Freitag, 20. Februar 2015

Padova Freres 4

Hier nun die „neuen“ Bilder der Padova-Brüder; wenn Pantalone weitere findet, dann wird es Nachträge hier geben.


Und wieder haben sie sich geirrt oder nicht genau zugehört: Es ist kein Minensucher, sondern ein Zerstörer, den die Flotte Großbritanniens in den Hafen von Smyrna schickte. Ein großartiges Einzelschicksal über dieses Schiff ist nicht zu berichten. Die S-Klassen Zerstörer der Briten im WW I waren wie die der Fletcher-Klasse der Amerikaner in WW II in Massen hergestellt worden; sie wurden so lange mit Namen, die mit „S“ begannen, getauft, bis der Admirality die Namen ausgingen, einige hätten daraufhin eigentlich in die T-Klasse gehört. Ihnen wurde die Gnade des späten Stapellaufs zuteil, zu frisch in WW I und zu alt in WW II sanken nur zwei „in action“. Die HMS Sportive wurde abgewrackt.


Zwischen der linken und der grünen Aufnahme ist einer der fotografierenden Brüder ein Haus am berühmten Kai von Smyrna weitergegangen. In dieser Zeit ist der Dachreiter wegen der besseren Sicht vom First zur Traufe heruntergerutscht. (?Wer siehts?) Die nun defilierenden Evzonen waren nicht nur Gut-Gegürtet, sondern sie erwiesen sich im griechisch-türkischen Krieg auch als Kallimachoi, als Schön-Kämpfer. Insbesondere das 5./42. Evzonenregiment unter der Leitung des damaligen Oberst Nikolaos Plastiras zeigte das, was man von ihrem Stand als Soldaten erwarten kann, Tapferkeit und Weitsicht. Statt wie die Masse ihrer Kameraden an die Küste zu den alliierten Schiffen zu eilen, um nur die eigene Haut zu retten, war diese Truppe darauf bedacht, die dort wohnenden Griechen vor der Rache der Türken zu retten. Tausende von ihnen verdanken Plastiras und dem Regiment ihre weitere Existenz.  Er ist ein griechischer Anti-Karremans.


Und so soll dieser tapfere Mensch auch abgebildet werden. Seine Handlungen heben sich bemerkenswert von der Larmoyanz der Griechen ab, die sie befällt, wenn sie das Wort von der „kleinasiatischen Katastrophe“ hören. Sie vergessen den heute verehrten Staatsmann Venizelos, der begriff, dass den griechischen Massakern von 1919 die türkischen von 1922 folgten und nach dem (nur damaligem?) dumpfen Nationalismus auch folgen mussten, er besuchte Atatürk und stellte mit ihm eine Basis im Verhältnis zwischen den Völkern auf beiden Seiten der Ägäis her, die danach trotz des gemeinsamen Leidens durch das große Erdbeben verlassen wurde. Plastiras selbst hat sich ein wenig durch sein späteres Handeln diskreditiert, was aber seine einmalige Leistung nicht schmälert.


Trotz aller Kunstfertigkeit von Pantalone merkt man diesem Bild an, dass es von einer PDF – Datei zurückverwandelt wurde, zu groß sind die schleimig erscheinenden Flächen. Es soll sich um ein französisches Hotel oder Institut oder beides zugleich handeln, der Menschenauflauf scheint sich in der Rue Franque ereignet zu haben. Nichts an dem Bild ist bemerkenswert, es wird solo documentandi causa gezeigt.


Ein Glück, das wir nicht zu Dritt auftreten, dann wäre es unerträglich und folglich unmöglich. Auf Dottores Zwischenfrage, ob das Gebäude der Italienischen Schule noch in Izmir stände, hat Pantalone recherchiert und kommt nun ohne Antwort, aber mit einem weiteren Bild der Padova Freres an. Es hätte in Padova Freres 1 gehört, zeigt es doch schön, wie nationalistisches Denken nicht mit dem Eintritt in einen kirchlichen Orden endet. Hier beweisen die Dominikaner italienisches Nationalbewusstsein statt sich in Buße über ihre Untaten während der Inquisition zu üben oder ihres Mitbruders Giordano Bruno zu gedenken. Jawohl, Dottore ist bei mangelnder Einsicht der Täter nachtragend, erst im Jahre 2000 haben die deutschen Dominikaner sich von den Schauprozessen distanziert.  Kontinuität birgt immer die Last in sich, auch an den Untaten der Ahnen mitzutragen. Auf Deutschland gewendet bedeutet es, nicht nur Bach und Beethoven, Goethe und Kant sind Teil unserer Geschichte, sondern eben auch Hitler und Himmler, Sobibor und Treblinka. 


