Donnerstag, 27. Juni 2013

Ägypten 7 Moschee Sultan Al Moayed

Von der Sultan Hassan Moschee geht man ungefähr zwanzig Minuten in nördlicher Richtung, um an die Moschee des Sultans Al Moayed zu gelangen. Die Verliese in einem solch warmen Land wie Ägypten sind nicht modrig und rheumatogen ausgestattet, sondern ungeziefrig und stickig. In solch einer Zwangsbehausung saß der spätere Sultan und litt. Er schwor, komme ich hier einmal heraus, dann soll hier eine Stelle der Heiligkeit und Annehmlichkeit entstehen. Auch viele Kirchen verdanken solchen Gelöbnissen ihre Existenz, so beispielsweise die drei Rundkirchen in Grünfeldhausen, Oberwittighausen und Standorf, die wahrscheinlich von glückselig heimgekehrten Kreuzfahrern gestiftet wurden, beeinflusst von der Grabeskirche zu Jerusalem. Al Moayed war wohl nicht ganz unschuldig in dies Verlies gekommen, er war ein umtriebiger Mann: am gewaltsamen Ableben seines Vorvorgängers war er nicht unbeteiligt, seinen Vorgänger hat er nach wenigen Monaten abserviert, also ein Mann mit Qualitäten, mit dem man nicht hätte befreundet sein mögen.

Bei der Betrachtung der Kirche im Gewusel der Straßen Kairos fällt zuerst auf, dass die beiden Minarette sich nicht unmittelbar an der Moschee erheben, sondern sich auf dem daneben stehenden Tor errichtet wurden, dem Bab Zuweyleh. Dottore vermutet, das nicht mehr präsente Verlies wird sich in dem Torbau befunden haben. Die roten Pfeile zeigen die Blickrichtungen der Bilder von auf, die David Roberts von dem Komplex malte. Sie folgen.


Der Grundriss gibt den gegenwärtigen Zustand der ab 1412 gebauten Moschee wieder, dabei sind:

Rote Punkte    die Minarette
Hellgrün          Zugangs- und Vorbereitungsörtlichkeiten
Violett             Begräbnisstätten
Rot                 Mihrab, Minbar und die beiden Vorleserlogen
Hellblau          Freiraum
Dunkelgrün     Gebetsräume

Diese Moschee ist die letzte in Kairo, die noch mit einem inneren Freiraum gebaut wurde, das Erbe der frühen arabischen Moscheegestaltung; die umgebenden Gebetsräume sind nicht überkuppelt, sondern bestehen aus langen Arkadenreihen, die parallel laufen, aus statischen Gründen lediglich mit Holzbalken verbunden sind, die Dachabdeckung geschah ebenfalls durch Balken aus Holz. Die Außenwand hinter dem Tor nimmt noch die Richtung der alten Stadtausrichtung auf, ist aber im Inneren auf den Mihrab ausgerichtet. Die strenge Vorgabe der Ausrichtung der Gebetsnische nach Mekka hat unter anderen dazu geführt, dass die arabische Astronomie sich stark entwickelte und lange Zeit führend in der Welt war.


David Roberts, dessen Bilder im Grunde genommen kolorierte Zeichnungen sind, ist um diesen Komplex offenbar lange herumgeschlichen und konnte sich nicht satt sehen. Aber er hat nicht nur geschaut, sondern auch in Skizzen festgehalten, was er sah. Dies muss die Imame seinerzeit so beeindruckt haben, dass sie ihm gestatteten, auch in den Moscheen seine Arbeit fortzusetzen, damals (in den 1830er Jahren) eine Ausnahme.


Hier nun ist er durch das Tor gegangen, rechter Hand steht die Moschee, zwischen ihr und der gegenüberliegenden Häuserzeile tobt der Bazar, eigentlich überall, wenigstens nach den Bildern des Herrn Roberts. Beide Minarette haben zu dieser Zeit noch einen weiteren Aufbau oberhalb des zweiten Balkons, der ihnen in den Folgejahren zeitweise abhanden kommt, wohl durch ein Erdbeben, vermutet Dottore.


Die Bazarsituation scheint aber nicht nur von Roberts hinein gemalt worden zu sein, denn als der anonyme Photograph von fast gleicher Stelle sein Bild auslöst, herrscht ebenfalls Treiben auf der Straße. Rechts am oberen Bildrand sind die Streifen der Moschee zu erkennen, die Minarette sind kürzer geworden, geblieben sind die Musharabies, die in Zeiten vor der Klimaanlage das Leben im Sommer einigermaßen erträglich machen.


