Samstag, 31. Januar 2015

Schrankenlose Beschränktheit

In diesem Blog berichtete Dottore seinerzeit in einem Post über eine Reise nördlich und südlich der Alpen. Sie führte über Lindau, Bregenz, Chur, Andermatt, Martigny, Aosta, Turino, Barolo, Asti, Certosa di Pavia, Milano, Como, Bergamo, Brescia, Trento, Bolzano, Innsbruck, Fieberbrunn, Innsbruck, dann über Ettal und Die Wies, St. Blasien und Maulbronn nach Hause.

Vor der Abfahrt hatte sich offenbart, dass es zwar einen neuen Namen für die Berufsschrauber am Auto gibt, nämlich Mechatroniker, aber die alten Fähigkeiten eines Automechanikers haben sie verloren, die neuerworbenen Kenntnisse der Elektronik beschränken sich auf die Fähigkeit, einen Stecker an die entsprechende Dose im Auto anzuschließen, dann bedeutend auf den Monitor zu sehen, um danach mit inhaltsschwangerer Stimme zu verkünden, „der Turbolader funktioniert nicht“, ei, das hatte Dottore unschwer schon selbst bemerkt! Sogar noch mehr: Da der Turbolader nach jedem Neustart der Bordelektronik kurze Zeit lief, war es ein elektronischer Schaden, aber insoweit einen Fehler zu erkennen, das liegt weit außerhalb der Kompetenz dieser Menschen. Ob der Bordrechner einen Fehler hat, ob einer der vielen Sensoren nicht richtig arbeitet, ob etwa eine der vielen Leitungen zwischen Sensoren und Rechner nicht funktioniert, solche Erkenntnisfähigkeiten werden nicht mehr vermittelt.

Also musste das automobilistische Fortkommen mit den motorischen Basiskräften geschehen, langsam, aber auch mit geringem Treibstoffverbrauch. Dottore machte aus der Not eine Tugend, er vermied Straßen mit schnellem Verkehr, also Autobahnen. So fuhr er die gesamte, oben langatmig angegebene Strecke auf Bundes- bzw. Nationalstraßen. Es ermöglichte jedoch eine zügige Fahrt, aber weder in Österreich, in der Schweiz und in Italien mussten daher Straßengebühren bezahlt werden. 

So etwas muss auch nach Einführung einer Maut - wenn denn dem Stammtisch nachgegeben werden muss - in Deutschland möglich sein, also ein harmloser Verkehr auf allen Wegen außer Autobahnen. Was die Schweiz in Basel veranstaltet, darf es nicht geben, nämlich das Abkassieren für die Benutzung einer ansonsten mautpflichtigen Straße beim Grenzübergang. Wer diese Straßenart auf der nächsten Abfahrt verlässt, der muss keine Maut entrichten. Bei den Lastwagen klappt das, einige wenige, zur Umgehung der Mautpflicht geeignete Bundesstraßen sind eben auch mautpflichtig. Kein genereller Rückfall in die Zeiten des Mäuseturms, ins finstere Mittelalter, das sollte auch bayrischen Populisten einleuchten; jedoch: wer Schranken errichtet, ist eben beschränkt. 

Wer an dem Schicksal des elektronisch erlahmten Autos interessiert ist, dem sei noch verraten: Bevor tiefer gehende Überlegungen sein Schicksal bestimmen konnten, fuhr es ein mächtiger Stadtbus ziemlich platt, es saß aber niemand in ihm. Der polnische Aufkäufer hat dann Schrott im umfassenden Sinne erworben. Damit Pantalone nicht wieder wegen des Fehlens von Bildern meckert, sei eines des linken Vorderrades nach dem Buskontakt beigefügt.


Freitag, 30. Januar 2015

Opfer und Bauernopfer

Erst war die Eisschnellläuferin Pechstein Opfer der Sportbürokraten, jetzt ist die Nachgabe im Sportrecht ihr gegenüber das Bauernopfer für den Erhalt der Sportjustiz. Wir leben im Zeitalter der Parallelwelten, jede Sparte des menschlichen und sozialen Daseins hält sich für dessen Gesamtheit, es gibt „die Wirtschaft“, „den Markt“, „die Kultur“ und eben „den Sport“. Um sich nicht nur so zu fühlen, sondern auch um so zu sein, bedarf man mehr, etwas von der Macht dessen, was über die Gesellschaft hinausgeht, man braucht die Kompetenz des Staates. Der Sport hat es im finanziellen Bereich schon teilweise geschafft, große Veranstaltungen werden von dem IOC und der FIFA nur vergeben, wenn die entsprechenden Länder sich mit der Werbewirkung solcher Meisterschaften in ihrem Lande zufrieden geben; zuvor müssen sie mit erheblichem Aufwand die Sportstätten herstellen, die Einnahmen fließen unversteuert den internationalen Kartellen zu, so als säßen dort überall verkappte Marxisten, die den Lehrsatz beweisen wollten, das Gewinne privatisiert, Verluste vergesellschaftet werden.