Nachtrag, 10 Tage später:

„Das hat er nun davon, mein durch nichts zu warnendes Alter Ego Pantalone. Da nötigt er mich, über diese Photografen (Wer diesen Blog mit Kontinuität liest, weiß, dass Lichtbildner längst vergangener Zeiten mit „ph“ geschrieben werden, während bei der Bezeichnung ihrer neuzeitlicheren Kollegen „f“ verwendet wird. Diese Brüder stehen so dazwischen, daher die geteilte Orthografie.) lange Texte abzusondern garniert mit den von ihm aus dem Netz geangelten Bildern. Nun beklagt er sich, dass er keine mehr findet, weil in den Googlen aller Länder und auch bei anderen Suchmaschinen die eigenen Bilder vorherrschend sind, neue gibt es nach seiner Ansicht erst wieder in weiter Zukunft. Weltweit bedeutet bei abgelegenen Themen nichts, das Netz ist insoweit welteng. Das aber hätte er sich vorher denken können. Nun hat Dottore es nicht mit dieser Philippika bewenden lassen, sondern auch wegen der „Post aus Smyrna“ (siehe seitliche Anzeige) nachgebohrt, ob da nicht ähnliches zu befürchten sei. Aber Pantalone erklärte, er sitze da auf fast 2000 Bilder, da habe er das Abgrasen schon seit geraumer Zeit eingestellt. Na, gut, wenn er denn das meint. Aber das mir dann keine Klagen kommen!“

Donnerstag, 19. Februar 2015

Padova Freres 3

Nur die Tatsache, dass es so viele Bilder von den Padova Freres zu erhaschen gab, war der Grund, ihre Menge vorab auf drei Posts aufzuteilen. Während des Verfassens der Texte hat Pantalone jedoch weiter gesucht. Weitere bislang noch nicht ins Netz gesetzte oder übersehene oder schon ergatterte Bilder werden – chrono- und ikonologisch nicht ganz korrekt – in einem vierten Post unterzubringen sein.

Der letzte Post über die Photographenbrüder endete sehr royal, so soll denn dieser ebenso beginnen. Zuerst war nur Herr Stergiades, der zum „Hohen Kommissar“ ernannte Verwalter des okkupierten Gebietes, Bewohner dieses Anwesens in Kordelio, dem heutigen Karşiyaka. Daher lungern die Bewacher auf dem linken Bild auch so herum. Nachdem Konstantin I. eingezogen war – man sieht es am Wappen –, verwandelten sich die grauen Fustanellas in weiße, die Zackigkeit nahm zu. Dottore fällt zu dem militärischen Gehabe ein: Als die Sozialdemokraten noch der richtigen Ansicht zuneigten, sie müssten nicht ums Verrecken staatstragend sein, da florierte unter den Genossen über die Residenz und den Potentaten darin folgender Spruch: „Ist der Lappen draußen, ist der Lump drinnen, ist der Lappen drinnen, ist der Lump draußen.“ Heute streben die Sossialdemokraten nach einem Zapfenstreich, mit Fackeln versteht sich.   


Das stattliche Haus ist wie fast alle Gebäude in Karşiyaka der Bodenspekulation zum Opfer gefallen, zweifellos hatten auch die Türken wenig Anlass, der zeitweiligen Funktion des Hauses Referenz zu erweisen, aber abgebildet wurde es in den 1930 Jahren von der gleichen Stelle doch noch.


