Da spiegelt eine Frau sich und der Allgemeinheit vor,
eine qualifizierte Ausbildung hinter sich gebracht zu haben einschließlich
einer entsprechenden Berufspraxis. Dottore ist in diesem Fall zynisch, er neigt
der Ansicht zu, man lerne nach dem ersten juristischen Staatsexamen in der
Folgezeit sowieso nur zwei Dinge: Einmal das richtige Zitieren von Aktenzeichen,
zum anderen – im Bereich des früheren
Preußens – wie man ein Blatt einer Akte so faltet, dass es bei einem
Aktenvortrag rasch und sicher zum Zwecke des Vorlesens einer wichtigen Passage
gefunden werden kann (sog. „Preußischer Aktenkniff“). Beides weist einen als
zugehörig aus, man ist in der Kaste der Volljuristen angekommen, zumindest aber
auf dem Weg dorthin. Je weiter diese Frau nun auf der Leiter der Karriere emporstieg,
umso schwieriger, fast unmöglich wurde es für sie, zur biederen Wahrheit
zurückzukehren. Wendet man sich in solch verfahrener Situation an einen
juristischen Berater, so tut man gut daran, ihn vorab darauf zu überprüfen, ob der ebenfalls von Eitelkeit geplagt ist;
sollte das der Fall sein, so meide man den Rat und die daraus folgende Tat.
Wenn man als Angeklagter vor Gericht steht, dann hat
es sich in den letzten Jahren so eingebürgert (eigenartiges Wort!), dass der
Untäter sein Geständnis durch den Verteidiger verlesen lässt; Hintergrund ist
dabei, dass nur so der Verteidiger sicher sein kann, dass sein Mandant sich nicht
ungeschickt äußert. Wie solch ein Geständnis im tiefsten Innern der richtenden
Personen gewertet wird, entzieht sich der Empirie; Dottore schätzt den Wert
eines solchen Geständnisses gering ein – im Hinblick auf die Strafzumessung. Meist
erfolgt es, wenn sowieso die Beweislage „erdrückend“ ist, den FAVOR FORI muss
man anders erringen als mit ein bisschen Arbeitsersparnis bei der
Beweisaufnahme. Was jedoch vor einer Strafkammer gegebenenfalls oder eventuell zweckmäßig sein kann, ist
es gegenüber der Öffentlichkeit nie. Ein wirklich guter und uneitler Berater
hätte der Essener Bundestagsabgeordneten geraten, es so zu handhaben, wie
weiland 1077 Heinrich IV. vor Canossa, also selbst und unmittelbar für sein
eigenes Unrecht einstehen, und nicht, über einen Anwalt eine peinsame Erklärung
absondern lassen. So bleibt den nur der Rückzug aus dem Gebäude der Lüge, der
Rückzug aus den Gefilzen der Politik übrig; übrigens bleibt festzuhalten, wie
wenig man juristisch geschult sein muss, um Gesetze zu machen.
Den gleichen Fehler hatte schon der unselige
Bundespräsident Wulff gemacht, der mit seinem Volk, dessen Repräsentant er
bisweilen war, nur noch via Anwalt kommunizierte. Man muss zwar nicht mehr
barfuß im Schnee stehen, aber doch wenigstens so viel Schneid haben, das Richtige und Wichtige selbst zu sagen. Schon
deshalb war er unqualifiziert, einschließlich seines Beraters, der seinen Drang
nicht zügeln konnte, nach Außen hin in Erscheinung zu treten. Wenn man
sophisticated ist, macht es zudem mehr Spaß, mit Marionetten zu spielen,
aber auch dies ist dann pervers.
So zählt es denn zu den bitteren und unnötigen
Folgen der Eitelkeiten, dass alle sich als unfähig erweisen, wenn es um die
eigene Person geht. Schon Max Frisch sagte sinngemäß, man erfindet eine Geschichte
und erklärt, das sei sein Leben.
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