Eines fehlt aber derartigen Institutionen noch, die Dritte Gewalt, die Justiz. Wie werde ich nun Unterworfener einer Justiz bar jeglicher demokratischer oder auch nur staatlicher Rechtfertigung? Nun, als jemand, der den finanziell bisweilen, körperlich fast nie erfolgreichen Versuch unternimmt, im Bereich des Sport dadurch zu Geld zu kommen, dass man sich körperlich betätigt, muss man sich dieser Justiz unterwerfen, nicht freiwillig, sondern unter den Bedingungen der Sportfunktionäre. Das tat seinerzeit Frau Pechstein. Nun haben die ordentlichen Gerichte befunden, dass eben dies mit dem nationalen Recht, hier nun dem der Bundesrepublik Deutschland, nicht vereinbar ist. Au weih, was macht nun der Sport, droht ihm doch seine schäbige Justiz bei Eintritt der Rechtskraft wegzufliegen?

Wie der Zufall es will, hat nun justament ein hochrangiges Gremium von Medizinern festgestellt, die Blutwerte von Frau Pechstein könnten natürliche Ursachen haben, die Gremien der Sportjustiz mögen doch den Fall noch einmal aufrollen.

Was wird kommen?

Vor die Wahl gestellt, ob man Frau Pechstein sportgerichtlich entschuldet und darüber hinaus ihr einen erklecklichen Schadensersatz zahlt oder die eigens aufgebaute hehre Sportjustiz der Justiz der Staaten unterwirft und damit opfert, da werden Bach, Blatter und Konsorten dem zuständigen Verband schon flüstern, was zu machen ist, notfalls auch mithilfe eines größeren Zuschusses. Wenn die Süddeutsche am 31.01.2015 meint, der DOSB sei auf Seite von Pechstein, dann ist das dumm und gefährlich. Der DOSB ist auf Seiten der Sportjustiz. „Ein Vergleich mit der Pechstein muss her, koste es, was es wolle!“ so lautet dort der Schreckensruf, „nie und nimmer darf das OLG-Urteil rechtskräftig werden!“  

Prophetie ist immer schon die Fähigkeit gewesen, Wahrscheinliches zu erkennen, die Priester der Pythia konnten das. Also wird ein Vergleich mit Frau Pechstein geschlossen werden, der zwei für sie günstige Regelungen enthält, erstens die Aufhebung der Sperre im Nachhinein, zweitens eine Schadensersatzzahlung. Aber auch der Verband erhält eine günstige Klausel: Frau Pechstein nimmt die Klage, die gegenwärtig beim BGH anhängig ist, zurück bei voller Kostenübernahme durch den Verband. (Oder, wenn das zu offensichtlich ist: Klagerücknahme und Kostentragung durch Frau Pechstein, jedoch ist der Schadensersatz entsprechend erhöht worden.)

Was lernen wir daraus? Nichts, wie immer. 

Die Bundesregierung ist im Einvernehmen mit den führenden Autoherstellern der Ansicht, dass der Wirtschaft ihre Justiz nicht genommen werden soll, diese soll sogar berechtigt sein, künftig „STAATLICHES UNRECHT DURCH UNGÜNSTIGE GESETZGEBUNG“ ahnden zu können, sprich ungebremste Zustimmung zu TTIP.

Bevor Pantalone mault, stellt Dottore fest, der letzte Absatz ist wichtig, auch wenn es keine Bilder gibt!