In relativ friedlichen Zeiten – die kriegerischen Auseinandersetzungen fanden entfernt von Smyrna statt – haben es Pressefotographen schwer, was sollen sie abbilden, welche Bilder können sie verkaufen? Also verlegten sich die Padova Freres auch auf den Postkartenvertrieb. Der Hafenbetrieb war in Smyrna immer prägend, auf dem rechten Bild kann man dank der Nähmaschinenherstellerin erkennen, dass die Konsonantenkombination „ng“  im griechischen „γγ“ geschrieben wird. Der Personenverkehr zwischen den Stadtteilen findet bis heute zu einem erheblichen Teil über Schiffe statt. (Für Ikonodoulen: In Padova Freres 1 wurde der Kreuzer Brisbane gezeigt, das dortige Haus im Vordergrund ist identisch mit der hier zu sehenden Fährstation, nur die beiden Bretter oberhalb der Verzierung des Ortgangs mit der Reklame sind neu.)


Embedded, wie Dottore die Padova Freres bezeichnet hat, wird man nicht ohne Gegenleistung. Die Brüder editierten ihre Postkarten mit der Ortbenennung „SMYRNE Grèce“, was völker- und staatsrechtlich falsch, aber den Herrschenden genehm war. Es wurden die üblichen Touristenattraktionen abgelichtet, ein bisschen garniert mit griechischen Uniformträgern. Wie hoch war das Porto? Auf der linken Karte sind 2 X 3 Lepta abgestempelt. 


Pantalone berichtet, nach seiner unendlichen Suche smyrniotischer Postkarten erkenne er auch die Schreiber an ihrer Schrift. Solch eine Fähigkeit möchte Dottore nicht erwerben! Der Versender der linken Postkarte zeigte seine Verwunderung über die Zuordnung der Stadt an Griechenland, was ihn jedoch nicht hinderte, die Karte gleichwohl zu kaufen. Die rechte trägt nicht die Signatur „P.V.“ nebst Bestellnummer, gleichwohl wird die Karte die gleichen Editeure haben.


Munter trabt das Rösslein vor der Tram, die nach wie vor (ca. 1920) von der Familie Guiffray betrieben wird. Ihr stattliches Haus ist neben dem Tramwagen im Knick des Kai zu erkennen. Mit Personennahverkehr konnte man also damals richtig Geld verdienen, ohne staatliche Subventionen. Nach der Wiedereingliederung Smyrnas übernahm die Stadtverwaltung Izmirs den Betrieb, die Familie Guiffray verkaufte das Haus an das Deutsche Reich, das darin das Konsulat einrichtete, bis 2005 amtierte es dort.


Auf  dem linken Bild ist die Verzierung eines Kiosks zu erkennen, die damals allenthalben an Gebäuden in Smyrna zu sehen waren. Sie erinnern an die Schlüsselbrettchen, die als Antwort auf das Geburtstagsgeschenk von dem braven Bub mit der Laubsäge aus Sperrholz hergestellt wurden; besser war nur „der Pfeifenständer aus Backpflaumen“, den sich Viktor ersann. Bei dem rechten Bild glimmt in Dottore der Verdacht auf, die Padova Freres hätten ein bestehendes Fotografiegeschäft übernommen: Zu türkisch sind die Überbringer der ersten Feigen gekleidet.


Es scheint Schnee in Smyrna gefallen zu sein, auch das meteorologische Klima war abgekühlt. Auf der linken Seite ragt der Garten des Sporting Clubs ins Bild. Die rechte Postkarte zeigt nicht den Bazar, sondern einen der Wochenmärkte. Das gleiche Motiv hat auch Fred Boissonnas aufgenommen, und natürlich besser als diese aus dem Nichts auftauchenden und ins Nichts verschwindenden Brüder.


Eine Abweichung von den hier ansonsten präsentierten Dyptychen ist deswegen geboten, weil der gleiche Gegenstand abweichend und doch gleich dargestellt wurde. Zuerst war es – schon in der Zeit der griechischen Besetzung – das Clubhaus der Jäger, allerdings hatte sich nach dem Plakat über der Eingangstür der YMCA in ihm breit gemacht, vermutlich nicht die newyorker Variante. Auch bei den Griechen zeigt sich insoweit die Eigenart von Jungmännervereinigungen, als Fünfte Kolonne ge- oder missbraucht zu werden. Dann verwandelt es sich zuerst mit der gleichen Aufnahme in das „Haus der Soldaten“, mit und anschließend ohne wehender Flagge.


