Pantalone drängt ständig, die
Galerie dieser Straße vorzuziehen, weil er wegen eines Bildes vor Stolz platzt.
Je nun, er liefert die Bilder an, da kann ich ihm das auf Dauer kaum versagen.
Also, wie ausgeführt, die
diversen Bilder der verschiedenen Photographen geben sehr häufig die gleichen
Motive wieder, hier ist am rechten Rande der Straße die Moschee des Amr Aytmish
al Bagasi zu sehen. Der baute nun – dem altägyptischen, überhaupt nicht
islamischen Brauch folgend – sich solch ein schmuckes Grab, jedoch durch seine
politische Ranküne verspielte er seine Erwartung, in ihm begraben zu werden,
denn er wurde 17 Jahre nach der Erbauung im fernen Damaskus geköpft. Als Muslim
konnte er nicht wie weiland Nelson im Rumfass überführt werden, Eis gab es
nicht, also blieb das Grab leer. Nur der Name des Bauwerks erinnert an ihn.
Prosper Georges Antoine Marilhat wurde trotz seiner schönen Vornamen ein Opfer der bösen Syphilis, nur kurz weilte er in Ägypten. Auch er zauberte den Orient in seine Bilder, die folgenden Photographien (und eine Autopsie) schließen aus, dass die Straße jemals sich fast platzartig erweiterte, sogar mit Palmenbewuchs. Zu seiner Zeit gab es noch die alten, aufwendig gestalteten Minarettspitzen, bevor das vermutete Erdbeben sie köpfte. Der Wiederaufbau geschah osmanisch: in Bleistiftform und verkürzt. Auch das aufwändig gestaltete Tor ließ auf ein bedeutendes weiteres Bauwerk schließen.
„Nun soll Pantalone
loslegen.“
„Wieder einmal gönnerhaft,
wie?“
Pantalone meint:
Also das Bild habe ich – wie
vor Jahren in einem Post beschrieben – gereinigt, überretuschiert und farblich
abgestimmt. Nun war aber auf dem Scan nicht mehr alles vorhanden. Das Geländer
in der Mitte des Bildes war in Teilen verschwunden, ich habe es
„nachgebaut“. Da ich nicht auf dem
Original rumretuschiere, halte ich das für legitim. Umso mehr freut es mich,
dies Bild, was nun ein klein bisschen auch mein Bild ist, nicht nur auf
schlichten anderen Webseiten, sondern auch bei Institutionen wiederzufinden,
die Bilder verbreiten wollen. Ich glaube, Sebah würde mir anerkennend auf die
Schultern klopfen.
„Die Eitelkeit dieses
Venezianers ist unerträglich.“
Just als Hammerschmidt die Al
Mahgar Straße (die Straßenbezeichnungen verändern bisweilen etwas ihren
Wortlaut, je nachdem, welche Transkription man benutzt) entlang flanierte,
dachte er, ach, was für ein schönes Motiv! Pustekuchen, mit mindestens 30 kg
Photoausrüstung flaniert man nicht, selbst wenn Said das Meiste schleppen muss.
Er war von seinem Studio eigens aufgebrochen, um endlich diese Moschee
aufzunehmen, weil immer wieder die Reisenden nach solch einem Bild fragten.
Und, weil Said zu spät gekommen war, lag schon Schatten auf der Hauswand mit
dem Tor. Egal, nun er schon da, die Vorliebe der Engländer für diese mohammedanischen
Gräber konnte er sowieso nicht verstehen. Es gab doch so viele wirkliche
Altertümer!
Francis Frith war das egal, er nahm auf, was
begehrt war. Beschäftigt mit dem Aufbau dessen, was man heute eine Bildagentur
nennen würde, achtete er auf gute Verkaufsmöglichkeiten, die Motive wurden ihm
vom Publikum vorgegeben. Hinterher ärgerte es ihn, dass er das Gebäude rechts
nicht mehr ins Bild gerückt hatte, trotz der herausstehenden Balken schien es
ihm, als wäre es von Interesse für die Käufer. Was es wohl einmal war?
