Samstag, 29. November 2014

Der wirkliche Tod des Frank Schirrmacher

Dieser schlaue Leiter des Feuilleton und Mitherausgeber der FAZ hatte es unternommen, das knirschend konservative Gebilde FAZ für einen größeren Kreis von Lesern attraktiv zu machen. Obzwar selbst ein wenig feist war er mit harten Ellenbogen ausgestattet, denen neben anderen auch die begnadete Fotografin des Blattes zum Opfer fiel. Seine Wachheit und Nachdenklichkeit brachten ihn als radikalen Denker bisweilen an die Grenzen des Konservatismus; wer jedoch an die Wurzeln geht, der droht, nicht nur die Gruppe der Aschebewahrer, sondern auch die der Flämmchenerhalter zu verlassen. In jedem Fall aber hatte fast alles, was mit oder über ihn lief, eines, nämlich Qualität.

Nun, am 16. September 2014, elf Tage nach der Gedenkfeier, wurde er abgewickelt, so wie die vielen früheren Mitarbeiter von Behörden, Unternehmen, Universitäten der DDR, banal und würdelos. Man muss sich nur einmal den Gastbeitrag in der Journaille durchlesen, den man aus den USA ergattert hatte: „Die Opfer des Kommunismus verdienen ein Denkmal“. Dass die Amerikaner nichts von Ideologien, geschweige denn Kommunismus verstehen, erwies sich wieder einmal, als man den Haussklaven Obama als Sozialisten bezeichnete, nur weil er eine umfassende Krankenversicherung installieren wollte. Man kann über das Verhältnis zwischen der ausgesprochenen Vorgabe und dem Terror ihrer Durchsetzung nachdenken und darüber bestürzt sein, aber solch platte Texte wie der des Gastautors sollte man nun doch nicht absondern. In dem Beitrag ist der Gegenpart des Kommunismus nicht erklärt, hat einen wechselnden Namen und außer einer nebulösen Freiheitsdoktrin keinen Inhalt. Wenn nun ohne jeglichen erzieherischen Ansatz, sondern um des Geldverdienens willen in Afrika den Frauen das Stillen der Kinder ausgeredet wird, wenn allgemein zugängliche Quellen privatisiert werden, um dann das Wasser flaschenweise zu verkaufen, dann sind das für die Verfechter des Kapitalismus allenfalls etwas unschöne, vermeidbare, das Gesamtgefüge nicht beeinträchtigende Auswüchse, nur um Nestle mal zu erwähnen, aber es gibt noch Shell und Rheinmetall, General Electric und Unilever. Dottore hat keinerlei Identifikationsgefühle gegenüber dieser Zeitung, aber wenn eines der wenigen noch maßgeblichen Blätter auf der Welt solch eine gequirlte Scheiße abdruckt, dann ist es doch ein wenig peinlich, jedoch Fremdschämen kommt nicht auf. Die weitverbreitete Redensart in der Weimarer Republik war, „das hätte es unter dem Kaiser nicht gegeben“, nun könnte man sagen: „Wenn das der Schirrmacher noch erlebt hätte!“

Ein schlauer Namenskundler hat einmal eine Untersuchung über die Körpergestalt von Leuten mit den Namen Schmidt und Schneider gemacht, indem er Leichtathleten mit diesen Namen danach einordnete, ob sie Kugelstößer oder Hammerwerfer, ob sie Läufer oder Springer waren. Obwohl über 30 Generationen seit der Zeit, in der der ausgeübte Beruf namensgebend war, vergangen waren, war mit Signifikanz festzustellen, dass in der ersten Gruppe die Schmidts, in der zweiten die Schneiders überwogen. Der Körperbau der Ahnen hatte sich durchgemendelt. Daher die Analogie: Letztlich ist es eben doch ein Unterschied, ob man von Menschen abstammt, die Wagen gebaut haben, oder von solchen, die weibliche Ferkel kastrierten. Das ist zwar unfair, aber der bewusste grobe Keil auf den entsprechenden Klotz; nicht wahr, Günther! 

Ceterum: Dottore und Pantalone haben nichts dagegen, wenn den Opfern des Kommunismus – so die Forderung im Gastbeitrag – überall Denkmälern gesetzt werden, allerdings mit der Bedingung, dass der Opfer des Kapitalismus vor allen Konzernzentralen ebenfalls gedacht wird.


