Dienstag, 10. September 2013

Vergeblich, jedoch ohne Frustration

Ursprünglich war die Einrichtung eines Blog dazu gedacht, dass der jeweilige Betreiber dort LOGbuchartig einen Abschnitt seines Lebens festhält und bekanntgibt, kaum erbaulich für die Mitwelt. Denn nicht jede Lebensäußerung ist es wert, auch noch mitgeteilt zu werden, schlimm genug, dass jemand solches empfindet. Pantalone und Dottore haben bis jetzt nie das Bedürfnis gehabt, ihr Inneres nach Aussen zu kehren. Heute nun soll eine Ausnahme gemacht werden, weil der Anlass nicht eine emotionale Blähung ist, sondern ein nachvollziehbarer, überpersönlicher Ablauf.

Die USA strebten danach, Syrien mit einem Raketenangriff zu überziehen, wobei der einzige Grund zu sein schien, dass der Friedennobelpreisträger Obama schlicht kriegslüstern war. Die Abgabe von markigen Worten, gar Ehrenworten, hat schon dem Bundeskanzler Kohl geschadet; Obama sah sich unter Handlungszwang, als wäre es für einen Politiker schädlich, schlauer zu werden, also von dem „Geschwätz von gestern“ abzuweichen.

Die Widersprüchlichkeiten der Haltungen zum syrischen Bürgerkrieg sind offensichtlich: Die Bundesrepublik liefert keine Angriffswaffen an die Gegner des Regimes, sondern unterstützt diese durch die Lieferung von Schusswesten. Dass ein solch ausgestatteter Rebell nicht auch Gefangene erschießt, christliche Würdenträger entführt, erschließt sich den hier Regierenden kaum. Jedoch wenn deutsche Staatsbürger die Absicht bekunden oder diese gar umsetzen, die Rebellen zu unterstützen, dann sind sie sofort (wenn nicht schon zuvor) Observationsobjekte der Geheimdienste; was denn nun? Freiheitskämpfer oder Islamisten? Diese tatsächlich bestehende Unklarheit wäre durch ein gezieltes Bombardement nicht beseitigt worden. Assad ist Dottore schon als dynastischer Nachfolger unsympathisch, allerdings funktionierte im Staat Syrien die religiöse Toleranz, was nun schon fast beseitigt ist. Für ein Volk ist Demokratie nützlich und erheblich, der Fortbestand der Staatsfunktion jedoch lebensentscheidend, siehe Somalia.

Also waren Dottore und Pantalone gegen den Einsatz von Bomben, Raketen und ähnlichen Waffen gegen die auf dem Gebiet Syriens Agierenden. Hinzu kam: als Kriegshalbwaise hat Dottore im Lateinunterricht ab 1950 den Begriff zu dem lateinischen Wort „bellicosus“ nicht begreifen können, dazu gab es zu viele Männer mit nur einem Bein, am Schulweg wohnte eine Frau mit einem verbranntem Gesicht. Heute kann er sich den Inhalt verständlich machen, bei der Betrachtung der USA und seiner Führung weiß er nun, was „kriegslüstern“ ist. Dabei geht denen der Arsch gehörig  auf Grundeis, wenn der Krieg ihr eigenes Land berührt, man denke an Pearl Harbour, den Kubakonflikt und letztlich den 11. September. „Fern hinten im `Orient´“ kann man fröhlich bombardieren, nur Gods Own Country darf nicht getroffen werden.

Bei beiden Protagonisten herrscht keine Illusion über den Einfluss der Äußerungen in diesem Blog, aber Untätigkeit haben beide schon ihrer Verwandtschaft hinsichtlich deren Verhaltens in der Zeit zwischen 1933 und 1945 vorgeworfen, sie wollten sich keiner ähnlichen Rüge ihrer Enkel aussetzen. Daher wollte Dottore die berüchtigte Rede von A.H., die er am 1.9.1939 vor dem handgeschnitzten Reichstag zur Rechtfertigung des Überfalls auf Polen hielt, zu einem Entwurf einer Ansprachen des Friedensnobelpreisträgers vor dem Congress umwandeln. Eine scheußliche Arbeit, immer wieder musste er abbrechen, weil die Widerwärtigkeit des Urtextes ihn ansprang. Die Dappigkeit oder die Raffinesse des Außenministers Kerry, der damit seinem Leitwolf aus der selbstgeschaffenen Bredouille holte, geschickt von Moskau aufgegriffen, scheint zu bewirken, dass dieser sinnlose Angriff wohl nicht stattfinden wird. Also braucht Dottore diesen Erguss widerlicher Rhetorik nicht weiter umwandeln. Die Vergeblichkeit der bis dato geleisteten Arbeit schlägt ob der geänderten Lage nicht in seelische Frustration um, sondern führt nur zu diesem Post.  

