Wolfgang inszenierte sein Stück in Wilhelmsbad, er hatte Dottore eingeladen. Horst hatte davon gehört und bat, mitfahren zu dürfen, na klar. Am Treffpunkt standen dann noch Benjamin und Katalyn, sie saßen hinten. Benjamin hatte – nach Friedrich Stoltze: Die Kapp – die Hannelswisseschafte, aber doch an der Universität, studiert, heute will er bei Adorno gehört haben, nun ja, da waren wir doch alle. (Zwar war bei Teddie der Hörsaal immer voll, aber die Schar derer, die bei ihm gehört haben, erinnert Dottore doch sehr stark an die Riesengruppe derjenigen, die alle im letzten Flugzeug aus Stalingrad gesessen haben wollen). Benjamin stand damals auf der untersten Stufe der Welt, in der er sich heute bewegt. Seinerzeit jedenfalls schien er an Katalyn interessiert zu sein, sie sah auch schnuckelig aus.
Wenn man alle im Auto Reisenden der „linken Scene“ zuordnen würde, dann täte man ihnen kein Unrecht. Die Senioren auf den Vordersitzen hatten ihre Mutmaßungen über Wolfgangs Inszenierung kurz vor Frankfurt beendet und schwiegen. So wurden sie Zeugen des Raspelns auf der Hinterbank. Wenn man jung ist, fällt es bisweilen schwer, das Gefallen des anderen Geschlechtes dadurch zu erregen oder zu festigen, wenn man aus der überbordenden Fülle seines Daseins plaudern will, die großen, imponierenden Taten liegen noch vor einem. Der Rückgriff auf die Errungenschaften der Altvorderen bietet sich da an. Die familiäre Aura hätte es ihm auch ermöglicht, unter normalen, also schlicht-bürgerlichen Verhältnissen damit zu reüssieren, war doch sein Vater einer derjenigen, dem in Frankfurt zahlreiche Wohn- und andere Häuser gehörten. Aber die politischen Anschauungen ließen das nicht zu, strunzen mit väterlichem Eigentum wäre nur peinlich gewesen.
Benjamin erwies sich als ein Meister der Dialektik (hat er also doch bei Teddie gehört ?). Er räsonierte über seine Teilnahme am Frankfurter Häuserkampf, über die Auseinandersetzungen bei Hausbesetzungen mit den Ordnungskräften. Am schlimmsten aber war, dass er mit einem Vater geschlagen war, der zu den Hausbesitzern zählte, musste er doch im Kampf für eine bessere Welt sogar die Häuser seines Erzeugers mit besetzen. Väterliches Eigentum verwandelte sich in die Bürde des Sohnes. Die Auseinandersetzung zwang ihn, sich gegen die Welt seines Vaters zu wenden, Katalyn fühlte mit ihm. Auf ein Eckhaus zeigend meinte er, auch dieses Haus seines Vaters habe er mit besetzen müssen, innige Schauer durchrieselten Katalyn. Nicht mehr die schlichte Strunzerei, mein Vater ist sehr vermögend, machte Eindruck, sondern die tapfer ertragene Last, der Sohn eines kapitalistischen Hausbesitzers zu sein, war Anreiz.
Die schlichte Umkehrung der Verhältnisse, gar die nur verbale, ist noch lange nicht Negative Dialektik. Oder, wie sagt doch der Südhesse: Mer strunze nit, mer hunn.
Für Horst
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