Mittwoch, 21. November 2018

Das ist der Unterschied!


Jeder Mensch durchläuft nach seiner Geburt eine Ausrichtung an Normen. Da sind vor allem die Normen der physischen Welt, die Naturgesetze. Das biologische Geschehen des Stoffwechsels bringt die erste Kontaktaufnahme des Säuglings hervor, hat er Hunger, dann schreit er. Einige Zeit später ist es das physikalische Phänomen der Gravitation, das in der Form der Erdanziehung hier regiert und den aufrechten Gang schon im tatsächlichen Sinne schwer macht. Bei einem Verstoß lernt das Kleinkind rasch, weil bisweilen schmerzhaft, dass es einen Reibungswiderstand gibt. Allen Naturgesetzen ist eigen, dass sie jeden Verstoß unnachgiebig ahnden, alles wird sanktioniert. Gnade gibt es nicht.

Komplizierter sind dagegen die gesellschaftlichen Normen, da sie in ihren Folgen abgestuft sind. Vorab sind es Verhaltensnormen, die dem Kind andressiert werden („das macht man nicht!“), später dann durchsetzt mit allgemeinen Gesetzen, die auch die Eltern befolgen müssen, zum Beispiel die von den Ländern erlassenen Schulpflichtgesetze. Fast immer „wächst man in die Normen herein“, ohne sie genauer zu kennen geschweige denn, sie jemals gelesen zu haben. Soziale Normen sind in den jeweiligen Gesellschaften sehr unterschiedlich, schon die körperliche Nähe zu einem anderen Menschen variiert, die Distanz ist in England erheblich größer als in den Ländern am Mittelmeer. Aber überall ist es so, dass die Menschen diejenige Normsozialisation, die sie durchlaufen haben, für das halten, was eben „normal“ ist. Es bedarf der ununterbrochenen Reflexion, um in anderen Zivilisationen nicht anzuecken.

Die Globalisierung bringt nun einiges durcheinander. Schon immer musste man sich in der Fremde gegenüber den Naturgesetzen so verhalten, wie man es gelernt hatte, aber bei den gesellschaftlich vermittelten Normen war das anders: Die bisher eigenen, antrainierten Normen musste man so weit beibehalten, wie sie nicht im Widerspruch zu denen der neuen Umgebung standen, die aber waren teilweise anders, manchmal sogar verstörend, fast immer irritierend. Langsam und mit erheblicher Vorsicht gelingt es meistens, sich in die fremde Normenlandschaft einzugewöhnen. Jedoch ist nicht nur der Wechsel des Aufenthaltsorts notwendig, um Normenkonflikte loszutreten.

Mohammed bin Salman al-Saud ist als Prinz aufgewachsen, er durfte fast alles, bei Tötung gab es ein festes Reglement, mit 500 Kamelen war fast alles wieder gut zu machen. Nun wähnte er sich im Kreise der übrigen Gewaltherrscher, muss aber feststellen, nur das Öl unter seinen Füßen bewahrt ihn vor weiterer Empörung und möglichen Sanktionen. Er wird alsbald auf der G-20 Konferenz die anderen Großkopferten fragen können, warum nicht auch er Herr über Leben und Tod anderer Menschen sein kann (deren Handlungsweise war an dieser Stelle vor kurzem in dem Post „Was ist der Unterschied?“ behandelt worden). Die werden ihm dem Sinne nach sagen, was man eben den kleinen Kindern vorhält: „Das macht man nicht!“ Im Vertrauen äußern sie dann: „Man lässt jemanden töten, aber nicht abschlachten, Dir hängen die orientalischen Eierschalen noch an der Kufiya!“ 

Tip von Dottore an den Prinzen für die Beseitigung des nächsten missliebigen Menschen:
1.      Einholung einer Fatwa, dass diese Kreatur nicht weiter leben darf.
2.      Gelinder Protest der Regierung dagegen, der Obermufti bestätigt jedoch das Urteil.
3.  Warnung an den Menschen über offizielle Kanäle, leider gäbe es in außersaudischen Ländern Hitzköpfe. Man bietet sogar eine Leibwache an.
4.   Einem nicht so sehr missliebigen Staatsbürger wird über kurzen Draht - um die Zahl der Mitwisser klein zu halten - bedeutet, dass er der Gnade der Führung wieder teilhaftig werden könne, wenn er sich an die Fähigkeiten der Assassinen erinnern und entsprechend handeln würde.
5.   Nach dem Geschehen wird dem Täter ein Lebensabend bereitet wie seinerzeit Idi Amin.

Der wirkliche Rat von Dottore sieht aber anders aus, weil er dialektisch ist: Lebenlassen, aber beobachten. Der Kritiker von heute ist der geeignete Vasall von morgen. Das ist zynisch, erspart aber Ausgrenzung, ist schlau, weil berechnend, bringt kurzfristig moralische Vorteile, langfristig größere Sicherheit. 

Aber der Bub aus Riad muss eben noch lernen!   

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