Hans gehörte nach 1945 zu den angenehmen
Zeitgenossen, die trotz der sich zwangsläufig ergebenen Identifikation mit der
Vergangenheit die Zeit vor dem 8. Mai 1945 nicht verherrlichten oder gar
beschönigten. Unsere Lehrer waren nicht imstande, Zorn über die ihnen
gestohlenen Jahre zu entwickeln, geschweige denn weiterzugeben, nein, sie
verharrten in der antrainierten HAB-ACHT!-Stellung, in unreflektierter Weise
schwärmten sie vom Kriegserlebnis. Hans erzählte dagegen das: Er hatte als
Leistungssportler natürlich zu den Kampfschwimmern gewollt, endete aber 1944
auf einer Flottille aufgemotzter Heringsfischer, die im Ärmelkanal stationiert
war. Diese waren mit allerlei Geschützen, unter ihnen die berühmte 88,
bestückt, die alle hoch oben an Deck montiert waren. Die Boote, ursprünglich
dazu vorgesehen, tief in ihrem Bauch gefangene Heringe heimzubringen, waren nun
nicht mehr sehr seetüchtig, schon bei normaler Fahrt in ruhigem Wasser rollten,
gierten und stampften sie. Eines Tages nun zeigte sich in weitem Küstenabstand
eine alliierte Zerstörerflotte, offenbar wollte man die Wachsam- und
Wehrhaftigkeit der Deutschen prüfen. Die sechs Heringslogger dümpelten ufernah
vor sich hin, als befohlen wurde, einen Angriff auf die Zerstörer zu fahren.
Befehl ist Befehl, also drehten die Logger in Richtung der feindlichen Schiffe
und machten nun in Linie eine schneidige Angriffsfahrt. Alle auf den deutschen
Schiffen dachten an das Kommando, das mit Christus (so glauben alle Christen),
ggf. mit Maria (so glauben alle Katholiken) oder gar mit Mohammed (so glauben
es die Muslime) schon von statten ging, viele machten sich nicht nur im
sprichwörtlichen Sinne in die Hose. Die kleine Armada schaukelte sich seewärts,
die alliierten Zerstörer drehten ab und suchten das Weite. Dort wird man bei
genauerer Analyse der Boote gedacht haben, entweder ist es eine der ominösen
Wunderwaffen oder aber „sie spinnen, die Deutschen!“, wahrscheinlich hatten sie
die Order, nur auszukundschaften, Auseinandersetzungen aber zu vermeiden. Alles
das war fast vergessen, bis Pantalone dieses Bild aus dem Netz fischte, so wird
wohl das Schiff von Hans ausgesehen haben.
Eberhard war von seiner Mutter, die den
vermeintlichen Errungenschaften des Dritten Reiches nicht ablehnend
gegenüberstand, auf eine Schule geschickt worden, auf der die zukünftige Elite
erzogen werden sollte. Sein Vater dagegen sorgte mit gelegentlichen Sottisen
für einen Rahmen des Verstehens von Welt, die anders geprägt zu sein schien.
Dem mütterlichen Impuls folgend und angesichts der aktuellen Lage nächstliegend
sah sich Eberhard in HJ-Uniform – 15 Jahre alt – in einem Schützenloch an den
Seelower Höhen wieder, seine Aufgabe schien es zu sein, das Leben des Wiener
Gelegenheitsmalers zu verlängern. Hätte sich seiner nicht ein älterer und
erfahrener Landser erbarmt, der ihn anwies, unten im Schützenloch die beiden
Karabiner abwechselnd zu laden, er hätte Dottore sicherlich nie erzählen
können, wie er sich rasch von der mütterlichen Seite auf die väterliche wandte,
denn Not lehrt denken. Wer Jugendliche verheizt, verliert den Führungsanspruch.
Seit den Seelower Höhen ist Eberhard Antifaschist. Wie sehr das Denken und die
Realitätseinschätzung damals verschoben waren, lässt sich an dem Bild erkennen.
Für uns heutige Menschen ist es unvorstellbar, dass man mit Rentnern und
Schulbuben für den Krieg werben könnte, damals aber schien dies dem
Propagandaminister tunlich, solch ein Bild zu veröffentlichen, das nur
abschreckend wirkt. Auch die Mümmelgreise und Pennäler vermochten das
notwendige Ende nicht nennenswert hinauszuschieben.
Gewidmet Hans U. und Eberhard F.
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