Freitag, 23. Januar 2015

Padova Freres 1

„Also Pantalone will, dass über einen von ihm ausgesuchten Photographen berichtet wird und Dottore soll das machen. Dabei pfriemelt Pantalone schon seit Jahren an der eigentlichen Arbeit herum, er sammelt nämlich wie bekloppt Postkarten und Bilder aus dem Smyrna vor 1922. Da hatte sich Dottore schon breitschlagen lassen und ihm den Hinweis auf den entsprechenden Blog eingeräumt (siehe seitlich: Post aus Smyrna!); und was macht er, jetzt will er auch hier seine Bildchen verbreiten. Leider muss Dottore eingestehen, die Bilder sind historisch interessant, sie verlangen nach einer Interpretation durch Dottore.“

„Die Eitelkeit dieses Burschen ist ungeheuer, erst schaut er Pantalone in die Bilder, betont ungefragt und wiederholend, wie toll sie wären, um nun so zu tun, als nötige man ihn, sie zu zeigen. Ein Kaufmann wie Pantalone, der verkauft Ware, ein sogenannter Wissenschaftler wie Dottore, der verhökert sich selbst.“

„Wenn Pantalone Texte verfassen könnte, dann wäre er in der Lage, alles selbst zu machen. Die Geburt des Blogs „Post aus Smyrna“ lässt seit so langem auf sich warten, dass man geneigt ist, seine Zeugung zu bezweifeln. Wer Waren hat, muss auch in der Lage sein, sie anzupreisen, sonst kommen sie nie aus den Regalen, oder, um auf das Niveau von Aldi hinabzusteigen, von den Paletten.“

„Nun ab mit dem Text, die Bilder sind zusammengestellt, keine Altmännerredereien mehr!“

1918 tauchten in Smyrna die „Padova Freres“ auf, der Plural ist ihnen zuzugestehen, letztlich nur deswegen, weil sich das Etablissement für Pressefotos und Postkarten so nannte, oder war es doch nur einer? Smyrna, damals noch kurze Zeit eine kosmopolitische Stadt, lag im Osmanischen Reich, das Ende Oktober 1918 den Waffenstillstand mit der Alliierten, selbstherrlich vertreten durch Großbritannien, unterzeichnen musste. Sofort entbrannte ein Wettstreit unter den alliierten Aasgeiern darum, jeweils das größte oder beste Stück aus dem zerbröselnden Reich der Osmanen zu ergattern. Die §§ des Waffenstillstandes, obwohl von den Briten diktiert, wurden extensiv ausgedeutet, um die jeweilige Begierde als legal darzustellen. Obwohl nur die Forts am Bosporus besetzt werden durften, breiteten sich alsbald die Truppen der Alliierten in ganz Konstantinopel aus – VAE VICTIS.

Hinsichtlich Smyrna sah es so aus: Die beiden späten Alliierten, nämlich Italien und Griechenland, hatten Interesse an dieser Region. Griechenland wollte die Megali Idea umsetzen, also den Plan, alle Küsten um die Ägäis mit dem anschließenden Inland unter griechische Hoheit zu bringen mit Konstantinopel als Hauptstadt. Italien hatte schon zuvor sich Gebiete des Osmanischen Reiches in Nordafrika einverleibt und trachtete danach, getreu der erst 25 Jahre später formulierten, an römische Vorstellungen anknüpfende Hirngespinste des „MARE NOSTRUM“, nicht nur den Dodekanes, sondern auch das dahinter liegende Festland zu usurpieren.  

Den Engländern und Franzosen war die ungebremste Beutegier der Italiener nicht genehm, so unterstützten sie die Griechen, wobei Artikel 7 der Vereinbarung von Moudros als Scheinrechtfertigung diente, der da lautet: 

VII.—The Allies to have the right to occupy any strategic points in the event of any situation arising which threatens the security of the Allies.

Nun ist unbestritten, dass der wachsende Nationalismus der Türken im Osmanischen Reich schon zu Vorkriegszeiten zu Verfolgungen der Armenier und Griechen geführt hatte, die sich während der äußeren Auseinandersetzungen, besonders gegenüber den Armeniern, gesteigert hatten. Andererseits war der vorgegebene und/oder tatsächliche Wunsch fremder Staaten, Schutzmacht der Christenheit im Osmanischen Reich zu werden, betagt und hatte schon den Krimkrieg ausgelöst. Der Schutz der griechischen Minderheiten in Kleinasien ist als legitimer Grund anzusehen, jedoch beeinträchtigte die mögliche oder reale Verfolgung der Christen, hier der orthodoxen, nicht „die Sicherheit der Alliierten“. Legal im Sinne des Völkerrechtes war daher die Besetzung nicht. Das wird vollends klar, wenn man einmal eine ethnografische Landkarte betrachtet, die die fragliche Region wiedergibt (blau=griechisch, grün=türkisch). Aber der nun schon tot scheinende Mann am Bosporus schien sich gegen diese Leichenfledderei nicht wehren zu können.
  