Nun wieder nach draußen, außerhalb des Mauerkranzes, der von dem das Tor begrenzt wurde. Das Tor war mit der Mauer nach den Jahren nach 1000 gebaut worden, ungefähr gleichzeitig mit der Moschee Saleh Talaï, vor der der Maler gestanden haben muss, als er dies Bild skizzierte. Da es jedoch solch einen großen freien Platz dort nicht gibt, hat sich Roberts über die lächerliche Realität hinweggesetzt und uns damit einen Blick ermöglicht, der eben imaginär ist.


Da waren Robertson und Beato doch sehr viel beschränkter, als sie ca. 30 Jahre später auch die Türme aufnehmen wollten, sie mussten mit der sich ihnen darbietenden Wirklichkeit zu recht kommen. Die Türme hatten zu ihrer Zeit noch die bisherigen Stockwerke über dem zweiten Balkon, diese waren massiv gemauert. Den Boden der Gasse scheint eine verschwommene Masse zu bedecken, dies sind die Schatten der sich viel zu rasch bewegenden Lebewesen. So ist denn nur dem am Haus lehnenden Turbanträger eine zeitlose Existenz gewährt, so lange eben, wie dies Bild oder dessen Daten bestehen.


Die gleiche Straße, nur erheblich später. Als Bonfils dieses Photo macht, haben die Türme wieder neue Stockwerke erhalten, diesmal aus Säulen bestehend. Das Bild ist im Netz schmaler, Pantalone hat es in die Breite gezogen; das Format war durch das Unterfangen, stürzende Linien zu vermeiden, zu schlank geworden, Photoshop kann 2013 mehr als die Dunkelkammer 1885. Unschärfen, die offenbar beim Scannen entstanden sind, konnten kaum beseitigt werden.


Selbstverständlich kann unser Liebling, die Sebah-Sippe, nicht fehlen. Zu deren Zeit gab es nördlich der Citadelle einen langgestreckten, aus Felsen bestehenden  Hügel, von dem aus Pascal Sebah ein Panorama aufnahm, das zuvor in einem anderen Post gezeigt wurde. Dies ist eine Vergrößerung aus dem Bild „N.° 4 C Vue Panoramiques du Cairo“. Zeitlich muss es zwischen dem von Robertson und Beato und dem von Bonfild gemacht worden sein, Zerstörungen durch Erdbeben sind perverser Weise manchmal doch nützlich. Das den Moscheen in Kairo eigene schmale, hohe Tor ragt über das Häusergewirr heraus.


Als sich der Sohn Jean Pascal daran macht, von identischer Position einen Panoramablick über die Stadt herzustellen, war der Wiederaufbau des westlichen Minaretts vollendet, das andere eingerüstet. Vater und Sohn Sebah standen jeweils auf dem heute mit dem Al Azhar Park überzogenen Hügel, und zwar an dessen höchstem Punkt, heute ist dort ein Restaurant gehobener Güte. Immer noch grenzt der Hügel an die Stadtmauer, eine andere als die, in der das Tor Bab Zuweyleh den Zugang regeln konnte.


Nach der Vorarbeit von David Roberts waren dann später die Moscheen offen, so nahm Lekegian die Moschee auf und zwar vom Innenhof aus in Richtung Mihrab. Damals trennte ein Gitter den Innenhof von den Gebetsräumen ab. Hinzuweisen bleibt, dass auf dem Bild keine Vorleserloge, kein Dikkat al-muballigh, sichtbar ist, die nach dem Grundriss zwischen Innenhof und Mihrab steht. Sie ist offenbar ein in jüngster Zeit bei der letzten Restauration gemachter Einbau.


So war es denn – wieder etwas später – für Bonfils ein Leichtes, die Gebetsnische der Moschee aufzunehmen. Obwohl noch keine dieser scheußlichen Renovierungen vorgenommen worden war, strahlt aus dem Bild die handwerkliche Perfektion der Erbauungszeit. Die Moschee war wirklich zu einem Ort geworden, der heilig und angenehm geworden war – entsprechend des Gelöbnisses des Stifters und Grabherrn.


Letztlich nun musste die Moschee eine für die Orientalen so gehandhabte Erneuerung über sich ergehen lassen, deren Leitsatz eben ist, nur das perfekte Neue ist schön. Die Geschichte eines Bauwerks wird eliminiert, weil Gebrauchspuren oder gar historisch bedeutsame Beschädigungen strikt beseitigt werden, so kurzsichtig wie die Vertuschung der „Plombe“ am Kölner Dom. Während hier uneinsichtiger Klerus das bewirkt, ist es in Kairo die mangelnde Trennung von Staat und Religion, wobei dort sogar die Religion der Ureinwohner, der namengebenden Kopten, negiert wird.