Die weitere Metamorphose zeigen die Padovabrüder nicht, es existiert ein Bild vom September 1922, da ist dann die Verwandlung vollendet, nur die Vorderfront steht noch. Das Beherbergen von Soldaten birgt also gewisse Risiken.


Hier nun pack´ mah sie! Die linke Postkarte ist ein altes Bild, das den zwischen Sariskişla und Konak liegenden Platz zeigt, eindeutig mit Türken bevölkert. Nach dem kriegerischen Anlanden der griechischen Soldaten fing hier das erste Blutvergießen an, natürlich mit einem ominösen „ersten Schuss“, von dem keiner weiß, wer ihn abgegeben hat. Danach nisteten sich die griechischen Militärs in der Kaserne ein, solch einen harmlosen Spaziergang wie auf dem Bild wird es nicht mehr gegeben haben. Von Pantalone weiß Dottore, dass es eine Vielzahl von Variationen dieser Aufnahme gibt, alle vor 1918 abgestempelt. Damit ist klar, auch die Padova Freres haben altes Bildmaterial weiterverwendet, allerding mit neuer Beschriftung. Die schlecht überkommene Postkarte rechts stammt auch ohne sichtbares Signet aus der gleichen Quelle. Es zeigt die landenden griechischen Truppen südlich des Hotels Kra/ämer. Ungewiss bleibt: Wie hoch war denn nun das Porto, 6 oder 4 oder 3 Lepta, Luftpostzuschläge gab es wohl kaum?


Seit eh und je stand Smyrna für das westliche Kleinasien, egal ob Teppiche oder Feigen. Als dann Ansichtspostkarten eingeführt wurden, waren alle archäologischen Stätten wie Ephesos, Laodikeia, Hierapolis und eben Pergamon „Smyrna“. Die rechte Aufnahme wurde zuvor auch schon als Smyrna Mont Pagus verkauft, also endlich waren die Brüder korrekter als die übrige Schar der Postkartenediteure.


Das ΘΕΑΤΡΟΝ ΣΜΥΡΝΗΣ stand neben dem Sporting Club und dem französischen Konsulat, es war die Bergspitze der levantinisch-europäischen Kultur oder dessen, was die nichttürkischen Bewohner der Stadt als solche ansahen. Schnöde fiel auch dieses Gebäude dem Brand von 1922 zum Opfer, von dem – wiederum ominös – nicht genau bekannt ist, wer oder was ihn auslöste. Mit der „CUI BONO“-Vermutung kommt man nicht so recht weiter, auch Thessaloniki war 1917 teilweise Opfer eines Brandes – ohne Türken! Eroberungsversuche sind eben brandgefährliche Unternehmungen, meist leider nicht für diejenigen, die sie anzetteln. Das rechte Bild wird nur der Vollständigkeit halber gezeigt, es zeigt einen Blick auf die Stadt von der Festung aus.


In den Alpen erfahren wir wieder langsam, was ein Wildbach ist. Das von den Italienern Torrente, von den Türken Dere genannte Gewässer scheint Menschen gegenüber heimtückisch zu sein, vielleicht ist es aber so, dass die Menschen zu augenblicklich denken. Dottore hat – ja, auch Pantalone war dabei! – erlebt, wie an der Südseite der Mykale ein zu fast allen Jahreszeiten ausgetrocknet erscheinender DERE innerhalb eines Unwetters von 45 Minuten 300 m Landstraße 0,70 m hoch mit Sand und Geröll bedeckte, einer der Steinquader hatte dabei eine Kantenlänge von 0,75 m. Auf dem linken Bild hat offenbar solch ein Unwetter den Weg weggeschwemmt, auf beiden Seiten stauen sich die Kamele. Rechts nun eine Aufnahme, die man nur wegen der eindeutigen Beschriftung den Padova Freres zuordnen muss, sie konnten also fotografieren, wenn sie nicht unter dem Druck der Anpassung an die Zeitläufte standen. Fred Boissonnas hätte es nicht besser gekonnt. 