Mittwoch, 4. September 2013

Damenausflug mit wechselndem Himmel

Das erste Bild wird vom Museum für Ostasiatische Kunst in Köln (P 629) verbreitet, nach dessen Meinung soll es von Guillaume Berggren stammen; da sind Zweifel angebracht, allenfalls die Schrift lässt eine derartige Behauptung zu. Rein geographisch fällt der Aufnahmeort aus dem Bereich des Museums, sicherlich kein schlagkräftiges Argument, jedoch ein kalmierender Hinweis.

Bild 01

Das fast identische Bild wird von der Bibliothèque nationale de France auch präsentiert, dort meint man, es stamme von den Abdullah-Brüdern; das ist plausibler, aber auch nicht belegt.

Bild 02

So im Netz kann man die dritte Version fischen, sie wird dort ohne Autorenangabe offeriert.

Bild 03

Um einen Vergleich zu ermöglichen, hat Pantalone für Dottore Bild 03 auf die kölsche Version umgewandelt.

Bild 04

Eine weitere Version existiert ebenfalls im Netz, dort hat jemand seine ungeheure Fähigkeit zur Schau gestellt, das sepiagefärbte Bild 03 in eines durch Graustufen geprägtes zu verwandeln. Gebracht hat´s nichts, lediglich der Vollständigkeit halber sei es aber gezeigt.

Bild 05

Eine dunklere und kleinere Version stammt wahrscheinlich von der Sammlung, die mit dem Ölmagnaten Getty in Verbindung gebracht wird, auch hier war Pantalone hilfreich, er hat es aus dem dunklen Rahmen gelöst, vergrößert und farblich Bild 01 angenähert.

  Bild 06

Bild 07

Bild 08

Zu ergänzen bleibt noch, dass auf dem Blog „Pera Müzesi“ eine Zuordnung an Sebah behauptet wird.

Aber, betrachten wir uns das Bild in seinen Variationen einmal genauer: Zu sehen ist ein in der Tradition ländlicher Zugwagen stehendes Prunkgefährt, das unter seinem Dach drei verschleierte Frauen transportiert. Vorgespannt sind zwei Ochsen, überreich mit einem hohen Puschelschmuck ausgestattet. Es soll so scheinen, als ob drei männliche Wesen das Gefährt führten. In Wirklichkeit steht der Wagen, die drei Männer tun so, als schritten sie, jeweils ein Bein ist vorgestreckt, offenbar hat der Photograph sie dazu angewiesen. Die Ochsen konnte er allerdings nicht dazu bewegen, Schreiten zu markieren, sie stehen ruhig da. Dottore ist kein Hundekenner, er hält es für jedoch ausgeschlossen, dass solch eine Töle ruhig daliegen bleibt, wenn unmittelbar neben ihr ein Fuhrwerk vorbeizieht. Im Hintergrund ist tief unten ein Gewässer zu sehen, offensichtlich ist dies der Bosporus. (Pera Müzesi meint, die Aufnahme sei auf dem Yuşa Tepe gemacht, das wollen wir ihm glauben.) Die ersten zwei Bilder zeigen nur einen Ausschnitt, ansonsten scheinen sie identisch zu sein.

Mitnichten:
Zu den Zeiten von Berggren, Abdullah Freres, Sebah laborierte man mit den Emulsionen noch herum, das Negativmaterial war nicht geeignet, das Blau des Himmels wiederzugeben, die weißen Wolken hoben sich nicht ab. Vergleicht man aber die Himmelspartien der Bilder, so kommt man unschwer zur Erkenntnis, einem Grundbestand der Aufnahme wurden drei Mal unterschiedliche „Himmel“ zukopiert. Das mag jeweils in dem Studio Berggren oder dem der Brüder Abdullah oder bei Sebah & Joaillier geschehen sein, nur, wer der Urheber des Ausgangsbildes gewesen sein mag, erhellt sich dadurch nicht. Bild 03 kommt der Urfassung vermutlich am nächsten.