So taucht denn auf neueren Bildern plötzlich in der breiten Arkade vor der Gebetsnische eine Vorleserloge auf, die es eben zuvor dort nicht gegeben hat. Nun werden auch in katholischen Kirchen mit kunsthistorischem Gewicht Altäre an Stellen errichtet, die zuvor frei waren, nur um dem 2. Vaticanum Folge zu leisten. Gotteshäuser sind eben keine Museen, was ihnen übrigens gut tut. Nur benutzte Gotteshäuser strahlen die Spiritualität aus, die es in ihnen geben muss.

Freitag, 14. Juni 2013

Ägypten 2 Besteigung der Cheopspyramide

Im Jahre 1872 hat Mark Twain die unendlichen Mühen der Besteigung des Riffelberges in gesetzte Worte gefasst, heute noch lesenswert, übrigens leicht über Der Spiegel und Gutenberg. Er benötigte mit seinem Freund 196 Träger, davon je fünf für sich und „Harris“. Sieben Jahre später erschienen von ihm seine Erlebnisse der Zeitverschiebung bei dem Versuch, vom Rigi-Kulm einen Sonnenaufgang zu erhaschen. Der große Spötter hätte es an einer niedrigeren Erhebung versuchen sollen, der Cheops-Pyramide.


Der unbekannte Verfasser erklärt es in seinem Reisetagebuch:

Ascent of Great Pyramid Cheops
The blocks are upwards 3 ft. in height + the traveller will find the assistance of guides acceptable. Escorted usally by 3 Beduine, one holding each hand and a third who pushes behind the traveller begins the ascent oft he large granite blocks. The space at the top measures 12 sqr. yds. in area, so that there is abundant room for a large party of visitors.


Diese Beschreibung stammt von William Vaughn Tupper, der 1892/3 das Untere Ägypten besuchte. Er reiste ohne eigene Kamera und hat – wie damals üblich – die Bilder der jeweiligen Reisephotographen erworben, hier ein Bild von J.P. Sebah. Der bildungsbeflissene Börsenmakler hat kundig und umsichtig seine Reisen dokumentiert, wenngleich auch seine Schilderung einer Besteigung der Cheops-Pyramide doch an seinen großen Landsmann erinnert:

Two Bedouins are necessary and three are desirable for each person who climbs the Pyramid. The accompany pictures give same idea oft he size oft he blocks and the difficulty of surmounting them. At the top is a space about 30 feet square. The view is unique.

Immerhin pro Kopf zwei weniger als bei Mark Twain.


Der Drang der Touristen, die Pyramide besteigen zu wollen, war damals für viele Ägypter Garant für ihren Lebensunterhalt. So lungerten an den Kanten des Weltwunders zahlreiche Einheimische in Erwartung, ihre Dienste an den Mann oder an die Frau zu bringen.


Auf dem Bild von Bechard sieht man unten den zeitungslesenden Chef der Schlepper. In der Mitte werden zwei Besucher „standesgemäß“ von jeweils zwei „Beduinen“ heraufgeschleppt, während der dritte schon auszuruhen scheint. Unter ihm steht die wohl dazugehörige Dame auf dem vierten Quader und weiß nicht, ob sie sich weiterschleppen lassen soll.


Schnell ging den Reisenden auf der Grande Tour die Puste aus, es war daher notwendig, vom Zweier in den Dreier überzugehen, Körperertüchtigung war damals nur ein Spleen junger englischer Adliger.



Aber abgesehen von der angebrachten Fitness fehlte es den Reisenden an einem, nämlich der Fähigkeit, die spärlichen Reste ihrer Würde zu bewahren. Die war ihnen zwar „in die Hand gegeben“, aber Schlaffheit durch die Delegation der körperlichen Arbeit an eine von ihnen als Unterklasse angesehenen Schicht des Volkes und mangelndes Bewusstsein ihrer selbst hatten sie unfähig gemacht, die Hürden der Reise zu überwinden; „Anmut sparet nicht noch Mühe“ dichtete 60 Jahre später B.B., so als habe er die schlappen Touristen gesehen. Wer sich in der Sänfte tragen lässt, sollte mindestens die Strecke auch selbst laufen können. Aber, wenn das so wäre, dann könnten die Revolutionen nicht klappen.


Drei der entweder mit Tropenhelm oder Fez verkleideten Touristen lassen sich hier hinaufziehen, die gnädige Frau steht noch unten rechts. Schade, dass es damals keine lichtstarken Teleobjektive gegeben hat, die Stoß-Dich-Zieh-Mich-Helden hätte man gerne kurz unter der Spitze des Bauwerkes gesehen.