Mittwoch, 4. Februar 2015

Padova Freres 2

Da lag also das Schwesterschiff der RN Regina Elena, die im Februar 1919 an gleicher Stelle geankert hatte, die RN Roma, auf der Reede von Smyrna und bezeugte die geringe Macht des alliierten Italiens zur See; eine große Heckflagge kann die mangelnde Modernität eines Schiffes nicht ausgleichen.


 Aber was geschah an Land? Hier haben wir nach der Beschriftung zwei Versionen in der Erklärung eines Bildes, eines Sachverhaltes: Einmal soll das Bild uns italienische Truppen bei Ephesos zeigen, andererseits soll es sich um die italienische Front bei Scala Nova (das ist der mittelalterliche Namen der Ansiedlung, die heute Kuşadasi heißt). Wo sind wir denn auf dem Bild überhaupt? Zu sehen ist eine gerade Straße, die über eine Brücke führt, links ist deren Geländer. Uniformierte stehen auf ihr bei einem kleineren Lastwagen, einer der Soldaten hat ein Fahrrad, ein anderer hält über einem daneben stehenden Zelt ein Fähnchen hoch, das in der Mitte einen weißen Streifen hat. Das alles kann überall sein, die dahinter sich ersteckende Landschaft kann allein das Rätsel lösen. Es handelt sich um ein breites Tal, auf dem linken Bild, das schärfer auf uns überkommen ist, sieht man auf dem Berg links des Zeltes das, was man eine Landmarke nennt, eine eckige Struktur. Auf dem Weg von Ephesos nach Kuşadasi gibt es das nur einmal.


Die links ins das Bild hereinragende Bergkette ist der in der Antike „Koressos“ genannte Hausberg der Ephesier, über den die Lisymachische Stadtmauer verläuft. Sie endet an der ehemalige Zufahrt zum Hafen, auf dem letzten Hügel davor ist ein kleines Fort errichtet worden. (Übrigens: Wer sich nicht in die jährlich 5 Millionen Besucher der überwiegend als römisch anzusprechenden Stätte Ephesos einreihen will und darüber hinaus das Gefühl persönlicher, jedoch auch illusionärer Erhabenheit genießen will, dem sei empfohlen, eine Wanderung entlang der Stadtmauer über den Koressos, der heutige Name ist Nachtigallenberg, zu unternehmen.)



Da nun Ephesos in der Bibel erwähnt wird, trachteten die christlichen Besucher der Stätte immer danach, jeden Gegenstand, der sich nicht wehren konnte,  zu christianisieren. Wie wahr ist doch die Bibel insgesamt, wenn man eine Einzelheit aus ihr bestätigt sieht! (Dann ist auch das Nibelungenlied richtig, weil es einmal einen Bischof von Passau namens Pilgrim gegeben hat. Von der Ilias ganz zu schweigen!) Da der Reisende in Sachen Christentum namens Paulus in Ephesos versuchte, die Geschäfte der Devotionalienhändler zu schädigen, wurde er nach seiner Schilderung in den Briefen ins Gefängnis geworfen, na, wenn das kein Grund ist, irgendein Bauwerk in oder bei Ephesos zu seinem Gefängnis zu deklarieren. Das Schicksal fiel nun auf dieses Kastell.


Es erscheint nun naheliegend, diesen Berg mit der Landmarke auf den Bildern der Padova Freres zu identifizieren. Schauen wir uns das alles einmal auf einer Landkarte an, die in dieser Zeit entstanden ist, der berüchtigten (archäologischen) Karte des Hauptmanns Lyncker im preußischen Generalstab. Dottore hatte dieser Institution ein gewisses Maß an Sachkompetenz zugeordnet, trotz des Schlieffenplans. Würde man die Ergebnisse beider Vorhaben, den Plan und die Karte, zum Maßstab der Beurteilung machen, Preußens Gloria wäre so vergangen, wie sie es ist.