In Smyrna hatte es eine Vielzahl von Photographen gegeben, die zumeist in der Rue Franque ihre Geschäfte unterhielten. Bildlich sind wir über das Leben in der Stadt durch erhaltene Postkarten unterrichtet, soweit diese überhaupt in der Lage sind, solches wiederzugeben. Die Stadt hatte zwei große Bevölkerungsgruppen, Griechen und Türken, und dazu die Armenier und die Levantiner. Diese waren die Nachfahren von meist europäischen Kaufleuten, die teilweise schon seit den Kapitulationen zwischen Süleyman und Franz I dort ansässig waren. Der Export kleinasiatischer Produkte – Sultaninen, Feigen, Tabak, Baumwolle, Teppiche – machte einen Großteil des Sozialproduktes aus, der Import war dazu eher bescheiden. Für die Stadt und das Hinterland galt: Je weiter man sich von der Küste entfernte, desto geringer wurde der europäische Einfluss, ganz wie schon in ionischen Zeiten. Die Verwaltung des osmanischen Reiches funktionierte noch, seine Agonie wurde örtlich durch die Betriebsamkeit der Levantiner und Griechen ausgeglichen. Der Hafen und die Kais waren seit ehedem die Schlagadern der Stadt, nun aber tat sich dort etwas, was von den Padova Freres auch abgelichtet wurde.


Im breiten Strom der Menschen steckt eine der Pferdebahnen, weit hinten ist das „Les Passaports“ genannte Gebäude zu sehen, das auf einer Mole in die Meeresbucht steht. Ihre Bilder versahen die Padova Freres mit Einschriften, zum einen der Hinweis auf die Autoren, zum anderen Gegenstand und Datum der Aufnahme. Beide variieren hinsichtlich Platz und Umfang, bisweilen beim jeweiligen Abzug derselben Aufnahme. Offensichtlich bemühten sich die Herrn Photographen, sich bei den Herrschaften beliebt zu machen, so wurde anfänglich der Name des Schiffskommandanten erwähnt.


Die HMS M 19 war ein sogenannter Monitor, also ein relativ kleines Schiff mit einer viel zu großen Kanone. Die war von dem Bau eines Kreuzers übrig geblieben, und, ehe man sie verrosten ließ, da baute man lieber ein Schiff drum herum (Dottore ist offenkundig kein Liebhaber polemischer Gegenstände, auch nicht in maritimer Ausgestaltung). Das Schiff war 1915 durch eine Explosion der Kanone verwüstet worden, der Kreuzer wusste wohl, warum er sie nicht haben wollte. Das Schiff nahm ein friedliches Ende, es wurde alsbald als Öltankschiff verkauft, verlor seinen kriegerischen Nimbus, aber schipperte brav umher. Schlimm unter den Regularien der Seemannschaft sieht es auf dem Nachbarschiff aus, der HMS M 29, flattert da doch tatsächlich Wäsche im Wind. Wenn das der erste Seelord gesehen hätte! Die „Caudan“ war entgegen der Behauptung der Brüder kein „peche mines“, sondern entpuppt sich bei näherer Betrachtung als biederer Hochseeschlepper. Wahrscheinlich wurde er schlicht abgeordnet, um am 6.11.1918 die Gloire der französischen Nation im Hafen zu verbreiten. Er war schon betagt, 1888 vom Stapel gelaufen. Am 18.12.1918 verließ das Schiff schon wieder den Hafen, um „il saute sur une mine“. Das wars dann.


Hier nun die HMS M 29, das Schiff mit der flatternden Wäsche. Ein Schwesterschiff der HMS M19, auch solch ein Schiff mit einer großen Kanone. Ihm war ein für kleine Kriegsschiffe biblisches Alter gegönnt, 1915 vom Stapel gelaufen, war es bis 1946 im Dienst. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatte es schon an der Schlacht bei Jaffa teilgenommen, in der – wie bei dem Landungsversuch von Gallipoli – die Briten die Neuseeländer unter Berufung auf den Commonwealth vorgeschickt hatten, ein reine Wohltat nur für die Engländer.


