Es ist nachgerade
peinlich und scheint von geringer Belesenheit zu zeugen, wenn sich Dottore
bisweilen an den gleichen Quellen labt und sie zitiert. Jedoch bedingt die
Schäbigkeit der Zeitläufte den Rekurs auf längst Bekanntes, die Langweiligkeit und
der Wiederholungszwang der Politik verhindert neues Denken über sie, das dann
kurzweilig wäre. Zuerst nun das Zitat:
Marx beginnt seine
Schrift „Der 18te Brumaire des Louis Napoleon“ mit den Wörtern:
“Hegel
bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen
sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal
als Tragödie, das andere Mal als Farce. Caussidière für Danton, Louis Blanc für
Robespierre, die Montagne von 1848-1851 für die Montagne von 1793-1795, der
Neffe für den Onkel. Und dieselbe Karikatur in den Umständen, unter denen die
zweite Auflage des achtzehnten Brumaire herausgegeben wird!
Die
Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien
Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen,
gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter
lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt
scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen,
gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die
Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen,
Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser
erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen.“
Das letzte Mal wurde
das Zitat aufgewärmt, als es galt, eine sich Altkommunistin Wähnende in ihre
Schranken zu weisen, nun gilt, einem sich als Jungkommunisten Betrachtenden (und
Betrachteten) die Vergeblichkeit seines Handelns aufzuzeigen.
Aus einigen Bildern in diesem Blog geht hervor, dass
seine Protagonisten sich in jüngster Vergangenheit des Öfteren und Längeren in
Griechenland herumgetrieben haben. Unmittelbar nach dem Erkennen der Herkunft
wurde Beiden von ihren griechischen, sofort in Larmoyanz verfallenden
Gesprächspartnern „Merkäll !“ entgegengestammelt, was nach wenigen Tagen prompt
mit „Turkokratia !“ beantwortet wurde. Fast immer ergab sich daraufhin ein
Gespräch, in dem die griechischen Teilnehmer doch nicht umhin kamen, ihre
Neigung zu erfassen, immer andere für die eigene Situation verantwortlich zu
machen. Bis zu dem neueren finanziellen Desaster wurde der Kritik mangelnder
Wirtschaftskraft die 500-jährige Herrschaft des osmanischen Reiches entgegengesetzt,
allerdings nur im eigenen Verständnis der Griechen. Denn diese Ausrede ist
falsch. Seit dem Ende der Turkokratie sind gelinde 180 Jahre vergangen. Die
tüchtigen Seefahrer auf den ägäischen Inseln unterhielten – zum Osmanischen
Reich gehörig – im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert eine der größten
Handelsflotten, die teilweise unter zaristischer Flagge segeln durfte.
Allerdings wurde den Veränderungen im 19. Jahrhundert nicht Rechnung getragen. Aber
grundsätzlich können sie es also, die Griechen, was dann später auch wiederum Onassis
und Niarchos bewiesen haben.
Wenn es in einer kleinen bis mittleren Stadt in
Griechenland 2008 drei Schuhgeschäfte für Kinder bis ungefähr 6 Jahren gab, man
die jeweiligen Betreiber nicht für kaufmännische Idioten hält, dann ergibt sich
daraus beispielhaft, dass das gesamte Volk weit über seine „Verhältnisse“
gelebt hat. Ein Kardinalfehler eines Handeltreibenden ist es, Umsatz mit Gewinn
zu verwechseln, Griechenland verwechselte vorhandenes Geld mit frei
verwendbarem Geld, Kreditmittel mit Ertrag. Natürlich kann man den Kreditgebern
vorwerfen, wieder einmal auf den „Mexikoablauf“ hereingefallen zu sein, der
darin besteht, dass Bank D denkt, wenn die Banken A, B und C Kredite gewähren,
nun, dann kann auch unser Haus dies machen. Aber der Kreditnehmer kann sich
darauf ebenso wenig berufen wie der indische Vergewaltiger auf die angebliche
Leichtfertigkeit des Opfers. Die Griechen haben die Kredite verbraten, die
daher nicht sehr schmackhafte Soße ist vorab ihre Speise.
