Kleinasien 1962
Als ich endlich 16 Jahre alt wurde und Moped fahren durfte, da empfand ich das Unverständnis der Erwachsenen über meine Begeisterung blöd, ihren Zorn über die Lärmbelästigung übertrieben. Als Erwachsener dachte ich Ähnliches, wenn ich Rentner oder Pensionäre klagen hörte, man käme zu rein gar nichts. Es stimmt aber, seit Jahren habe ich den Blog vernachlässigt, weil eben so viel anderes ansteht. Bis zu meinem 104. Lebensjahr werde ich wohl die am meisten dräuenden Sachen bewältigt haben, aber wer weiß, bestimmt ist Neues, Wichtiges hinzugekommen und es ist immer noch nicht alles erledigt, wahrscheinlich aber nur ich selbst. Dabei hat Pantalone fleißig und akkurat - bis auf einige nicht mit Photoshop gefegte Himmel - die Bilder seit langem aufbereitet, nur ich kam mit dem Textverfassen nicht nach. Auch kann ich mich nicht auf irgendeine letargie covidienne berufen, es war halt anderes zu machen.
[Exkurs: Da der Text vor längerer Zeit begonnen wurde und ihn Pantalone gelesen hatte, fühlte er sich provoziert und hat sich als Reiniger der Bilder betätigt. Denn die Dias wurden nicht gescannt, sondern abfotografiert, daher also ohne Scansoftware behandelt.]
Damit nun nicht weiter wenig geschieht, kommen die Bilderserien nunmehr ohne Text, optisch ist sowieso plausibler als schriftlich - der Betrachters ist weitgehend passiv, der Leser muss schon ein Mindestmaß an Aktivität aufbringen. Der Hiatus zwischen den Jahresbildern (1962, 1963 - 2015ff.) ist nicht durch fehlende Reisen, sondern durch die Lästigkeit und damit das Unterlassen des Bilder-scannens bedingt.
02 Istanbul 2
03 Istanbul 3
04 Istanbul 4
06 Am Bosporus07 Topkapi Saray
08 Troja
09 Assos
10 Karawane nahe Bergama
11 Kamel vor Asklepieion
12 Izmir Agora
13 Sultaninentrocknung im Hermostal
14 Sardes Tempel
15 Sart Dorfpumpe
16 Kula Vulkan
17 Bus Izmir - Konya
18 Konya Schuhputzergarde
19 Konya
20 Aspendos Skenengebäude
21 Perge
22 Antalya Hafen
23 Straße Antalya - Burdur
24 Hierapolis
25 Ephesos Artemistempel
26 Ephesos Sog. Hadrianstempel
27 Piginda Mosaik
28 Milet
29 Didyma Löwe
30 Didyma Tempel Sekos
31 Didyma Tempel Treppenhausdecke
32 Bodrum Englisch-gotische Kirche
33 Idyma Felsgrab
34 Blick auf Marmaris
Natürlich wäre es möglich, zu jedem Bild eine Geschichte zu erzählen, die Dottore kurzweilig vorkommt, aber in Wirklichkeit nur eine uralte Tramperschote ist (umgangsprachlich für: Anekdote aus dem Dasein eines Menschen, der per Anhalter reist). Da Pantalone mault, er habe soviel Bilder aufgearbeitet, nun könne Dottore nicht leicht davonkommen, ohne Text abzusondern; nun doch eine, aber zu einem weiteren Bild:
Plan von Ephesos mit PoststempelZu sehen ist der Plan von Ephesos in einem uralten Reiseführer nebst eines Poststempels vom 29.08.1962 und der handschriftlichen Eintragung des Ortes der Hauptpoststelle in Selcuk. Und das kam so: Im Gegensatz zu heute, wo jährlich über 5 Millionen Menschen Ephesos besuchen, war der Publikumsverkehr damals eher spärlich. Der am Ausgrabungsort tätige Mitarbeiter der Post hielt offenbar Ausschau nach Menschen, die er als deutschsprachig einschätzte. So fiel sein Augenmerk auf den jugendlichen Dottore, den er um Hilfe bat. Er habe sich in eine Österreicherin verliebt, die ihm - so deutete er es diskret an - wohl ihre Gunst erwiesen hatte. Nun wolle er ihr schreiben, könne aber solch einen Brief nicht verfassen, seine Deutschkenntnisse seien zu gering dazu. Er hatte einen Entwurf, der hölzern und gestelzt war. So setzte sich also Dottore hin und schrieb dem schmachtenden Postmeister den ersehnten Liebesbrief verbunden mit der Auflage, ihn gänzlich wenigstens selbst abzuschreiben. Den überschwänglichen Dank kanalisierte Dottore in den Stempeldruck auf den Plan und eifrig markierte der Postmensch die Stelle, wo er im Winter amtierte. Das Verfassen des Briefes geschah am Fuß des Hügels, an dem später dann die Hanghäuser ausgegraben wurden.
Damals wie heute gibt es wenige Verbindungen zwischen den griechischen Inseln und dem kleinasiatischen Festland, 1962 war ein Übersetzen nur zwischen Chios und Cesme sowie Rhodos und Marmaris möglich. In Marmaris traf Dottore erst ungefähr drei Wochen später ein. 1962 war es selbstverständlich, dass alle Fremden in Kleinasien miteinander sprachen, wenn sie sich zufällig trafen. So lernte Dottore während der Wartezeit auf die Fähre ein Pärchen kennen, wobei der männliche Part angab, Germanistikstudent zu sein. Er konnte erzählen, er habe in Aspendos zwei amerikanische Fotografen getroffen, einer groß mit rotem Bart, der andere ziemlich klein. So erfuhr Dottore, dass die beiden Männer, die ihn von Troja über Pergamon bis Izmir mehrere Tage lang mitgenommen hatten, wobei der VW einen Getriebeschaden erlitt, nun wieder ein repariertes Auto hatten. Als Schmankerl erwähnte er, er habe einem Mitarbeiter der Post in Ephesos einen Brief schrieben sollen. Hier nun fiel Dottore ein: Du willst Germanistikstudent sein und schreibst solch einen miesen Brief! Beschämt wandte er ein, er habe unter Zeitdruck gestanden, räumte aber ein, sein Entwurf sei wirklich nicht gut gewesen.
Folgen:
Die Österreicherin wird auf den Brief hin ihre für sie lockere Urlaubsbekanntschaft nicht intensiviert haben. Der Germanistikstudent ist als verdienter Oberstudienrat schon lange pensioniert. Dottore ist eine uralte Schmonzette losgeworden. Der Leser hat wenige Minuten seines Dasein mit der Lektüre einer Überflüssigkeit verbracht.
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