Lichtenberg hat den freudschen Lesefehler vorhergesehen, in den Sudelbüchern steht der schöne Satz: „Er sagt immer „Agamemnon“ statt angenommen, so sehr hatte er seinen Homer gelesen.“ Ähnlich muss es den Brüdern Padova gegangen sein, als sie das Bild der Rue Franque abzogen. Mental waren sie von den Kriegsschiffen im Hafen noch so bewegt, dass sie das friedliche Bild mit „Entrée des HMS M 29“ betitelten. Nicht nur der Krieg, sondern schon die intensive Betrachtung der in ihm verwendeten Sachen verdirbt den Charakter. Wer versucht, über HMS Brisbane etwas in Erfahrung zu bringen, den müsste Google fragen: Meinten Sie HMAS Brisbane? Denn es handelt sich um ein richtig australisches Kriegsschiff, 1915 in Australien gebaut und weitab des Krieges in wenig Kriegerisches verwickelt. Wie denn die Einbeziehung Australiens und Neuseelands in den WW I bewirkt hat, dass es nicht nur ANZAC Kekse gibt, sondern auch einige der Bilder der Padova Freres erst in Google.com.au bzw. in Google.co.nz zu erhaschen sind. Daher ist auch das Bild des auf der Reede liegenden Kreuzers eine Mischung aus daher erlangter Bildqualität verbunden mit dem zuvor bekannten Signet der Photographenbrüder.


Von der RN I. Nievo meinten die Padova Freres es sei ein Contre-Tropileur, das lässt Zweifel aufkommen, an der Herkunft der Gebrüder: Franzosen können sie nicht sein, denn richtig ist der Name des Schifftyps Contre Torpilleur. Aber auch diese Einordnung des Schiffes ist nicht zutreffend, die Italiener meinen, es sei ein „Caccia Torpediniere“ gewesen, das in die Klasse der Rosolino Pilo gehöre, und die müssten es eigentlich wissen. Seine schlanke Schiffsform steht im Gegensatz zu der altertümlich sehr hoch aufragenden Brücke. Es sollte offenbar in Smyrna zu diesem Zeitpunkt den italienischen Anspruch dokumentieren. Dem gleichen Zweck diente auch das Anlegen der RN Guglielmo Pepe, bei der die Brüder den Gattungsbegriff richtig aufgeschnappt hatten, es war ein Esploratore, ein Aufklärungsschiff, sehr schnell und daher eben nur leicht bewaffnet. Es war 1915 gebaut worden und wurde in faschistischer Bruderhilfe 1937 an Spanien abgegeben, wo es bis 1948 unter dem Namen Teruel die gleichen Aufgaben wahrnahm. Ob draußen auf der Reede die Brisbane einer Kessel unter Dampf hat?


Das häufige Eintreffen französischer, englischer und italienischer Kriegsschiffe war offenbar (und verständlich) ein Grund auf den Kais sich diese Neuigkeiten anzusehen. Die Winterszeit brachte es allerdings mit sich, dass die Bewohner auf ihre Lieblingskopfbedeckung verzichteten, den Strohhut in Gestalt der Kreissäge. Unter dem französischen Namen Canotier wurde es zur Marke von Maurice Chevalier. Auf Reede lag die RN Regina Elena, eine Corazzata, also ein Kreuzer. Es handelte sich um das namensgebende Schiff dieser Kreuzerklasse. Sie war 1907 vom Stapel gelaufen und hatte noch einen Rammbug, man vertraute noch nicht völlig auf die Macht der Kanonen. Das Schiff hatte sich so durch den WW I gemogelt, lediglich bei der alsbaldigen Besetzung von Rhodos und dem Dodekanes tat es sich hervor.


Angesichts dieses Aufmarsches konnten sich die Griechen nicht zurückhalten, es wurden in kleinem Umfang schon Soldaten angelandet, wie hier auf dem Bild, das vom 7. Januar 1919 stammen soll, zu erkennen ist. Bemäntelt wurde das militärische Auftreten mit “Kirchenbesuch“, ach wie niedlich. Neun Tage später gab es einen großen Auflauf bei der Beerdigung der „Opfer von Bayrakli“, wobei Dottore nicht erkunden konnte, um wen es sich handelt. Es ist aber der Zeitpunkt, um grundsätzliches zu dem Verhalten des griechisch-orthodoxen Klerus zu bemerken: Das Osmanische Reich war eine Dynastie, die – dem Islam folgend – dem theokratischen Denken anhing. Das Verhältnis zu den Fremdgläubigen, der Raya, wurde durch das Milletsystem bestimmt. Dies bedeutete, dass die Garantie der Steuer und damit deren Einzug der jeweiligen Religionsgemeinschaft übertragen worden war. Für die orthodoxe Kirche hatte das weitgehende Folgen. (Noch heute ist die Kirche in Griechenland der größte Grundbesitzer, aber über diese Folge der Turkokratie mag niemand reden.) Die Kirche wurde dadurch mächtiger und mit dem Anwachsen griechischen Nationalbewusstseins für Nichtgriechen auf dem Balkan immer unerträglicher, die Aufspaltung der Orthodoxie in bulgarische, serbische, rumänische und griechische Zweige ist dadurch bedingt. Die Priesterschaft lebte äußerlich in einer Doppelfunktion: zum einen waren sie Träger des Griechentums, so wie sie es verstanden, zum anderen waren sie Funktionsträger des Osmanischen Reiches. Dies verschärfte sich nach der Selbstständigkeit Griechenland und dem Erwachen des türkischen Nationalismus, wobei die Amtsträger des Osmanischen Reiches nun immer mehr unter osmanisch türkisch verstanden. War der einzelne Priester zu sehr Grieche, so war er damit in letzter Konsequenz politisch illoyal gegenüber dem ihn mit Funktionen der Staatlichkeit ausstattenden Osmanischen Reich. Das bedingte einen Teil der Grausamkeiten bei der „Kleinasiatischen Katastrophe“, über die die Padova Freres aber nicht mehr mit ihren Bildern berichteten.


