Mittwoch, 23. März 2011

Panzerschlitzautos

Der gegenwärtige Chefdesigner bei Mercedes Benz ist ein feinfühliger und böser Mensch zugleich: feinfühlig, weil er die noch nie geäußerten Vorlieben und Hassobjekte von Pantalone erahnt hat, böse, weil er nur die Hassobjekte realisiert.
Modell 4001 und das Panzerschlitzwendeauto 1010

Nach dem Krieg gab es wenig Spielsachen, da die Menschen vorab anderes brauchten, also wurden alte Spielsachen von den Kindern gehegt und gepflegt. Brach beispielsweise die Antriebsfeder an einem der Aufziehautos, so konnte man gaaanz vorsichtig die Blechhalterungen aufbiegen, der Feder mit einer Schlüsselfeile neue Aussparungen verpassen und dann versuchen, die Feder nun wieder zu befestigen. Schuco-Autos waren heiß begehrt. Das allertollste war ein Rennwagenmodell nach einem Mercedesrennwagen. Die Räder waren mit Rudgezentralverschlüssen befestigt, die man abschrauben konnte. Aber dies Modellauto gab es nur selten. Häufiger war ein zweisitziges Cabriolet, das entweder hupen konnte oder aber eine Gangschaltung hatte (Modell 4001). Nie hat Pantalone solch ein Auto besessen.

Gegenüber wohnte eine Frau, die häufiger Besuche von Amerikanern hatte. Diese ließen des öfteren bei ihr das liegen, was wir Kinder Ammihäftcher nannten – Superman, Roy Rogers, Classics, so hießen diese Comicreihen. Die Dame mochte Pantalone und schenkte ihm bisweilen die Hinterlassenschaften ihrer Besucher. Nach Hause durfte Pantalone diese „Schundhefte“ nicht mitbringen, also hatte er im Keller ein Depot für diese Kostbarkeiten, für die man fast alles eintauschen konnte. Er selbst fand die Hefte langweilig, so tauschte er sie leichten Herzens ein. Einmal nun stand ein Handel von 4 Roy Rogers gegen ein Schucoauto an, aber es war das blöde Wendeauto 1010. Es hatte in der Mitte des Bodens ein zur Fahrtrichtung querlaufendes Gummirad, auf das es rutschte, wenn die Vorderräder über die Tischkante gerollt waren, dann drehte es sich zur Seite und fiel nicht vom Tisch. Das Auto hatte Fenster wie Panzerschlitze, hinten eine Rückenflosse wie ein Tatra. Es war scheußlich anzusehen, Pantalone mochte es noch nie und lehnte daher den Tausch ab.

Was das Ganze mit dem Chefdesigner zu tun hat? Nun schauen Sie sich doch einmal die neueren Modelle von DB an, alle versuchen so auszusehen wie das Wendeauto von Schuco, wahrhaft die Umkehrung: nicht das Spielzeugauto will dem wirklichen ähnlich werden, sondern die Realität versucht so zu werden, wie das Spielzeug vor 65 Jahren. Entwicklung hat eben nichts mit Fortschritt zu tun.

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