ausgespart. Denn nicht der
immerwährende „Kampf ums Recht“, der alltäglich zwischen Bürgern und
Unternehmen, zwischen Anwälten und Richtern schriftlich und mündlich stattfindet,
wird philosophisch überhöht, sondern wieder einmal spricht der Weltgeist nur
mit sich selbst – das hatten wir doch schon bei Hegel! – getreu der
Habermas´schen Maxime: Bedeutsam, aber politisch folgenlos. So eben, als hätte
es die 11. These über Feuerbach nie gegeben.
Nun bezieht sich Habermas in „Faktizität und Geltung“ immer
wieder auf John Rawls, der seine Vorstellung von Gerechtigkeit aus der Fairness
entwickelt. Für Dottore tauchte dieser Begriff zuerst im Englischunterricht
auf: Im 19. Jahrhundert frönten junge englische Adlige dem Faustkampf. Sie
betrachteten es als ausgesprochen unfair, wenn an einem solchen Wettkampf
jemand teilnehmen wollte, der seine Muskeln normalerweise dafür benutzte,
körperliche Arbeit zu verrichten. Und es ist doch wirklich unfair, wenn ein
Bergarbeiter dem jungen Earl die Fresse poliert!
Aber auch das ist nicht Hauptgegenstand dieses Post, der wie
üblich weitschweifig ist. (Diese Weitschweifigkeit kann ein später Reflex auf
den mehrere Jahrzehnte währenden Zwang sein, sich in den Schriftsätzen kurz und
präzise auszudrücken, also die Umkehrung einer deformation professionelle.) Nun
aber zu Rawls. Der schreibt in „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ auf Seite 280:
„Ich habe vorausgesetzt, daß stets für die, welche die geringste
Freiheit haben, ein Ausgleich geschaffen werden muß. Die Situation ist stets
von ihrem Standpunkt aus zu beurteilen (und zwar aus der Sicht der verfassungs-
oder gesetzgebenden Versammlung). Diese Einschränkung macht es nun so gut wie
sicher, daß Sklaverei und Leibeigenschaft, jedenfalls in ihren bekannteren
Formen, nur dann hinzunehmen sind, wenn sie noch schlimmere Ungerechtigkeiten
beheben. Es könnte Übergangsphasen geben, in denen die Sklaverei besser wäre,
als die herrschenden Verhältnisse. Man nehme zum Beispiel an, Stadtstaaten, die
bisher keine Kriegsgefangenen machten, sondern jeden Gegner töteten, kämen
vertraglich überein, stattdessen die Gefangenen als Sklaven zu halten. Man kann
nun die Sklaverei nicht mit der Begründung zulassen, die Vorteile einiger
überwögen die Nachteile der anderen; doch unter diesen Umständen, da alle der
Gefahr der Gefangennahme im Kriege ausgesetzt sind, ist diese Form der
Sklaverei weniger ungerecht als die bisherige Praxis. Zumindest ist der
Sklavenzustand nicht erblich (das wollen wir annehmen), und er wird von den
freien Bürgern mehr oder weniger gleicher Stadtstaaten akzeptiert [auch von den
Meliern??]. Diese Regelung dürfte als Fortschritt gegenüber den bisherigen
Gepflogenheiten vertretbar sein, falls die Sklaven nicht zu hart behandelt
werden. Mit der Zeit wird sie wahrscheinlich ganz aufgegeben werden, denn der
Austausch der Kriegsgefangenen ist doch wünschenswerter, die Rückkehr der
gefangenen Mitglieder der Gemeinschaft ist den Dienstleistungen von Sklaven vorzuziehen.