Also zog er zwei Monate
später noch einmal aus, leider war die Regenzeit angebrochen, all die staubigen
Straßen hatten sich in Lehmwege verwandelt. Auch die Nachfrage bei den
Anwohnern ergab keine stichhaltige Antwort über die frühere Funktion des
zugemauerten Gebäudes mit dem großformatigen Tor, nur ein Alter meinte
plausibel, dort wäre einmal ein Han gewesen, aber der wäre schon zu Jugendzeit
verfallen gewesen.
Bei Photoglob entging das
Bild der Kolorierung, es lohnte nicht den Aufwand, allerdings musste man es im
Angebot haben. Denn die meisten Touristen gingen auf der Straße zurück in die
Stadt, wenn sie die Citadelle und die Moschee Sultan Hassan besichtigt hatten.
Das moslemische Bauwerk war drauf, das reichte.
Dies Bild dürfte Mitte der
1930er Jahre entstanden sein, der Gebäuderest mit den drei Bögen zur Straße hin
ist abgerissen, ein neuzeitliches Haus ist an seiner Stelle gebaut. Der Strom
der Kaufinteressenten ist noch nicht versiegt, mit den Sonnensegeln versucht
der Inhaber des Ladens in der Bebauungslücke durch orientalischen Brauch die
Differenz zwischen Draußen und Drinnen zu überwinden, die zugleich die Differenz
zwischen unverbindlich und erkennbar angelockt ist.
Doris Behrens-Abouseif widmet
sich in ihrem lesenswerten Buch „Islamic Architecture in Cairo, an
Introduktion“ der Baugeschichte der Stadt in moslemischer Zeit, eine regionale
Nachfolgerin des legendären K.A.C. Creswell. Auf Seite 21 ihres Buches
illustriert dies Bild eine der vielfältigen Kuppeln der mamelukischen Periode in der moslemischen
Architektur der Stadt Cairo. Die Kuppel hat den Halbmond auf der Spitze
verloren, zugleich ist die Schäbigkeit des Wiederaufbaus des Minaretts im 19.
Jahrhundert zu erkennen, das Empfinden für die Schönheit der vergangenen Spitze
war mit vergangen, schale Funktionalität verbunden mit der Bevorzugung moderner
Baustoffe war an dessen Stelle getreten.
Daher die Flucht in die
Bilder fernerer Vergangenheit, wobei keine Illusion darüber vorherrscht, dass
früher irgendetwas besser gewesen sei, es war nur anders. Wir wissen nicht
einmal, was die Berichterstatter des Gewesenen beeinflusste. Prokop und sein
Opfer Theodora sind eben kein Einzelfall. Der unbekannte Maler jedenfalls war
den Frauen mehr zugetan als den üblichen Kamelen. Alles ist auf dem Bild, die
Tiefe durch das ferne Minarett, der Lagernde steht für die Breite des
Vordergrundes. Schade, dass wir den Namen des Künstlers nicht kennen.
Aus einer Malerdynastie
stammt John Varlay, der dies Bild malte. Er wird es wohl Ende des 19.
Jahrhundert geschaffen haben, der Moschee galt sein Hauptinteresse.
Die Zeiten,
in denen wie auf dem Bild die Zeit still zu stehen schien, sind lange vorbei.
Jeglicher religiöser Ausflug in die Politik ist von Übel. Dies erkennen
insbesondere diejenigen nicht, die vor 900 Jahren Opfer einer christlichen
Variante dieses Fehlers waren: die Muslime wurden während der Kreuzzüge,
gemessen am Satz der Nächstenliebe, nicht den Dogmen der Religion entsprechend
behandelt. Nun sind es die Muslime selbst, die jeglichen Respekt verloren
haben. Ach, so fragwürdig die tatsächlichen Ergebnisse der Aufklärung im Westen
auch sein mögen, dem Islam täte eine solche Aufklärung gut, um zu begreifen,
dass Regelungen aus der Einsamkeit der Wüsten um Mekka im Jahre 600 nicht
unbedingt tauglich sind, in einer Ansiedlung mit 15 Millionen Menschen das
Zusammenleben zu gestalten. Aber, es werden wohl noch Jahrzehnte vergehen,
viele Menschen sterben, bis der Geist des Fanatismus verweht sein wird.
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