Montag, 4. April 2011

Sebah 6 oder: das merkt doch keiner!

Venustempel in Baalbek von Bonfils

Aus der im Blog „Sebah 2“ stammenden Quelle ist dieses Bild von Felix Bonfils entsprudelt. Es zeigt den sog. Venustempel im großen Heiligtum von Baalbek. Die Autorschaft ergibt sich eindeutig aus der Beschriftung, zudem existiert es eine Fülle von Bildern dieses Fotografen von dieser Stätte.
Bonfils als Sebah deklariert

Im Katalog eines renommierten deutschen Kunsthauses wird dieses Bild als eines ausgegeben, das von Pascal Sebah stammt. Prima vista schon sind die Übereinstimmungen mit dem zuvor gezeigten Bild sehr groß, so dass erstaunt, zwei so unterschiedliche Fotografen sollen fast identische Bilder gemacht haben?
Rubellin

Wahrscheinlich zuvor hatte der in Smyrna ansässige Fotograf Rubellin den Tempel aus der gleichen Position abgelichtet, dabei ist aber nichts von einer Mauer zu sehen. Wenn man die Stätte besser kennt, weiß man, dass in der Richtung, aus der fotografiert wurde, – noch heute – eine Moschee steht, die gegenwärtig keinen mehr sie umgebenden Freiraum hat. Dieser ist offensichtlich den Ausgrabungen bzw. den Freiräumungen zum Opfer gefallen. So steht sie nun mit ihrer Außenmauer unmittelbar am Grabungsgelände. Auf den frühen Bildern sind eben meist noch die abgrenzenden Mauern zu sehen.
Ansichten des Venustempels von unbekannten Fotografen 1 und 2

Die Zusammenstellung der Bilder unbekannter Fotografen zeigt einmal die Westansicht und dann die gegenteilige Seite des Bauwerks, das außen von fünf Nischen umsäumt wird, denen das Dachgesims mit konvexen Bögen folgt.
Ansichten des Venustempels von unbekannten Fotografen 3 und 4

Diese Bilder stammen auch von unbekannten Fotografen, das linke ist eine der kolorierten Postkarte, wie sie vor 1914 gedruckt wurden, die rechte zeigt den Venustempel ohne die beengenden Moscheemauern; als Entstehungszeit kann man die Jahrhundertwende annehmen, da zwischen 1898 und 1905 deutsche Archäologen in Baalbek „Ordnung schufen“, dazu andermal mehr.
Ein Plan des Gesamtheiligtums von Baalbek zeigt, dass der Tempel eine kleine Zugabe ist, er wurde auch später als die Großbauten errichtet. Hätte Adolf Loos 16 Jahrhunderte früher als Adolfus Solus in der PROVINCIA PHOENICA des Römischen Reiches gelebt, sein Verdikt des Ornamentes hätte vielleicht dessen immer wieder auftretende und dabei immer schäbiger werdende Wiedergeburt in der Architektur verhindert. So aber unterdrücken die Ornamentbänder der ungeschlachten Bauwerke in Baalbek die ansonsten rasch eintretende Erkenntnis des Betrachters, dass Steigerung in der Darstellung nicht durch schiere Vergrößerung zu erreichen ist. Dem „Venustempel“ kommt dies aber zugute.
Das auf menschliches Maß reduzierte Gebäude kommt einem geradezu zierlich und anheimelnd vor, man mag es gerne mit Venus verbinden, obgleich es höchstwahrscheinlich ihr nicht geweiht war. Ob es der Verehrung der Musen gedient haben mag, erscheint Dottore zweifelhaft, da die Aufgliederung der Außenfassade in fünf Nischen der Aufteilung im Innern entspricht, es gab aber der Musen neun. Passt nicht!
Bonfils Aufnahmestelle
Zurück zu dem angeblichen Sebahfoto. Beide Fotos sind vom gleichen Standort aus gemacht worden (roter Pfeil), das ergibt das Entlangpeilen an Kanten des Vordergrunds zu weiter in der Tiefe liegenden Punkten. Der später im Studio gemachte unterschiedliche Bildausschnitt der Bilder vom gleichen Motiv ändert diese Einsicht nicht. Das signierte Foto ist das spätere: Zwar hat die Sonne ihre vertikale Stellung nicht geändert, aber sie ist zwischen Foto 2 und Foto 1 weiter nach Westen gewandert, dies sieht man an den Baumstrünken und ihren Schatten (die Bäume scheinen ihre Blätter und Zweige an einen Halter von Ziegen verloren zu haben, die im Mittelmeergebiet durch Entlaubung ihre Tiere füttern). Auch der kleine Junge ist in der Zwischenzeit von der südlichen, blau markierten Nische in die südwestliche, grün gekennzeichnete Nische geklettert.
Na, gut, meint Pantalone, aber warum dies in aller, schon anödenden Breite? Dottore entgegnet: Das von Kunstversteigerungen lebende Unternehmen wurde vor einem Monat von mir auf die damals als reinen Fehler erscheinende Falschzuordnung hingewiesen. Man erkennt nach nur kurzer Beschäftigung mit den Fotografien des 19. Jahrhunderts in der Levante fast auf den ersten Blick, ob ein Foto von Sebah stammt (vielleicht noch von Bechard) oder von dem Vielabbilder Bonfils. Sebahs Fotos sind dicht und sind trotz des Mediums nicht die schlichte Ablichtung der Realität. Die höhere Qualität bedingt heute zu Recht einen höheren Preis. Das Sebah untergejubelte Bild soll € 400,00 kosten, als Bonfilsfoto wäre es weniger wert. Cui bono ist daher eine nicht zu unterdrückende Frage. Wenn man sich wenigstens zu einem „attr.“ durchgerungen hätte, so aber wird das Bild im Netz kopiert und die Falschzuordnung stabilisiert. Eberhard sagte eben schon immer, dass Kunst und Geld nichts miteinander zu tun haben (sollten).

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