Auf diesem Bild von Bonfils will einer dieser Helden unbedingt seine kleine Tochter auf die Spitze des Bauwerks gehoben wissen, der Papa wird’s nicht richten, allenfalls richten lassen – gegen ein tüchtiges Trinkgeld. „Warum denn nicht, wenn man sich´s leisten kann?“ fragte Wolfgang Neuss bei der Vorwegnahme der Wiedervereinigung – die dann genauso peinlich war, wie er es 1965 angenommen hatte.

Doch weg von den Scheußlichkeiten der Bourgeoisie, hin zum letzten Foto: Es war schon bei Tupper teilweise zu sehen. Sebah Sohn sieht neben den Peinlichkeiten der Touristen die Linien der Wirklichkeit: die unklare in der Nähe, durch Menschen betont, die klare in der Ferne, beide treffen sich nicht im Unendlichen, sondern  – außerhalb des Bildes – 9 Meter über der abgeplatteten Spitze der Pyramide. Zu Recht mag Dottore diesen Photographen.


Und heute: Es ist verboten, auf die Pyramide zu steigen, aber drei Russen haben es doch geschafft, ihr Bericht in der FAZ vom 13.06.2013:

„Es war schwieriger als wir dachten. Witalij, unser Freund Marat und ich kamen am 18. März tagsüber auf das Gelände der Pyramiden, zusammen mit den Touristenhorden. Eine halbe Ewigkeit sind wir unten auf und ab gegangen und haben auf die Dämmerung gewartet. Abends wird dort eine Licht-Show gezeigt. Es sind sehr viele Sicherheitsleute und Polizisten auf dem Gelände. Irgendwann kam aber ein unbeobachteter Moment, und wir konnten den Aufstieg beginnen. Wir sind einfach so schnell und geräuschlos wie möglich hinaufgeklettert. Es war kühl, wir hatten extra Handschuhe mitgebracht und auch ein Mittel gegen Mücken, weil wir gelesen hatten, dass es dort viele geben soll. Aber es flog nicht eine einzige umher. Der Aufstieg hat rund 20 Minuten gedauert, die Große Pyramide ist fast 140 Meter hoch. Man muss sich das vorstellen, als würde man eine große Treppe hinauf steigen, wobei jede Stufe einen Meter hoch und mit Staub bedeckt ist. Manche sind auch nicht ganz fest. Es war ziemlich anstrengend.“


Donnerstag, 13. Juni 2013

Das ausdrückliche Zitat

Die Frankfurter Schulen werfen lange Schatten, nicht nur das „Grand Hotel Abgrund“ hatte seine Epigonen, auch die N.F.S. hat epigeniale Nachfolger, zu ihnen zählt Pantalone die Karikaturistenzwillinge Gresser & Lenz. Sie alleine sind schon Grund genug, bisweilen in die FAZ zu schauen. Der in den tittenfixierten USA begangene mutige Schritt der Angelina Jolie ist zu recht nicht aus der ironischen Weltbetrachtung auszusparen.


Da nun im Gegensatz zum Original personalisiert wurde, ist die diskrete Darstellung angebracht, zumal die Passauer im Elend der Fluten auch einen angenehmen Blick gehabt hätten. Jedoch mangelt es an der Deutlichkeit des Zitates, darum sei dies hier nachgeholt. Wer die Fundstelle wissen will, dem sei gesagt, auch bei einem Zitat aus „Faust“ muss man dem Gebildeten nicht unbedingt sagen, auf welchen Vers man sich bezieht.



Ach, Adele … . 

Freitag, 7. Juni 2013

Kairo 4 Sultan Hassan Moschee und ihr Brunnen

Am östlichen Stadtrand erhebt sich als Vorstufe zu den Moqattamhügeln die sogenannte Citadelle. Zu deren Füßen breitet sich in westlicher Richtung die muslimische Altstadt aus. Noch ans Schienbein gelehnt erhebt sich dort die mit zwei Minaretten versehene Sultan Hassan Moschee.


