Dieser Schlaumeier, der fast immer die Texte
verfasst, hatte Unrecht oder aber er verkannte die Hartnäckigkeit von Pantalone.
Denn emsiges Gewinnstreben gelingt auf Dauer eben nur mit einer
kontinuierlichen Haltung, da ist das Erhaschen von Aufmerksamkeit wie in der
Wissenschaft – oder in dem, was sie meint zu sein – ein nur kurzsichtig
errungenes Ergebnis. Seine Prophetie, es gelängen keine weiteren Fänge von
Padova-Freres-Bildern im Netz, ist wie alle menschlichen Versuche, die Zukunft
vorherzusagen, nichts weiter als „eitel Schall und Rauch“. Daher überlässt
Pantalone ihm auch nicht die fällige Kommentierung.
Also die Italiener waren drauf und dran, den
gesamten Südwesten Kleinasiens an sich zu reißen. Ihren Verbündeten,
Großbritannien und Frankreich, passte das nicht, aber das Streben nach der
umfassenden Mittelmeerherrschaft trieb sie an. Neben der realen militärischen
Besetzung wurde auch ein Propagandafeldzug begonnen, so das Hissen der
italienischen Tricolore an Weihnachten 1918. Ein halbes Jahr später sind sie
schon in Kusadasi und bauen offenbar Landungsplätze aus. Höchste Zeit für ihre
Weltkriegsverbündeten, den Griechen die Umsetzung ihrer nicht weniger spinneten
„Megali Idea“ zu ermöglichen.
Woher stammen die Brüder? Eine Affinität zum
Italienischen ist vorhanden, auch zu jüdischem Geschehen, das relativ belanglos
war, gibt es Verbindungen. Aber wir sollten uns mit ihrem Auftreten und
Verschwinden begnügen – einem Kometen gleich; übrigens nur wenigen ist gegeben,
so etwas zwei Mal zu sehen, gelungen ist es einem, der im Gegensatz zu seinem
Namen älter wurde.
Wieder einmal übernehmen Pfadfinder die Funktion der
Protagonisten, zumindest verkörpern sie den Willen, sich den anderen
anzugleichen, ein fragwürdiger Ehrgeiz, allerdings bei „Pfadfindern“ eher
harmlos. Das zweite Bild wurde schon in Padova 2 gezeigt, hier nun einen
besseren Abzug, er hat den Vorteil, dass der Gegenstand des Begehrens der 20
Feldspieler zu sehen ist.
Die Zahl der Photographen wird in Smyrna 1919 nicht
unbegrenzt groß gewesen sein. Da liegt es nahe, bei Bildern des gleichen
Ereignisses dann Vermutungen anzustellen, wenn deren Ergebnis zumindest
plausibel erscheint. Wäre es nicht naheliegend, dass der Photograph, der das
linke Bild geschossen hat, dann weiter am Kai bis zum Hotel Kraemer gegangen
ist, um ein weiteres zu machen? Das Betrachten des rechten Bildes ist eine
Einladung zur Zustimmung, auch dies stammte von den Padova-Freres. Damit der
Leser leichter einwilligt, ist es mit der üblichen Inschrift der Gebrüder
versehen worden.
Pantalone bedauert es grundsätzlich nicht, sich in
Militäruniformen nicht auszukennen, obwohl die Interpretation des linken Bildes
durch das Gegenteil erleichtert würde. Also muss wieder mit der Methode des
Vermutens gearbeitet werden. Die weißgekleideten Herren dürften italienische
Seeoffiziere sein, ihnen stehen Matrosen gegenüber, die wahrscheinlich der
gleichen Marine angehören. Die dunkel uniformierten Herren rechts sind offenbar
griechische Offiziere, der Uniformträger in der Mitte dürfte einen
Offiziersrang in den britischen Streitkräften innehaben. Man schüttelt sich die
Hände, der Weg zu einem griechisch-italienischen Ausgleich wird geebnet, er
führte zur Grenze der Interessensphären im Mäandertal.
Wieder wurde ein Türke missbraucht, ahnungslos steht
er, an den Hosen erkennbar, vor seinem Gefährt, einer „anatolischen Nachtigall“
– dieser Name wurde solchen Gespannen wegen der Quietschlaute zuteil. Nun muss
er mit seinen Ochsen die Rückständigkeit verkörpern, ein in unseren heutigen
Augen schales Unterfangen, wäre doch der Gegenstand der Modernität heute ein
begehrtes Museumsstück; den drei Grinsern
auf dem Wagen war mitsamt dem Photographen die Raschheit der eigenen Musealität
nicht geläufig.
Das linke Bild feiert in der Benennung des
Ausflugslokals nach Mersinli die damalige Errungenschaft der griechischen
Marine, die heute noch existiert, den Panzerkreuzer Georgios Averoff. Jetzt liegt er als einer der letzten Erhaltenen
seiner Art im Hafen von Phaleron und lässt die griechischen Besucher von
vergangener Macht träumen. Tja, die Ausgaben des griechischen Staates für seine
Wehrkräfte waren immer schon zu hoch, aber schuld waren die anderen, früher die
Turkokratia, heute Märkell; wirkliche Souveränität schließt die Einsicht in
eigene Fehler ein. Wer sich jedoch in neoliberale Kredite stürzt, kann kaum
sozialistisch zurückerstatten, es sei denn, er verfällt Illusionen.
Über das rechte Bild ist bereits im Post „Tarih,
Tarih“ berichtet worden, hier aber nun die rekonstruierte Fassung.
„Nein, Dottore, nichts darfst Du anfügen!“
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