Dienstag, 11. November 2014

Freiheit schöner Götterfunken

Angenommen, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigte, ein Propagandaministerium einzurichten, in dem sie Bundespressestelle, die Bundeszentralen für Politische Bildung (schon dass solch eine Institution existiert, ist in einer Demokratie falsch) und für gesundheitliche Aufklärung vereinigt und ausbaut. Dottore würde dem entgegenstehen und mit Meister Röhrich behaupten: „Das tut nich Not!“

Ein markanter Satz eines ehemaligen Ministers in Deutschland lautet: „Das Volk kann mit oder ohne Stimmrecht immer dazu gebracht werden, den Vorstellungen der Entscheider zu folgen. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.“

Ein Propagandaministerium ist in der Bundesrepublik nicht notwendig, weil die Presse sowieso schon gleichgeschaltet ist, jedenfalls so handelt, als wären ihr entsprechende Instruktionen erteilt worden. Von dem Begriff Presse sind hier auch die sog. Nichtprintmedien umfasst, also alle Unternehmungen, die sich auf die Pressefreiheit berufen können. Gut, es gibt Ausnahmen, aber die stehen nur am Rande, zählen nicht zu den Meinungsmachern.

Dieses Pauschalurteil gründet sich auf die Berichterstattung und Kommentierung aller derjenigen Vorgänge, die sich in der Ukraine abspielen. Ohne Zweifel: Putin ist keine Lichtgestalt, sein Vorgehen stammt aus seiner Praxis als subversiv arbeitender Geheimdienstmitarbeiter. Aber, solche Fortdauer scheinbar erfolgreicher Handlungsmethoden gibt es weltweit. Die USA versuchen es mit der Ausweitung der Wildwestregeln, setzen Kopfgeld aus, glauben an die Denkfigur der Hydra, aber die Welt ist komplizierter. In China versucht die sich „K“PCh wähnende Nomenklatura ihre mittelalterlichen Vorstellungen mit Wortverdrehungen und undialektischem Denken durchzusetzen, aber die sozial-ökonomischen Bedingungen der Gesellschaft werden diese Art von Herrschaft obsolet machen. So macht denn die Einigkeit im Falschen Putins Weise des Vorgehens nicht richtiger. Jedoch, welche Wahl wäre ihm geblieben? Hätte er nicht die dritten Kolonnen, denen auch zweite folgten, losgeschickt, der Zugang zum Schwarzen Meer wäre nur noch über den Golf von Taganrog möglich oder aber unter der Kontrolle der Nato durch die Ukraine zu den Flottenstützpunkten der Krim. Die Agierenden auf dem Maydan sind nun auch nicht alle unterstüzungswürdige Freiheitskämpfer gewesen. Doch wenn dieser Ruf ertönt, dann sausen die Kämpfer für die Freiheit los und singen:

Freiheit die ich meine,
die mein Herz erfüllt,
Komm mit deinem Scheine,
süßes Engelbild! 

Schon vor langer Zeit erkannten die Inder, dass die Bekehrungsversuche englischer Missionare nicht auf ihr Seelenheil zielten, sondern diese waren nur Protagonisten der englischen Bourgeoisie, was in die Formel mündete: They say Christ and mean cattoon. Genauso wie die BRD die DDR vereinnahmte, genauso wollte Europa sich der Ukraine bemächtigen, der Schein der Freiheit ist eben doppeldeutig. Dummerweise stieß es dabei auf einen wachsamen, wenngleich unsympathischen Putin. Abgeriegelte Einflusssphären mit entsprechender Ideologie gibt es schon lange, die seit 1823 inthronisierte Monroe-Doktrin wird am striktesten bewacht. Wieso soll Russland dulden, dass nahe seiner Weichteile gierige Hände herumwühlen?

Es versucht zu haben, war sicherlich kein Fehler, aber nach dem Scheitern die Gegenseite verteufeln, ist schäbig und unwürdig. Nachdenklich stimmt dabei nur, dass „die Presse“ in das Klagegeheul einstimmt. Es war schon immer bequemer, die Gegenseite zu diffamieren, denn die eigenen Fehler zu erkennen oder gar auszusprechen.

Ach, ja: der Satz des früheren Ministers stammt von Göring, das kursiv Geschriebene wurde umgeändert, um das bis zum Ende der Lektüre zu verschleiern.