Wer beim Anblick dieses – natürlich von Sebah stammenden – Bildes vermutet, der Gottesdienstraum sei unter der Kuppel, ist auf die osmanische Kuppelmanie hereingefallen. Denn der Baukörper „Kuppel“ ist eben nicht spezifisch muslimisch, sondern dessen Übernahme  aus der byzantinischen Architektur ist dem Bestreben der Osmanen zu verdanken, sich mit imperialen Bauten auszuzeichnen. An der Pracht der Hagia Sophia konnten sie nur teilhaben, wenn sie an deren Wunder mitwirkten, was dann auch Sinan prächtig konnte. Die Übernahme westlicher Bauformen erstreckte sich bei den Arabern – außer beim Felsendom in Jerusalem – nicht auf religiöse Bauten; die mit Säulen in viele Schiffe unterteilte arap çami war lange Zeit die Leitform, in Kairo an der Amr Moschee am besten zu begreifen. Aber auch an diese Form hält sich die Sultan Hassan Moschee nicht. Der große, mit hohen und massiv wirkenden Mauern  umschlossene Baukörper enthält in seinem Innern insgesamt 6 verschiedene Bereiche:


Die grün markierte Fläche ist die eigentliche Moschee, die vier mit kleinen Räumen ausgestatteten Bereiche sind Rechts- und Koranschulen, der runde, überkuppelte Raum birgt das Grabmal des Stifters und Namensgebers.


Die größte, im Schnittpunkt gelegene Fläche ist im Grunde kein Raum, da er keine Überdachung hat, allenfalls durch die umgebenden Wände und die angrenzenden anderen Bereiche gewinnt er selbst an Saalcharakter.  Die vier an ihn grenzenden Räume sind sogenannte Iwane (oder unter Mitbenutzung des arabischen Artikels Liwane), überwölbte, jedoch nach einer Seite offene Bereiche. Sie gibt es in mesopotamisch/persischen Gebieten spätestens seit der Partherzeit. Diese Bauform, also ein rechteckiger Freiplatz mit bis zu vier angrenzenden Iwanen, ist spezifisch persisch, sie konnte sich nach der arabischen Eroberung im Sakralbau behaupten. Der hellere Fleck im Innenraum auf dem Bild wird von dem Dach des Brunnens gebildet.

270° des Hofes konnte der Fotograf hier zu einem Panorama zusammenbringen, dieser Rundumblick leidet jedoch an dem tiefen Aufnahmepunkt, selbst mit einfachen Hilfsmitteln sind die stürzenden Linien nicht zu beseitigen, aber wenigstens die Außengeraden stehen nun senkrecht. Da die weißen Dreiecke abgeschnitten werden müssen, weil wir uns an rechteckige Bilder gewöhnt haben, wird damit auch ganz rechts ein logenartiger Bauteil wegfallen.


Lekegian hat den rechten Iwan seinerzeit aufgenommen; man kann Mihrab und Minbar sowie diesen eigenartigen Balkon erkennen. Die Gleichheit aller Muslime vor Allah verbietet im Grunde eine Hervorhebung einzelner Gläubiger. Im Osmanischen Reich wurde eine Ausnahme für den Sultan gemacht, zu leicht konnte er in der Masse der übrigen Beter einem Attentäter zum Opfer fallen, also durfte er sich aus Sicherheitsgründen auf den Mahfil separieren. Eine weitere Ausnahme wurde denjenigen zugestanden, die durch Vorlesungen aus dem Koran von der Menge sich unterschieden. Diese nahmen auf dem im Arabischen dikkat al-muballigh genannten Loge Platz, auf dem Bild durften zwei Vorleser oben sitzen.


Die Mitglieder des Sebah-Familienunternehmens haben zu verschiedenen Zeiten immer wieder dieses Brunnenhaus aufgenommen.




Daher hat dann auch Bonfils das Objekt für würdig erachtet, hat aber durch die Lichtführung eine sehr intime Aufnahme geschaffen, offenbar die beste von allen.


Die folgende wird allgemein den Brüdern Zangaki zugeschrieben, sie ist vom fast identischen Platz aus gemacht. Man kann die Unterschiede daran erkennen, wenn man der herabhängenden Schnur in der Mitte folgt: Die arabischen Schriftzeichen des Bandes um das Dach (übrigens bedeuten sie ALLAH) werden an anderer Stelle überdeckt. Auch ist dieses Foto durch das starke Licht von oben banaler.


Das von David Roberts gemalte Bild aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts besticht gegenüber den monochromen Bildern nicht nur durch seine Farbigkeit. Seine Lebendigkeit nimmt einen mit in den abgebildeten Gottesdienst, eine fremde Welt wird einem nah.


Was lag also näher, als durch eine Verbindung der Bilder ein wenig Zauber in das Panorama zu bringen. Der weißbehemdete Tourist verlor noch seinen Scheinbuckel (das Hemd seines Nachbarn!), die überall hin wabernden roten Plastikstühle wurden weggeräumt, die Touristenfamilie verschwand ganz im Torbogen, der Brunnen aus dem lieblichen Bild nahm in der Mitte seinen angestammten Platz ein.