Die HMS Banchory war ein Jagdminenleger, der für schnelle Fahrten mit einem Kohlestaubkraftwerk betrieben wurde, es war gleichsam der letzte Versuch, den bis dahin konventionellen Kohleantrieb vor dem mit Öl zu stabilisieren. Offenbar war diese Art der Verbrennung aber nicht nachhaltig, ein erheblicher Teil der Kohle kam als rußhaltiger Rauch zum Schornstein wieder raus, weshalb das Schiff den Namen „Smokey Joe“ erhielt. Nach vier Jahren Flottendienst wurde es denn abgewrackt. Der Kreuzer Centaur konnte sich länger halten. Er war vom Osmanischen Reich 1914 in Großbritannien bestellt worden, wurde aber bei Fertigstellung 1916 selbstverständlich an den nunmehrigen Gegner nicht ausgeliefert, ein Schicksal, das er mit dem französischen Hubschrauberträger teilt, was wiederum Putin ärgert. Wie war das mit dem Hahn und der Henne? „Soll sie sich grämen!“ Das Schiff hier im Hafen von Smyrna hatte schon einen Minenschaden hinter sich, es war ab März 1919 in Malta stationiert, was zu ihrem Erscheinen im Mai in Smyrna passt.


Das ausgehende 19. Jahrhundert war erfüllt mit Nationalismen, einer davon war das Bestreben, sich auf heldenhafte Vorfahren zu beziehen. Frankreich hatte Vercingetorix entdeckt, die Deutschen suhlten sich im Gedenken an Arminius, die Italiener hatten eine größere Auswahl. Gaius Duilius fiel im Ersten Punischen Krieg der Oberbefehl über die Flotte zu, eine schwierige, aber wichtige Aufgabe. Bis dato hatten die Römer ein gut geschultes Landheer, aber auf dem Meer – es war zu dieser Zeit eher alienum, denn nostrum – hatten die Karthager die Herrschaft inne. Ein schlauer Mensch kam auf die Idee, die Seeschlacht in eine Landschlacht zu verwandeln. Eine Fallbrücke wurde auf den Schiffen angebracht, die mit einem Haken versehen war. War man nahe genug, so ließ man die Brücke herniedersausen, sie bohrte sich in das feindliche Boot und nun stürmten die wohltrainierten Krieger hinüber, es war ein Kampf wie auf dem Lande. Das reichte zum ersten Seesieg der Römer, geführt eben von Gaius Duilius. Der hat sich anschließend zur Ruhe gesetzt, denn die Seetüchtigkeit der so ausgestatteten römischen Schiffe war begrenzt, zu hoch lag deren Schwerpunkt bei hochgezogener Brücke. Eingedenk dieses ersten Seehelden wollten die ihrer Geschichte kundigen Italiener dieses mächtige Schiff nach ihm benennen, voll der begierigen Hoffnung, durch diesen Dreadnought der Seemacht im Mittelmeer wieder teilhaftig zu werden. Da diese Versuche lange andauerten, war dem Schiff auch ein langes Dasein beschieden. Es wuchs durch allerlei Umbauten in der Zeit von 1913 bis 1956 von 169 m auf 187 m in der Länge und nahm zugleich an Kraft und damit Schnelligkeit zu, es erstarkte von 32 000 PS auf 85 000 PS und fuhr statt 22 kn schließlich 27 kn. Womit sich erwiesen hätte, dass es maritime Vorläufer von Abarth und Konsorten gab. Als das Schiff vor Smyrna festmachte, hatte es schon eine Konfrontation mit dem griechischen Schlachtschiff Georgios Averof hinter sich, das wiederum den griechischen Aufmarsch nach Smyrna schützen wollte. Nach Konsultationen der Mächtigeren unter den Alliierten waren die Besatzungen beider Schiffe froh, dass es nur bei der Konfrontation blieb. Da lag nun die RN Gaio Duilio und musste zusehen, wie die Griechen, hier die kretischen Gendarmen, an Land kletterten und so die italienischen Pläne konterkarierten.     