Nun waren es aber nicht schuhkaufsüchtige Mütter,
die die Misere eingebrockt haben, sondern wie es in diesem Wirtschafts- und
Sozialsystem üblich ist, haben sich die jetzigen Eigentümer der Immobilien in
Paris, London und New York die wirtschaftlichen Scheinerträge angeeignet. Und,
wie es in diesem Wirtschafts- und Sozialsystem üblich ist, wollen nun die unvorsichtigen
Banken A bis D von allen Griechen ihr Geld zurück. Die Immobilienbesitzer
werden also im gleichen Maße wie die Schuhkäuferinnen, wie es in diesem
Wirtschafts- und Sozialsystem üblich ist, zum Zahlen herangezogen, die ersten
machen es – wenn überhaupt – widerstrebend, die zweiten können es nicht. Die
dem Klientelismus verhafteten Cliquen, die bislang die Regierungen stellten, hatten
kein Konzept außer „Doing by Durchwursteling“. Die Schuhkäufer begehrten auf,
es war wohl unumgänglich, dass die murrenden, aufmuckenden Bürger eine andere
Politik durchsetzen wollten. Verständlich, aber noch kaum geeignet, die
selbsteingebrockte Situation zu lösen. Außenstehende, eben Journalisten,
hielten die Gruppierung, die es anders machen wollte, schon für links. Solch
eine Klassifizierung ist schnell bei der Hand, wenn jemand nicht untertänigst
bereit ist, die Normen zu akzeptieren, die in diesem Wirtschafts- und
Sozialsystem üblich sind. Ein Konzept aber, außer der verbal erklärten großen
Weigerung, hatte auch sie nicht, sie war dem darbenden Volk nah, aber die
Differenz zum Populismus ist schwer einzuhalten. Wahlredensartige Ausführungen
machen bei den Banken A bis D und deren Gerichtsvollziehern, den Regierungen
der anderen Länder, wenig Eindruck.
Hinzu kommt eine den Südländern eigene Haltung, die
darin besteht, Würde zu beanspruchen statt sie zu leben. Würdig haben die
Griechen fremdes Geld verbraten, jede wie auch immer geartete Rückzahlung würde
diese Würde beeinträchtigen. Damit wir uns recht verstehen, die neueren
Hilfsleistungen waren nichts weiter als Durchlaufgelder, die Staaten gaben den
Griechen frisches Geld, damit diese den Banken alte Zinsen zahlen konnten. Aber
alle haben keinerlei Konzept entwickelt, wie aus Griechenland ein Staat werden
kann, der den Ansatz hat, durch eigene Wirtschaftskraft sein weiteres Dasein zu
gestalten. Hinzu kommt eine sehr spezifische Zockerqualität, nie ist etwas
endgültig, so ein ganz klein wenig muss doch der Vertragspartner beschissen
worden sein, heute sag ich „Ja“, aber morgen erkläre ich, es sei nur ein „Höchstwahrscheinlich“
gewesen. Privat ist das dann als liebenswert abzutun, aber die Banker aus den
anderen Ländern, selbst viel garstigere Zocker, haben für solche Wippchen kein
Verständnis.
Der Rückzug auf den vermeintlichen Willen des Volkes
ist lächerlich: Wer von seiner Mami gefragt wird, ob seine Schulden etwa
bezahlen wolle oder nicht, der schaut sie vertrauensvoll an und traut sich dann
„Nein“ zu sagen. Die Mami wird’s schon richten. Dabei haben die Griechen einmal
mit großer Würde „Nein“ gesagt. Als der großsprecherische Mussolini es seinem Kumpanen
Hitler gleichtun wollte, plante er von dem schon unterworfenen Albanien aus
eine Besetzung der strategisch wichtigen Punkte Griechenlands und ließ dies in
Form eines Ultimatums dem damaligen griechischen Ministerpräsidenten vorlegen.
Kurzgefasst, er antwortete großartig und würdevoll mit „OCHI“, was das gesamte
Volk einte und zu einem für den Gernegroß aus Rom peinlichen Desaster führte.
Dieser Ochitag, jeweils am 28. Oktober gefeiert, wird sich als würdiges Ereignis
nicht wiederholen, sondern es wird eine allenfalls klebrige Erinnerung daran
verbleiben; die nächste Clique wird kommen, willfährig und ohne innere Würde.
Der deutsche Verhandlungsführer aber, erfahren in der Verschleierung kleiner
Geldbeträge an der Kassenwartin vorbei, hat die Chance verpasst, einen zwar
zuerst bitteren, dann aber tragfähigen Schäubleplan vorzulegen, dass können
dann doch nur wirklich kluge Politiker, wie dies Herr Marshall einer war.
So ist es im Kapitalismus: Alle bemühen sich krampfhaft,
die Erkenntnisse von Mohr und General zu bestätigen. Dottore macht da keine Ausnahme,
auch er hat keine Lösung, es ist schon schwierig mit dem Richtigen im Falschen.
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