Gelb ist die Straße von Ephesos (Ayasoluk genannt, verbalhornt [mit einem „L“, dem Urheber zu Liebe] aus Agios Theologos, so lautet der ehrfürchtige Name des Heiligen Johannes Evangelist in der Orthodoxie) nach Kuşadasi markiert, sie wird damals ungefähr 19 km lang gewesen sein. Das Paulus-Gefängnis genannte, hellenistische Kastell liegt dort, wo der gelbe Pfeil von unten hinzeigt. Ungefähr einen Kilometer westlich von Ayasoluk quert ein von Süden kommender Bach die Straße, fließt nach Norden weiter in den Kaystros (Küçük Menderes). Dort (gelber Pfeil von links oben) wird der italienische Posten gewesen sein, also keine Front, aber nahe an Ephesos.


Die Griechen landen noch mehr Truppen in Smyrna, der türkische Widerstand wächst.  Der Ablauf des alliierten Gallipoli-Unternehmens hätte die Griechen warnen sollen. Es macht eben einen Unterschied aus, ob man die Beherrschung fremden Territoriums erstrebt oder die heimatliche Erde verteidigt. Mentale Stärke ist nicht nur beim Fußballspielen entscheidend. Die beleibten Offiziere sind Griechen, die schlanken Engländer. Der einzig schlanke griechische Offizier, der höherrangig war, war Nikoloas Plastiras, ihm war nicht nur Mut eigen, sondern er nahm auch seine Aufgabe des Schutzes seiner Landsleute ernst, ihn haben die Brüder Padova nicht abgelichtet.


Hinzu kommt noch eine weitere Komponente: Es erweist sich als untunlich, wenn das Offizierskorps politisch gespalten ist – hier in royalistische und venizelosische Parteigänger –, die Absetzung des griechischen Oberkommandierenden fand zwar später statt, als Padova Freres abgeben, war aber rein politisch bedingt, die Wahlen hatten der gegnerischen Richtung die Mehrheit erbracht. Nach all diesem Militärkram nun eine Wohltat: Dottore hat in seinem Leben, das muss er gestehen, nur zwei Fußballspiele ganz gesehen, das eine, weil ein Onkel von ihm der Trainer der einen Mannschaft war, das andere – etwas später – war ein Spiel der 2. Liga Süd im Jahre 1953. Gleichwohl ist er der Meinung, mit dem Fuß einen Ball in ein Tor zu schießen sei besser als mit einem Gewehr auf einen Menschen. Auf dem Bild ist die Dynamik eines solchen Spiels bemerkenswert eingefangen.


Was später dann in der HJ im Extremen umgesetzt wurde, war bei den Pfadfindern damals in fast allen Ländern und Volksgruppen angelegt: Uniformierung, militärischer Drill, hierarchische Strukturen, Geländebesetzungen im Spiel. Daher ist es leicht, derartige Gruppen zur Fünften Kolonne zu machen, hier werden italienische Jungen dazu missbraucht, die Eroberungsgelüste der dicken, alten Kerle anzumelden. Ein Polygon, also ein Vermessungspunkt, ist ansonsten nie das Ziel für Menschen außer für Geodäten. Im übrigen gibt es aus dieser Zeit,  aus dieser Gegend entsprechende Bilder griechischer und armenischer Pfadfinder.  


Wie schon bei den Schiffsbezeichnungen hatten es die Padova Freres nicht so mit der Genauigkeit bei den Namen. Das kulturelle Leben in Großbritannien hat einen Teil, der in Deutschland abhanden gekommen ist, was nach der jüngeren Geschichte richtig ist, aber gleichwohl macht es einen Teil der Vielfalt aus: das Militär und seine Geschichte. Im  maßgeblichen Führer für Griechenland von Stuart Rossiter wird den Schlachten der Antike wie denen des II. Weltkrieges gleicher Raum gegeben. So ist denn  auch fast alles, was Dottore in Padova Freres 1, 2 und 3 erwähnt, englischen Webseiten entnommen. Nach einem Bridagier-General Hamboury fahndet man vergebens, aber die gütige Fee des „meinten Sie ..“ lenkt einen auf P.L. Hanbury, C.M.G. + D.S.O.,  der nach seinem Einsatz an der Mazedonienfront  in Smyrna wirkte und daher derjenige sein wird, der links auf dem linken Bild zu Pferde paradiert. Von dem rechten Bild gibt es bislang kein besseres, trotzdem ist zu erkennen, dass dort – entgegen der Beschriftung – vier griechische Offiziere zu sehen sind.