Fotografie kann viel, aber nicht alles.

Frage an den Leser: Wer hat die Unterschiede in der Gestaltung der Fenster im Obergeschoss des Brunnens bemerkt? Auf dem frühesten Bild von Sebah, dem des Malers David Roberts und wieder heute sind es je Seite zwei kleine schmale und zwischen ihnen ein rundes Fenster. Auf den anderen sind jeweils zwei längere schmale Fenster sichtbar. Das Rätselhafte daran ist, dass irgendjemand im 19. Jahrhundert die Fenster ausgewechselt hat, jedoch das marode Dach unrestauriert ließ. Wer weiß mehr?

Wenn man Bilder von Ägypten zeigt, dann dürfen die der Description de l´Égypte nicht fehlen; dieses Buch, eine Mischung aus Bonapartismus und Aufklärung, erschloss Europa die Fülle Ägyptens. Auch in diesem Werk gab es ein Bild des niedlichsten aller ägyptischen Reinigungsbrunnen, das nicht ausgelassen werden soll.

Über die Aberkennung von Auszeichnungen

1.
Horst Tappert hat nicht nur im Film den Chef der Bande gespielt, die den legendären Überfall auf den Postzug organisierte, er gehörte auch in der Realität einer Gruppierung an, die nun wirklich für unrichtiges Handeln sprichwörtlich geworden ist. Das hat in Deutschland lange gedauert. Amerikanische Rechtsvorstellungen mitsamt der amerikanischen Prozessordnung haben es den Deutschen jahrzehntelang ermöglicht, den Nürnberger Prozess als Siegerjustiz abzutun. Jedoch, wenn zuvor keine deutsche Justiz sich mit den Verbrechen beschäftigte, dann müssen es eben die Sieger tun. In diesem Verfahren war die SS insgesamt, mit Ausnahme der Reiter SS und des Lebensborns, als verbrecherische Organisation verurteilt worden. Das sagt nichts aus über ein Mitglied dieser Organisation, zumal einer Untergliederung, der Waffen SS, diese bestand aus Kombattanten, war jedoch zumindest für Kriegsverbrechen berüchtigt. Da Schuld nach kontinentaleuropäischer Ansicht eine personelle Eigenschaft ist, müsste dem „Ehrenkommissar“ vorwerfbares Handeln zumindest nahegebracht werden können, was bei der sowieso dilatorischen Behandlung der Untaten der Nazizeit durch die Justiz wohl kaum möglich sein wird. Die Jahrzehnte währende Verdrängung hat nun – zugleich mit zwei Generationenwechseln – dazu geführt, dass alles, was in die Epoche 1933 bis 1945 fällt, verdächtigt wird.

Man kann allerdings genauso wie auf die Fresse auch auf den Hinterkopf fallen. Wie faschistisch kehrte beispielsweise der Straßenfeger Ferdinand Kunze die ihm zugeordneten städtischen Verkehrsflächen? Was war das zutiefst faschistische seiner Kehrweise? Die aufsehenerregende Arbeit über die „Straßenreinigungskultur 1933 bis 1945“ hat uns darüber die Augen geöffnet. – Dass wirklich in den Köpfen der Historiker Fragwürdiges haust, dafür gibt der ansonsten doch so verständige Ian Kershaw ein Beispiel ab: Er zeigt bares Unverständnis für das Begehren einer Putzfrau des Polizeipräsidiums in München, die im August 1945 Restlohn für April 1945 einfordert, der Dreck des Präsidiums ist für sie doch im August doch genauso wegzuwischen wie im April.

In dem Film „Wir Wunderkinder“ rief  der SA-Mann: „Es brechen neue Zeiten an!“, antwortete der Toilettenmann „Jepinkelt wird immer!“  Wer 1949 nicht den Schneid gehabt hat, allen Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälten des Dritten Reiches die Titel und Pensionen abzuerkennen, weil sie die Euthanasie folgsam nicht verfolgten, gar Jahre später die entsprechende Ermittlungsakte verschwinden ließ, der darf Horst Tappert nicht ungeprüft den Ehrenkommissar streitig machen.

