Die Berichterstattung bedient den Bedarf nach
„schrecklichem Schauer“ der Leser und Betrachter, viele erinnern sich, sie
benutzt zu haben, Dottore vertraute im September 2017 zuletzt diesem Bauwerk.
Bild 1 (aus Bing Maps) zeigt die Brücke von oben, zwischen dem zweiten „i“ von
Ventimiglia bis zum „a“ der in der Mitte sichtbaren Bezeichnung „Ponte
Polcevera“ ist sie nicht mehr.
In Google Earth kann man das Ganze näher sehen, der
rot markierte Teil ist abgestürzt. Nach dem in der erwähnten Erdbetrachtung vorgegebenen
Maß sind es ungefähr 230 m.
Nimmt man aus Wikipedia das Foto des Bauwerks, so
erkennt man, dass der rot markierte Teil sich links und rechts des Pfeilers
erstreckt, der in der Mitte des ungefähr 950 m breiten Tales liegt.
Den gleichen , nunmehr nicht mehr vorhandenen
Abschnitt der Brücke ist auch auf dem vierten Bild zu sehen, deutlich stellen
sich die einzelnen Sektionen der Brücke dar:
Über den Grundpfeilern, gleich, ob sie breit für
einen Pylon ausgebaut sind, oder nur relativ schmal für einen reinen
Stützpfeiler, ist der eigentliche Brückenkörper jeweils von größerer Stärke.
Dagegen sind die Zwischenstücke, die dazwischen gehängt sind, etwas geringer in
der Höhendimension, wie auf dem folgenden Bild farbig dargestellt.
Der in der Talmitte stehende Pylonpfeiler ist also
eingestürzt, was zur Folge hatte, dass die auf dem entsprechenden Brückenteil
aufliegenden, eingehängten Teile links und rechts ebenfalls hinabstürzten. In
den Printmedien wurde bislang nur erwähnt, dass die Brücke ein Tal quere und
dabei über Gleisanlagen und Straßen leite. Das ist unvollständig. In der Mitte
des Tales fließt der namensgebende Fluss Polcevera. Er wird als Torrente
bezeichnet, aber was ist ein Torrente?
Solche Flüsse gibt es im gesamten Mittelmeerbereich,
bei uns heißen sie (meist in den Alpen gelegen) Sturzbäche. Bei heftigem Regen
können sie ungeheuer anschwellen, weswegen ihnen auch meistens ein breites
Flussbett spendiert wird, um eben Überschwemmungen zu vermeiden. Ansonsten
rieseln sie harmlos vor sich hin, man ist geneigt, besonders im Sommer an der
Vernunft derjenigen zu zweifeln, die solch breite Flussbetten aufrecht
erhalten. Der Torrente hat aber noch einen Zwilling, nicht immer, aber öfters:
das ist der Fluss mit fast identischem Verlauf wie an der Oberfläche, jedoch in
erheblicher Tiefe. Das rührt daher, dass der Torrente meist loses Gestein, Sand
und Kiesel, also wenig bindige Erde, bei den Sturzfluten mit sich geführt
hatte, die nun teilweise tief im Flussbett unten ruhen. Also versickert das Oberflächenwasser
leicht und ein unterirdischer Fluss fließt unerkannt, auch im Sommer, wenn oben alles
ausgetrocknet erscheint. Solche unterirdischen Flüsse münden dann ins Meer, man
erkennt dort den Wasseraustritt an dem kälteren Wasser und den umgebenden Schlieren,
die sich ob der unterschiedlichen Salinität ergeben. Berücksichtigt man noch,
dass das Mittelmeer in geologisch betrachtet jüngerer Vergangenheit eine
erheblich tiefere Wasseroberfläche hatte, so ist nur zu leicht anzunehmen, dass
der Torrente Polcevera sich im Laufe der Erdgeschichte ein sehr tiefes Flusstal
geschaffen hat.
Verwunderlich ist das „Abkippen“ der Ruine des
mittleren Pfeilers, der während des Einsturzes oder kurz davor eine
Schrägbewegung gemacht haben muss. Die Oberstudienratszeitung „Die Zeit“ zeigt
als einzige dieses Bild. Der Pfeiler hat sich offenbar nach Osten abgesenkt.
Bemerkenswert wenig Baustahl ragt aus den Betonteilen.
Dottore ist weder Statiker, noch Bodenkundler, noch
Prophet, aber er ist rechthaberisch. Eine leidige Eigenschaft, bei der es eben dem
richtigen Rechthaber darauf ankommt, auch recht zu behalten, wobei dies nicht
durch Negation des Widerspruches geschehen kann. Gleichwohl wagt er schon heute
eine Prognose über die Einsturzursache: Der in der Talmitte stehende Pfeiler
ist nicht ausreichend gegründet worden, nach langer Standzeit im Tiefengeröll
gab sein Fundament nach. Dabei mag mitgewirkt haben – das kann man in diesem
südlichen Land nie ausschließen –, dass auf wundersame Weise der Beton nicht
ausreichend bewehrt worden ist, obwohl die Pläne dies vorschrieben. Baustahl
ist teuer und begehrt, süditalienische Organisationen können auch in Genua die
Hand aufgehalten haben. Ob dann offiziell das „Betonkriechen“ für die Ursache
angegeben wird, wäre denkbar, ist aber doch zu oberflächlich.
Festzuhalten bleibt aber, dass wir in einer Welt
leben, an der wir unsere Wahrnehmungen nicht unmittelbar anstellen, sondern immer
mehr durch Mittel, eben Medien, kanalisiert werden. Ist es angesichts der
Unmittelbarkeit des Geschehens nicht ein geradezu emanzipatorischer Akt, sich
selbst nun ein Bild von den Sachen zu machen, die nun endlich vor dem eigenen
Auge ablaufen? Es festhalten zu wollen, ist wiederum nur ein Akt der Vermittlung
des Grauens, gar den Zutritt oder die Zufahrt Helfender zu behindern, krass
verwerflich. Und so schauen sie denn zu, unsere südlichen Nachbarn. Ob auch die
italienische Polizei diese Gaffer verscheucht?
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