Bei der Betrachtung der Bilder drängt sich auf,  das griechische Unternehmen als national-klerikal anzusehen, ein Eindruck, der sich nicht als trügerisch erweist. Das linke Bild ist ein mixtum compositum, die Podestler waren Teileines scharfen Bildes, alles drum herum ist aus einem stark gerasterten Bild übernommen. Hier beweisen Padova freres die Unrichtigkeit der Einschrift auf dem Bild der Parade am Kai: Angeblich sei am 11.08.1919 der Generalissimus Paraskevopoulos abgereist, aber am 28.03.1920 steht er noch dicklich auf dem Podest. Pantalone hat das rechte Bild schon sehr aufgefrischt, zu einer Tilgung des Wasserzeichens konnte er sich nicht durchringen, so wird aus „temporary“ eben „eternal“.
                          

Der Hirtenstab des Metropoliten Chrysostomos hat seine Ursprungsform verloren, ganz im Gegensatz zu den symbolischen Hirteninstrumenten der katholischen Bischöfe. Deren Stäbe haben noch die Form, mit der die Hirten den Schäfchen „ die Beine lang ziehen konnten“, beweisen also noch die mittlerweile nur noch als Erinnerung existierende Macht der Epi - skopoi, der Auf - seher, die sich zu Machthabern aufspielten. Leider ist die Schrift auf dem rechten Bild nicht gänzlich zu entziffern, sie gibt royales Eingreifen wieder: die Prinzen geruhen, sich etwas zeigen zu lassen. Das erinnert an einen erst vor wenigen Jahren verstorbenen Machthaber, dem in seinem Herrschaftsbereich auch alles gezeigt wurde.


Nach der Abwahl von Venizelos griff seine Majestät ein, aber auch er konnte das drohende Verhängnis nicht verhindern. Man sollte sich aus Unternehmen heraushalten, die andere initiiert haben. Auch seine majestätischen Fähigkeiten vermochten es beispielsweise nicht, die langen Nachschubwege zu verkürzen. Die maßgebliche Leistung des sich bückenden Prinzen Andreas besteht darin, den Ehegemahl von Elisabeth II. gezeugt zu haben, ansonsten wurde er nur durch den Druck aus Großbritannien davor bewahrt, für die Kriegsführung verantwortlich gemacht zu werden.  Das rechte Bild zeugt von der Tatsache, dass Padova Freres  offensichtlich „embedded“ waren.


Auf dem linken Bild ist König Konstantin I von Griechenland zu sehen, der äußerst  angestrengt versucht, Alec Guinness nachzuspielen als Admiral Lord Rufus d´Ascoyne in dem Film „Hearts and Coronets“; die Schwierigkeiten Konstantins rühren daher, dass der Film erst 23 Jahre nach seinem Tod gedreht wurde.


Dieses Bild ist nicht als eines gekennzeichnet, dass von den Brüdern stammt. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit 1922, also kurz vor dem Ende des griechischen Abenteuers, aufgenommen worden und könnte nach Motiv und Machart von ihnen stammen. Der Zerstörer Nike lief zu diesem Zeitpunkt in den Hafen von Smyrna ein, von ihm wird berichtet, dass sein Kommandant einem Scharfschützen zum Opfer fiel. Das könnte also nur ein Türke gewesen sein, also diese schon die Stadt besetzten. Auf der Reede sind größere Kriegsschiffe sichtbar.


Vielleicht ist dies zeitlich gesehen nicht das letzte Bild der Padova Freres, vielleicht haben sie die kleinasiatische Katastrophe mit ihren Bildern bewahrt, kamen aber nicht mehr dazu, sie zu beschriften. 

Montag, 2. Februar 2015

Carlo Pantalone e Carlo Dottore

Wer heute, Sonntag, den 1.02.2015, sich in der FAZ-Online umschaut und dabei – wie Dottore traditionell – danach guckt, ob von Greser & Lenz etwas Neues da ist, sieht ein kleines Bildchen, klickt er darauf, zeigt die Vergrößerung überraschend etwas anderes, nämlich das:


Damit nun denjenigen, die mit der Welt der Bilder im Netz nicht so vertraut sind, das Verdeckte sehen können, hat Pantalone sich der geringen Mühe unterzogen und das getilgte Bild rekonstruiert. Wir wollen nicht die Welt der Selbstzensur!