2.
In fremden Ländern herrschen oft Illusionen über die Aufgabe des amerikanischen Präsidenten. Ist ein Kandidat nicht ganz so rechts gewirkt, so wird er sogleich als liberal gepriesen, Dottore hat seinerzeit schon die Begeisterung für Kennedy nicht geteilt. Zu Recht, war er es doch, der den Vietnamkrieg erst richtig entfachte. Ähnlich waren diejenigen, die den Friedensnobelpreis vergeben, im Wahljahr des gegenwärtigen (Wieder-) Amtsinhaber besoffen von der Wahlpropaganda und hielten das Gesäusel im Wahlkampf für das Programm des Präsidenten. Selten ist die Welt so getäuscht worden. Weltweite Tötung von Menschen, die im Arkanbereich zu Feinden erklärt worden waren, sind ebenso „legal“, wie das ununterbrochene Abhören der gesamten Menschheit, soweit sie durch Netzwerke kommuniziert.


Der Nobelpreis wäre von Obama, hätte er nur eine Spur des Anstandes, den man ihm andichtete, umgehend zurückzugeben. Wenn er das nicht möchte, dann kann er den Preis teilen, um die eine Hälfte an „Big Brother“ wegen dessen Überwachungsfähigkeiten, die andere an Josef Stalin wegen dessen paranoider Verfolgungspraxis weiterzureichen.

3.
Das Elbtal hat wegen einer Brücke, die der entsprechenden Kommission missfallen hat, den Status Weltkulturerbe verloren. Nun gibt es im deutschen gar kein „das Erbe“, sondern nur den Nachlass, aber das ist eine andere Geschichte. Grundsätzlich ist daraus zu lernen, dass man derartiger Auszeichnungen verlustig gehen kann.



Seit Jahrzehnten steht ein Zelt über der Stelle, an der sich einst der relativ gut erhaltene Tempel des Apollon Epikurios erhob. Das Zelt schützt seit Anbeginn jedoch nicht den Tempel, sondern einen großen Portalkran, mit dem die Verantwortlichen den Tempel spielzeugartig auseinandernehmen und nach ihrem – natürlich streng wissenschaftlichen – Gutdünken wieder zusammenpuzzeln wollten. Im Zelt ist trotz der Abdeckung alles mit Flugrost bedeckt, der vom Kran stammt, außerhalb des Bauwerks verrotten die Haltegurte und anderen Aufbewahrungsutensilien. Die Steine draußen nehmen es gelassen, die im Innern träumen von einer leichten Rötung, so, als kämen sie vom Pentelikon.

 

Nun hat Griechenland sicherlich anderes zu bewältigen als die Wiedergutmachung einer von Anfang an verwerflichen Anastelosis. Jedoch ist der Status des Bauwerks als Weltkulturerbe nicht nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern schon seit Jahrzehnten anrüchig. Er ist abzuerkennen, wobei damit nicht ausgeschlossen wäre, ihn zu gegebener Zeit wieder zu verleihen. Zumindest der Flugrost wäre abzusaugen, das schreckliche Zelt einzupacken, der Kran abzubauen, die versetzten Säulen zu stabilisieren, das kann auch ein marodes Hellas machen.  

„Nun hast Du zwar genügend Bilder verwendet, aber es sind doch recht unterschiedliche Größenordnungen vorhanden. Ob Tappert „Honorarkommissar“ bleibt oder nicht, ist gemessen an den Allmachtsrealisierungen eines Obama doch unerheblich. Auch mit dem rostbesäten Tempel kann die Menschheit weiterexistieren. Ich finde, das kann man nicht in einem Post abhandeln!“

„Wahrscheinlich hast Du recht, aber das wunderbare Wechselbild von Obama/Bush hat mich dazu gebracht, einige schon seit längerem dräuende Gedanken niederzuschreiben, auf neudeutsch sagte man dazu „verschriftlichen“, was ein scheußliches Wort bleibt, selbst wenn der andere Nobelpreisträger G.G. es benutzt hat.“


„Du lenkst wieder ab, aber ich merke, Du weißt es schon selber.“

Montag, 3. Juni 2013

Sebah 2013

Das weltweite Netz hatte einen herrschaftsfreien Ansatz, es war fast anarchisch. Jedoch die herrschende Wirtschaftsform nebst Sozialverknüpfung, dazu verbunden mit regionaler Tyrannei, haben dazu geführt, dass immer mehr Einschränkungen um sich greifen, diese Beschränkungen werden als angebliche Rechte uns angedreht. War es vor Jahren noch überall möglich, sich fröhlich schöne Bilder herunterzuladen, so treten zunehmend Okkupationen auf, die früher Freies mit ihrem Herrschaftsanspruch belegen.

Die Library of Congress bietet das nachfolgende Bild seit langem in seiner Galerie an, wer sich daran satt sehen will, kann es herunterladen. Es gibt dabei drei Größen, die mittlere gewährt schon den genauen Blick auf Einzelheiten; diese hat sich Pantalone vorgenommen.