Doch keine dieser Erwägungen, so phantasievoll sie auch sein mögen, versucht
die erbliche Sklaverei oder Leibeigenschaft aufgrund natürlicher oder
geschichtlicher Beschränkungen zu rechtfertigen. Ebensowenig kann man sich an
diesem Punkt auf die Notwendigkeit oder wenigstens den großen Vorteil solcher
Knechtschaft für die höheren Formen der Kultur berufen.“
Statt die Widersprüchlichkeit des geschichtlichen Ablaufes zu
begreifen – wie die bei Engels geschieht – tut Rawls so, als könne man sich einmal
möglicherweise zu einer zeitweiligen Sklaverei verabredet haben, was dann
sogleich liberal und selbstredend undialektisch kalmiert wird. Seine
Anti-Engelspassage lebt von der klaren Darstellung des indirekt Kritisierten,
die er sich aber selbst als „phantasievoll“ zuschreibt, er zitiert oder
widerlegt Engels nicht, er zernutzt ihn. Warum aber setzt Rawls kein Zitat oder
nennt seinen Widerpart? Er musste davon ausgehen, erhebliche Teile seiner Leser
kennten den Ursprungstext. Eine rein zufällige Überschneidung scheidet aus,
weil die Vertragspartner – „die Stadtstaaten“ – unmittelbar an den Ausgangstext
anschließen, zudem wird dem Ergebnis der Engels´schen Betrachtung ausdrücklich
widersprochen. Es bleibt nur ein absichtsvolles Verschweigen der Quelle. Unredlichkeit
wird man einem Autor nicht unterstellen dürfen, der sich seitenlang über
Fairness verbreitet, zudem hat sich Rawls während seiner Militärzeit aus
achtenswerten Gründen der Offizierslaufbahn widersetzt.
Der Text erschien 1971, also fast 100 Jahre nach Engels, „by
the President and Fellows of the Harvard College“, wo Rawls Professor für
Philosophie war. Trotz seiner Position erschien es ihm tunlich, einen der Väter
der Alternative zum gegenwärtigen Wirtschaftssystem zu unterschlagen. Die Universität
von Harvard ist von Spenden aus der „Wirtschaft“ abhängig, die Spender hätte es
irritiert, wenn an ihrer Universität jemand mit Marxismus ernsthaft sich
beschäftigt. Auch haben die Vereinigten Staaten das Denken aus der Ära des
McCarthy nie gänzlich überwunden, wie aus der für uns schier unglaublichen
Klassifizierung von Obama durch seine politischen Gegner als sozialistisch
erkennbar ist.
Aber, lieber Rawls, die Furchtsamkeit (nicht die unklare
Angst) vor der Entdeckung der Ideenquelle, also die soziale Realität, hat auch
Dein Denken beeinflusst, so wie seinerzeit die soziale Realität das Denken der
sklavenhaltenden Philosophen im antiken Griechenland prägte, Diogenes
ausgeschlossen, dem jedoch nichts anderes übrig blieb, als zynisch zu sein.
Pantalone meint: "Erstens so eine lange Pause, zweitens
keine Bilder, drittens, warum hackst Du so auf Habermas rum?"
"Beim nächsten Mal kannst Du Deine Bilder unterbringen.
Das mit Habermas hängt mit dem Juni 1968 zusammen. Nach dem Vorwurf des
Linksfaschismus konnte er sich beim sog. Schülerkongress am 1. Juni eigentlich
nicht sehen lassen. Um von der vor Unmut brodelnden Menge nicht am Vortrag
gehindert zu werden, eröffnete Habermas seine Rede mit den Worten: "Ich
bin mir mit den hier Anwesenden doch einig, dass die Zukunft der Bundesrepublik
in einer sozialistischen und demokratischen Politik
liegt!" Sozial hätte er nicht sagen können, dann wäre er ausgebuht worden.
Obwohl der gedruckte Text seiner Ausführungen nicht auf seinem Manuskript
allein beruht, sondern auch auf weiteren, mündlichen Ergänzungen, hat er den
Eingangssatz immer unterschlagen. Entweder er hat gelogen oder es war ihm
peinlich. Beides ist verachtenswert. Dass er als Nachfolger von Thielecke den
Bundesbedenkenbewahrer abgegeben hat, ändert nichts daran."
"Woher weißt Du das denn?"
"Ich war dabei, die vorne agierenden linken Widersacher
werden sich auch noch daran erinnern. Auch sie konnten nur den kastrierten Text
übernehmen."
"Dass die Linken sich immer so zerfleischen
müssen!"
"Zum einen ist Habermas nicht links, zum anderen haben
sich im Frühchristentum die einzelnen Gruppen genauso befehdet."
Für Rainer, der das Anspucken des französischen Landadligen
rechtfertigte.
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AntwortenLöschenwhat a stuff! eхisting hеrе at this ωebpаge, thаnks admin οf thiѕ site.
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