Am Kai von Smyrna gab es viele Cafés, die nicht mit den türkischen Kahvehane zu verwechseln sind. Gäste waren die armenische, griechische und levantinische Schichten der Stadt. Es war Mai, die aus der Stadt hatten wieder die Kreissäge auf, um die uniformierten Truppen zu besichtigen. Diese wurden von dem Metropoliten Chryssostomos gesegnet, er war so von seinem Griechentum besessen, dass er jegliche Loyalität gegenüber dem Staat vergaß. Dabei hätte ihn das Schicksal seines Namenspatrons warnen sollen.


Und, wie es sich zu einer richtigen Machtergreifung gehört, es wurde eine Parade abgehalten. Dieselbe Aufnahme in zwei Abzügen, es ist allerdings weniger das Debarquement, denn ein darauf folgender Aufmarsch zu sehen.

Zwei Erfindungen hatte es gegeben: Zum einen die Autotypie, also die Rasterung der Fotobilder, zum anderen war die Bildfernübertragung möglich geworden. Daher ordnet Dottore die Bilder der Padova Freres den Pressebildern zu, die Einbelichtungen von Aufnahmegegenstand und Herkunftsquelle legen dies auch nahe. Keines dieser Bilder ragt über eine schlichte Ablichtung der Realität hinaus, aber nicht jeder kann ein Robert Capa sein. 

Ein Bild fehlt hier: Durch das Netz geistert eine Anzeige für ein Bild der Padova Freres, das „Offiziers de Democratie“ zeigen soll. Es gab einen französischen Kreuzer dieses Namens, lauf Website der französischen Marine war das Schiff vom 4.5. bis zum 9.5.1919 in Smyrna. Bekannt wurde das Schiff durch die Grippeepidemie auf ihm, von der Besatzung (25 Offiziere und 715 Mannschaften) erkrankten viele.   

Montag, 12. Januar 2015

Nur Altes ist schön

1667 bildete sich in Ujndam in der Provinz Utrecht eine Vorform der heute „Bürgerinitiative“ genannten Gruppierung, um gegen den Bau der von Mijnher Roebruck aus Amsterdam geplanten Windmühlen am Willemkanal vorzugehen. Leider – aus der Sicht der Mitglieder – hatte diese Bewegung keinen Erfolg, es wurde sogar noch das gegenseitige Ufer des Kanals mit diesen unsäglichen Bauwerken zugepflastert. Die heutigen Nachfahren der Mitglieder sind allerdings anderer Ansicht, zu schön erscheint ihnen und den zahlreichen Besuchern der Anblick der nun zu Denkmälern gewordenen frühen Zeugnisse der Technik und Wirtschaft.


Wieder stehen wir vor einem Umbruch: War in der frühen Neuzeit die Energiegewinnung notwendig, um tiefer gelegene Teile des Landes zu entwässern, so wollen wir heute so weiterleben, wie wir uns das in den Zeiten scheinbar unbeschränkt vorhandener Ressourcen angewöhnt haben. Atomkraft und fossile Energie bergen doch – oh Wunder! – Kollateralfolgen in sich, also erscheint es zweckmäßig, sich anderen Formen der Energiegewinnung zuzuwenden. Die Schönheit eines Windparkes wird sich erst wohl den Ururururenkeln von Dottore erschließen, aber Hoffnung darauf besteht. Eine Gesellschaft, die altertümliche Fortbewegungsfahrzeuge zu Oldtimern hochstilisiert, die wird auch irgendwann überholte Energietechnik mögen. Allerdings besteht ein gravierender Unterschied: Die Windmühlen hatten vier, die Windräder haben nur drei Flügel, sie sind nicht so anheimelnd.


Zu den Oldtimern: Wer jemals im alltäglichen Leben die „Nordhoffgedächtnisstellung“ einnahm, der mag keinen VW Käfer (darunter ist die kniende Körperhaltung auf dem Rücksitz derartiger Automobile zu verstehen, leicht zur Seite gedreht, um den schweren Koffer, der einem durch die Tür gereicht wurde, in den namensgebundenen Raum zu bugsieren, der sich hinter dem Rücksitz unterhalb der Brezel erstreckte. Keinerlei Nostalgie kommt auf!) 