Der Rahmen, mit dem die Quelle die Aufnahme umgeben hat, ist grau-oliv, entbehrlich. Also wird das Bild herausgeschnitten, allerdings bleiben kleine Streifen des Rands vorab erhalten. Eine Anhebung des Kontrastes lässt allerdings auch die Macken des Bildes stärker hervortreten.


Da das zahlreiche Laub auf dem Bild in einer sepiafarbenen Einheitssoße dahinfächelt, ist eine weitere Differenzierung angebracht. Der Himmel ist zum einen von äußeren Schäden übersät (über der Irenenkirche), zum anderen sind die Helligkeitsunterschiede doch sehr beträchtlich und ikonografisch nicht nachvollziehbar.


Es muss also das vorgenommen werden, was Pantalone als „Himmelputzen“ bezeichnet, es ist auf diesem Bild leicht möglich, weil das Laub der Bäume nicht bis zum Bildhorizont reicht, da dann „Goldschmiedearbeit“ nötig wäre. Also wird in einem weiteren Schritt ein Himmelsfarbton angesammelt, und dann die weite Fläche damit gereinigt.


Jedoch muss nun mit erheblich verkleinerten Werkzeugen gearbeitet werden, damit die Struktur der Horizontlinie exakt erhalten bleibt und sich nach der Bearbeitung präzise vom hellen Hintergrund abhebt.


Nachdem dies erreicht ist, geht es konsequenterweise nun an die „inneren“ Macken des Bildes. Bei dieser Retouche sind zwei Arten von Fehlern zu unterscheiden: Schäden, die aus der Behandlung des Bildes in seiner langen Geschichte herrühren (A), Fehler, die bei der Herstellung des Abzuges entstanden sind (B). Ein Beispiel für A ist die kleine weiße Macke, die in dem Laub des Gewächses sichtbar ist, das die Mauer des Serails überwuchert. Die Papiere für die Abzüge wurden noch nicht industriell hergestellt, so sind schon in der Vorlage kleinste Fehler vorhanden, die bei der Belichtung verhinderten, dass es ein makelloses Abbild des Negativs gab, hier haben sich u.a. Körner gehalten, die ziemlich in der Mitte des Bildes sichtbar sind. Im Vordergrund des Bildes ist die Hadschi Beschiraga Moschee zu sehen, im Dach der Abgrenzung zu den dahinterstehenden Holzhäusern und ein wenig links daneben haben diese Unfeinheiten diesem Abzug eine höchst individuelle – negative – Ausgestaltung verschafft. Sie und ihre anderen, kleineren Kumpane waren zu tilgen. Auch wurde das gesamte Bild etwas gestreckt, um die verbliebenen Reste des Rahmens wegfallen zu lassen.


Es steckt nun etwas Arbeit von Pantalone in dem Bild, jedoch rechtfertigt diese nicht, sich nun die Aufnahme anzueignen, denn die Arbeit den wirklichen Autoren ist mit dem heutigen Optimieren nicht vergleichbar, auch wenn die Urheberrechte der längst verblichenen Schöpfer des Bildes auch längst erloschen sind. Das nachfolgende Bild mit der besitzergreifenden Einfügung des Namens ist daher als falsch durchgestrichen.


Was aber machte Photographium?

Offenbar haben sich die dortigen Verwerter von der Library of Congress die große Version heruntergeladen. Auch ihnen fiel der fleckige Himmel auf. Sie haben ihn „auf alt gefleckt“ gereinigt, auch in die kleinsten Zinnen hinein, da ist nichts zu beanstanden. Jedoch die individuellen inneren Macken haben sie nicht beseitigt, ihr Erwerbstrieb hinderte sie daran. Denn sie mussten schnell und nicht sehr präzise die wirkliche Urheberschaft des Bildes verschleiern, Benennung des Bildes und die Aufschrift der Autoren wurden beseitigt. Dafür prangt jetzt ein großes Wasserzeichen, das auf das Unternehmen hinweist. Das ist der moderne Raubtierkapitalismus.


Sicher kann man des geschilderten Ablaufes bei Ph… deswegen sein, weil zum einen die ausführliche Bezeichnung des Bildes durch die Library of Congress übernommen wurde, zum anderen eben deswegen, weil das Bild durch seine inneren Macken individuell bestimmt ist. Wem gehört die Welt? Den Unverfrorenen? Doch hoffentlich nicht.

„Na, Pantalone, sinds nun genug Bilder?"
"Also Dein Text gefällt mir, das muss ich zugeben. Allerdings ist er fern des herrschenden Rechts, wie sollte ich sonst Handeltreiben!“