Zum Ganzen ist auf mehreren Ebenen zu bemerken:

1.
Dottore findet Fassenacht spätestens seit dem Zeitpunkt Scheiße, nachdem ihm folgende Begebenheit erzählt wurde: Im Kärtner Seegebiet lag ein Hotel, in dem ein Zahnarzt und ein Dachdecker aus Mainz ihre Sommerferien zu verbringen pflegten. Statt sich zu erholen, wetteiferten sie darum, sich bei den anderen Hotelgästen ob ihres sonstigen Treibens beliebt zu machen. Der Zahnarzt dichtete, der Dachdecker sang. Aber auch zu gemeinsamen Auftritten waren sie trotz ihrer Konkurrenzsituation bereit. Bei einem solchen Sketch sagte der eine: „Isch hatt so weisse Streifen in de Unnerhos. Isch habs untersuche losse, de Arzt secht, ich hätt Zucker!“ Erwiderung: „Dann hab isch Zimt!“ 

Genau dieses Niveau haben Greser & Lenz mit ihrer fingierten Fassenachtsrede vorzüglich getroffen.

2.
Der Drang, über tabuisierte Themen Scherze zu machen, zeugt von unbewältigten Kindheitstraumata. Kleineren Kindern kann man mit Scherzen über Fäkalien Freude entlocken, wer das mit 15 Jahren noch braucht, ist behandlungsbedürftig. Ähnliches gilt für den sich witzig wähnenden Umgang mit Sexualität. Über jeden Teil des menschlichen Daseins sind Scherze erlaubt und genehm, wer sich in Zoten suhlt, dessen Ehefrau kann man sich anlachen, wenn sie denn attraktiv genug ist. Wer ununterbrochen glaubt, über etablierte Religionen seine Witze machen zu müssen, dem hat entweder der Pfarrer als Ministrant in die Hose gegriffen oder er hat sonst das Erwachsenwerden nicht bewältigt. Im Übrigen sei er darauf verwiesen, dass die Ersatzreligionen der westlichen, sich säkular gebenden Welt, Geld, Esoterik und andere Fetische, viel lächerlicher sind. Jedoch würde man mit Scherzen darüber möglicher Weise tatsächlich Nachdenklichkeit bewirken. Der vögelnde Pfarrer nötigt Dottore kein Lächeln ab, aber die den Bachblüten und der Ayurvedakultur verfallene Direktorsgattin vermag schon, ein leicht ironisches Schmunzeln hervorzurufen.

Die Karikatur wendet sich gegen den Integrationswahn dieser Gesellschaft, gegen die Ignoranz Vieler, die den Beginn des Verschwindens ihrer mühselig errungenen Selbstverständlichkeiten nicht sehen wollen, gegen eine verkommene Form einer Religion, die den Prozess der Aufklärung noch nicht geleistet hat.  

3.
Wenn die Pressefreiheit nur das schützen würde, was vernünftig oder anerkannt ist, dann hätten wir die Zensur oder fast leere Zeitungsblätter. Die Freiheit besteht (fast) unbeschränkt, selbst wenn man den jeweiligen Inhalt für unrichtig hält. Darum haben Pantalone und Dottore beschlossen, ihr Fandasein als Verehrer von Greser & Lenz auszuleben und das zu zeigen, was die FAZ sich nur ein klein bisschen traut, etwas zu wenig, um sich von der Gratisfurcht amerikanischer Blätter abzuheben. Journalistisch gesehen ist es einfacher, über die Stadt Hanau spöttisch zu berichten, denn selber Schneid zu haben. 

Nachtrag:

Tandem, ein Blick heute (5.02.2015) in das gleiche Journal zeigt, die Kleingläubigen und Ängstlichen haben nicht gesiegt, es ist die Karikatur in voller Größe anzusehen. Na, das ist doch was!