Bild 09

Wenn nur diese Drei in Frage kämen, so schlösse Dottore G. Berggren aus, der konnte sich solch eine Installation nicht leisten, Sebah & Joaillier hatten einen anderen Stil, also bliebe es an den armenischen Brüdern hängen. Jedoch die Sache endet nicht hier: Signore Ernesto Caldi, seines Zeichens künstlicher Fotograf, griff ein. Er veranlasste, dass der hinterher schreitende Herr wieder seinen Esel bestieg, der Kutscher nahm die Peitsche in die Hand, nur der Ochsenführer hatte nichts mitbekommen, sehnsuchtsvoll starrt er in das Tal der Rinderfurt.

Bild 10

Da protestierten die Damen, zu lange schon hatten sie unbequem auf dem Bretterboden des rumpelnden Gefährtes hocken müssen. Wenigstens etwas wollten sie sich entspannen, was der unbekannte Photograph sich nicht entgehen ließ, auch das lichtete er ab.

Bild 11

Wieder gibt es Versionen, auf einer haben die Abdullah-Brothers es sich angeeignet.

Bild 12

Die Lösung?
Die wird es wohl nie geben, da selbst ein auftauchendes Originalnegativ nichts bewiese, zu leicht konnte man damals mit den großen Plattenkameras sich gegenseitig die Bilder weg - kopieren (auf eine Eigenkopie im Hause Sebah hatte Dottore in dem Post „Sebah 11“ hingewiesen).

Ein widerliche Trittbrettfahrerei ist noch anzumerken: Ein in verschiedenen Sprachen agierendes Unternehmen, das alte Aufnahmen auf neuen Abzügen verkauft, behauptet umsatzgeil, es handele sich bei den Damen um weibliche Sinti oder Roma. Den Zigeunern ging es damals im Osmanischen Reich so dreckig wie heute in Rumänien, dies zeigt ein nun wirklich von Sebah & Joaillier stammendes Bild.

Bild 13

Gewidmet der Sintezza Spinetta Weimer, die in Ausschwitz erleben musste, wie ihre drei Geschwister verhungerten. Dottore ist stolz und dankbar dafür, dass sie ihn einen Freund nennt.

Nachtrag:

Apodiktische Feststellungen, und seien es die eigenen, lassen Dottore nicht ruhen. So schaut er beim Surven durch das Netz immer wieder auf Bilder, die schon bekannt zu sein scheinen. Zu den Kutschenausflügen nun hat er drei weitere entdeckt, die jedoch das Rätsel der Autorschaft nicht lösen, aber die angebliche Zuordnung der ersten Bilder an Sebah unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Bild 14

Es ist nur ín einer indiskutablen Größe zu fischen; da es auf dem Visitenkartenformblatt des alten Sebah, also von Pascal sen., aufgelichtet wurde, scheint es von ihm zu stammen, zumal es heute nicht geschäftsmäßig vertrieben werden soll.

Bild 15

Das gleiche Bild, allerdings größer in der Darstellung, aber immer noch nicht in der ehemaligen Ausdehnung, wird von einem Menschen gezeigt, der alle seine (welche?) an dem Bild gewahrt wissen will. Die erkennbare Schrift ist sebah´isch, dessen übliches Signet ist nicht mitgescannt.

Bild 16

Der von Orhan Pamuk ein wenig zu überschwänglich gelobte Postkartendrucker Fruchtermann hat seinen Kunden auch ermöglichen wollen, eine "türkische Kutsche" nach Hause zu schicken. Die Kolorierung ist etwas missglückt, die Ochsen haben die Farbe von Ferkeln, die sich auch noch dem Vorderreifen mitgeteilt hat.

Interessant ist nun, wer hat was wann aufgenommen? Die Ochsen sehen gleich aus, die Damen sind verschleiert kaum erkennbar, aber an den Kutschen, da pack´ man! Sämtliche Kutschen auf den Bildern 1 bis 12 haben die gleiche Seitenwange, was dafür spricht, das sämtliche Aufnahmen zu einem Zeitpunkt gemacht worden sind - und wahrscheinlich auch von einem Photographen. Die auf Bildern 14 und 15 abgebildete Kutsche trägt auf der Seitenwange keine geschnitzte, lange Girlande, sondern diese ist dort mit einem Blumenbukett verziert. Pascal Sebah wird als derjenige zu betrachten sein, der zuerst dieses Sujet abbildete.

Später dann haben Sohn & Kompagnon nochmals ein solches Photo gemacht, das dann Fruchtermann zur Vorlage diente. Die Kutsche ist abermals eine andere.

Bild 17

Ausschlussverfahren sind im Grunde genommen der Kern der Popperschen Meinung, dass man nichts verifizieren, sondern nur falsifizieren kann. Wie schön macht sich doch ein philosophischer Abgang!