Sonntag, 11. Januar 2015

Ich bin Kärcherer

Als Ulbricht sagte: “Keiner hat die Absicht, eine Mauer zu bauen!“, da war dies gelogen. Als sie dann gebaut war, kam ein weiterer Spruch auf: „Einer dieser Mauerbauer, ist auch Konrad Adenauer.“ Nun war das auch nicht richtig, aber nicht gänzlich falsch. Der rheinische Häuptling hatte mit der ihm eigenen Beharrlichkeit die Westintegration betrieben, die Situation der gesamten Nation mit den vielen nichtkatholischen Ostlern lag ihm nicht so am Herzen. Aber, letztlich verdanken wir ihm den Beginn der längsten Friedensperiode Deutschlands, erst Sozialdemokraten beendeten sie. Die mangelnde Rücksicht auf die Lage der „SBZ“ - so gerierte sie sich an ihren Grenzen - sowie der Bedarf an Arbeitskräften bedingten eine Förderung der Fluchtbewegungen aus dem östlichen Teil Deutschlands, euphemistisch, aber wiederum nicht gänzlich unrichtig „Abstimmung mit den Füßen“ genannt.

Wenn man nun sich der meist vergeblichen Mühe unterzieht, aus der Geschichte lernen zu wollen, so wäre konkret wohl die Erkenntnis zu gewinnen, man muss die Lage des Gegners verstehen wollen, um sich vor Konflikten zu schützen.

Als der damalige Präsident unseres westlichen Nachbarlandes laut über die Probleme nachdachte, die in den Vorstädten der Hauptstadt dräuten, da machte er nur Werbung für Dampfstrahlreiniger deutscher Provenienz, weiter reichte offenbar seine Erkenntnisfähigkeit nicht. Mit solchen Geräten säubern die Bürger die Zuwege zu ihren Eigenheimen, sie entfernen damit das, was sie als Dreck bezeichnen. Die geliebten Waschbetonplatten sehen danach wieder aus „wie neu“. Das Verständnis des Präsidenten haben diejenigen, die maschinell eliminiert werden sollten, sich zu eigen gemacht, es verinnerlicht. Sie mussten sich in dieser Gesellschaft nur noch als Dreck empfinden. Das ist ein unbehaglicher Zustand.

Der vorzügliche Stilist Ernst Jünger hat das fundamentale Erlebnis des Krieges in dem Buch „In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers zu verarbeiten gesucht. Heiner Müller hat über ihn gesagt: „Bevor Frauen für ihn eine Erfahrung sein konnten, war es der Krieg.“ So ist denn auch die Figur des Kriegers als menschliche Kategorie auf sein Werk ausdrücklich zurückzuführen. Nicht jeder, der in den Krieg zieht oder ziehen muss, ist ein Krieger, nur wer das aus innerem Antrieb will, kann so bezeichnet werden, das ist auch der Unterschied zwischen Hektor und Achill, nur erster wird von einer Familie beweint. In solch satten, saturierten Zeiten verliert man aus dem Augen, entzieht es sich der Vorstellung der Gesellschaft, dass Krieger zu werden oder zu sein eben Lebensinhalt werden kann. Einen Lebensinhalt zu gewinnen, sich der Faszination des Krieges hinzugeben, macht sicherlich einen Großteil der Motivation aus, die in ruhig geltenden Bereichen der Welt (Deutschland oder Frankreich) junge Menschen dazu bringt, in den Krieg zu ziehen.

Wer dann noch gesellschaftlich zum Dreck erniedrigt wird, wer in konstanter Arbeitslosigkeit oder in Beschäftigung unter Niveau gehalten wird, der muss schon erhebliche Anstrengungen aufwenden, um nicht in den nächsten Krieg zu ziehen, von dem er glaubt, er vollziehe sich unmittelbar in seiner Umgebung. Daher ist Sarkozy einer derjenigen, die mit auf Charlie geschossen haben, wir alle haben mitgeschossen, weil wir uns mit dem, was wir zum Dreck deklarieren, nicht beschäftigen wollen. „Einer dieser Mauerbauer…“

Einsicht wäre vorhanden, wenn der heutige Trauermarsch in Paris durch jene ungereinigten Vorstädte zöge, um dort zu versuchen, die Forderung von 1789 umzusetzen, nämlich Égalité  herzustellen. Dann wäre die Versuchung, sich als Krieger aus dem Dreck zu erheben, aufgehoben, und zudem würde eine noch viel ältere Bitte so erfüllt: NE NOS INDUCAS IN TENTATIONEM.