Samstag, 27. April 2013

Partielle und totale Blindheit


Seit Jahren versucht uns das ZDF einzureden, mit einem Auge sähe man besser als mit zweien. Wenn man wenig einsichtig ist, dann mag dies zutreffen. Alle anderen Menschen freuen sich jedoch, mittels ihrer zwei Augen perspektivisch sehen zu können, etwas, was nun erklärtermaßen dem ZDF abgeht, abgesehen vielleicht von der Sendung „Neues aus der Anstalt“. Aber schon viel länger sind Techniker bemüht, dem Menschen ihre Sicht der Welt aufzudrängen; meist ist dies bislang dann nach deren Ansicht notwendig gewesen, wenn der agierende Mensch hohen Geschwindigkeiten ausgesetzt ist, in denen er aber noch zielgerichtet handeln soll.

Der Fahrer eines Rennwagens (ein aussterbendes Wort in Zeiten allgemeiner Schnelligkeit) muss den Streckenkurs beobachten und zugleich die Instrumente im Cockpit. Nun braucht das menschliche Auge angesichts der Geschwindigkeit des Gefährts viel zu lange, bis es sich an die unterschiedlichen Entfernungen adaptiert hat; entwicklungsgeschichtlich brauchte das menschliche Auge bei knapp 40 km/h – der üblichen menschlichen Höchstgeschwindigkeit – nicht schneller zu sein. Um dieses Manko auszugleichen hatte man bei Porsche vor Jahrzehnten schon einmal den Drehzahlmesser vorn in die Fronthaube eingebaut. In Kampfjets wird Wichtiges in Grün auf die Frontscheibe projiziert, aber die Steuerung derartiger Geräte wird heute nicht mehr dem Menschen in Gänze überlassen, dieser bestimmt nur noch, wo es denn hingehen soll, für Einzelheiten ist er überfordert. In Kampfhubschraubern hat es sich nun bewährt, den Blick des Piloten zu teilen: mit dem einen Auge sieht er auf einen Bildschirm, der in einem brillenartigen Gestell vor seinem Auge hängt, das andere Auge wird noch für würdig befunden, das unmittelbar zu sehen, was man nur noch unter Vorbehalt mit „Wirklichkeit“ umschreiben kann.

Diese kriegerische Errungenschaft will nun Google als allgemeine Wohltat unter der Menschheit verbreiten, bislang sind erst wenige auserwählt, diesen Blick in einen vermeintlichen Fortschritt zu werfen. „Glass“ ist ein Gestell, das das rechte Auge dazu verleitet, nicht mehr die Welt zu betrachten, sondern deren Surrogat, eben das, was sich die Macher bei Google darunter vorstellen. Wäre es da nicht besser, gleich für beide Augen derartige Sichtweisen vorzusehen. Das rechte Auge kann – wie schon jetzt vorgesehen – der vergoogelten Weltsicht frönen, dieweil das linke noch so etwas auf das sieht, was als real geduldet wird. Mit zunehmender Vergoogelung ist nämlich daran zu denken, vor dem linken Auge eine Kamera einzubauen, deren Daten dann an das örtlich zuständige Google Data Center gesendet werden, dort in Bruchteilen einer Nanosekunde bearbeitet werden, um dann auf den linken Augenbildschirm übertragen zu werden.

Dem Vernehmen nach wird an einer Weiterentwicklung gearbeitet, wobei dazu Gehirnforscher involviert sind, später soll nämlich das umständliche Brillenscreening aufgegeben werden, sondern dem willfährigen und überglücklichen Googlemenschen werden Elektroden eingepflanzt, die in der Lage sind, nicht nur Bilder, sondern auch Gerüche, Empfindungen, Emotionen und sonstige Erkenntnisse zu vermitteln. Die Freiheit nehmen wir uns selbst, nicht nur die dümmsten Kälber … .    

"Sag einmal Dottore, wo warst Du denn so lange?" 
"Mich hat es wieder nach Griechenland gezogen, Du weißt, die Antike!"
"Keine Bilder für diesen Post?"
"Manchmal darf nur Text wirken, die Bebilderung ist auch eine Verbilderung, Bilder sind zu beliebig."
Pantalone (beiseite gesprochen): "Selten hat er recht, aber diesmal doch."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen