Der Sammelwut des Alter Ego von
Dottore sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt, ununterbrochen wühlt er sich
durch das Internet und hat nun – dies
ist ihm zuzugestehen – eine neue Ernte eingefahren, wenigstens soweit dies die
fotografierenden Brüder aus Smyrna betrifft.
An der Geschäftsanzeige ist
bemerkenswert, dass die oberste Zeile die türkischen Bewohner anspricht trotz
der offenkundigen Nähe der Brüder zum griechischsprachigen Bevölkerungsteil,
denn damals wurde die türkische Sprache noch in arabische Schriftzeichen hineingequält.
Aber auf den Bildern ist keine wie auch immer geartete Sympathie für den
überwiegenden Teil der Bevölkerung Kleinasiens zu erkennen.
Das erste Bildleiste
zeigt den dicken griechischen General inmitten der mit ihm sympathisierenden
Bevölkerung, nämlich den griechischen Untertanen des Sultans, wie er Fahnen weiht,
ein für Militärs ungeheuer wichtiger Vorgang, normale Menschen sehen das weniger
ergriffen. Die in Griechenland übliche Nähe der Kirche zum Staat und zum
Militär ist auch hier übenommen worden, auf dem linken Bild sind zwei Priester
erkennbar. Dass die nicht uniformierten Menschen als Muttersprache griechisch
verwenden, ist an ihren Hüten ersichtlich, die Standardkopfbedeckung war der
Strohhut, sprich: Kreissäge, während sich die Türken unter dem Fez sicher
fühlten. Der dicke Paraskevopoulos
galt als Anhänger von Venizelos; das hatte zur Folge, dass er später abgelöst
wurde – ein Vorteil für ihn, so richtete
sich später der Zorn der Heimat nicht gegen ihn.
Wenn man jemand als
eigenartig, vielleicht sogar als geisteskrank bezeichnen will, dann gebraucht
man in der Umgangssprache den Ausdruck „du bist wohl vom Affen gebissen
worden“. Genau das geschah aber mit dem König der Griechen mit letaler Folge. Als
mit dem Griechentum innig verbundener Fotograf mussten die Padovabrüder
natürlich an dem Begräbnis in Athen teilnehmen und darüber berichten.
Die jeweils linken
Bilder sind „grottenschlecht“. Pantalone hätte sie normalerweise nie aufgearbeitet,
wenn Dottore ihn nicht wegen der Geschichtsträchtigkeit dazu angehalten hätte. Nun ist ein Ersatz für eines gefunden.
Der alte und neue
König sah sich also genötigt, das zu tun was er nicht wollte: im preußischen
Generalstab ausgebildet hatte eine klare Sicht der Dinge und daher schon lange
Zeit den Eintritt Griechenlands in den Ersten Weltkrieg verhindert. So erbte er
nun durch den Tod seines Sohnes einen Krieg, den er nie hatte führen wollen.
War er während des letzten Balkankrieges noch erfolgreich gewesen, so war jetzt
die objektive Situation doch prekär. Die Griechen empfingen ihn fahnenschwenkend
mit ihren Ehrenjungfrauen, wobei festzuhalten bleibt, dass das rechte, nicht
autorisierte Bild mit Sicherheit von demselben Fotografen gemacht wurde, wie
sein Pendant links.
Auch in dieser Reihe ist
das linke Bild nicht autorisiert, neben dem Gesamtarrangement stellt die leicht
dämlich dreinblickende Ehrenjungfrau auf der linken Seite die Verbindung zu den
vorhergehenden beiden Bildern her. Auf dem rechten Bild sieht man ernüchtert
den griechischen König, hinter ihm den Kronprinzen.
Von ähnlich miserabler
Qualität wie die Trauerbilder ist auch hier wieder das linke, das wohl aus
einer sehr frühen Zeit, wahrscheinlich noch vor der Besetzung Smyrnas gemacht
wurde. Es ist bemerkenswert deswegen, weil ausländische Offiziere mit Türken
zusammen abgebildet sind, damals sprach man noch miteinander und verfügte nicht
nur über sie wie über Eingeborene.
Die folgenden drei
Bilder sind schon vorab veröffentlicht worden, die Bilder wurden ein wenig
gepflegt und aufgehellt, aber inhaltlich ist in der Zwischenzeit nichts Neues
hinzugekommen.
Das Geschäft mit den
Pressebildern war nur eines, für die alltäglichen Einnahmen sorgten Postkarten,
hier sind wiederum zwei abgebildet, nämlich zum einen das liebliche Park der
Artemis im kalten Winter und zum anderen die Aquädukte im Annental. Das linke Postkarte
ist auch ein Beispiel für die Mischung von Geiz und Nationalbewusstsein. Das
Brüderpaar Padova schwamm in der Hochzeit der griechischen Besetzung Smyrnas in
dem Strom mit, der schon Stadt und Umkreis als zu Griechenland gehörig zu
bezeichnete und so druckten sie dies auch auf ihrer Postkarte ab. Der entsprechende
Zusatz “Grece“ wurde allerdings von einem amerikanischen Postkartenverwender
schon ironisch angekreuzt, hier aber ist es wohl ein Türke, der die Postkarte
benutzte. Dies ergibt sich aus der Datumsanzeige, mit der zugleich die
peinliche Zuordnung von Izmir an Griechenland gestrichen wurde, denn gestempelt
und mit türkischen Briefmarken versehen wurden diese Postkarten nach der Eroberung
von Smyrna durch die Türken.
Hier sind wiederum
zwei Sehenswürdigkeiten abgebildet: zum einen der Turm der griechischen Kirche
des Hagios Photini, der von allen sehr bewundert wurde, weil es selten solch
hohe Kirchtürme in der orthodoxen Kirchenbaukunst gab. Offenkundig ist dabei
der Versuch, die himmelstrebenden Minarette mit einem christlichen Gegenstück zu
relativieren. Das große Hotel Huck ist schon gezeigt worden, hier nur eine
Aufnahme in etwas besserer Auflösung.
Ob die Gebrüder Padova
es überhaupt für möglich erachteten, nach eine Änderung der politischen
Landschaft in Smyrna geschäftlich weiter tätig zu sein, erscheint Dottore
fraglich. Gleichwohl gibt es außer den Pressebildern, den mit „Smyrna Grece“
und PV nebst Nummer kennzeichneten allgemein Postkarten noch diese Art von
Bildkarten, die sich durch eine sorgfältige Bildkomposition auszeichnen. Die
abgebildeten Gebäude links könnten in Ephesus stehen, was das rechte Bild
wiedergibt, entzieht sich der Kenntnis von Dottore.
Wenn jemand glaubt, dass
damit Pantalones Sucht, neue Bilder zu suchen, abgeflaut sei, so täuscht er
sich. Dottore wird sich in vielleicht zwei Jahren veranlasst sehen, Padova Freres
8 folgen zu lassen, mal sehen, was er bis dahin zusammengekratzt hat.
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